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Alexander Rahr: "Der Rat von Außenstehenden kann pragmatischer sein"

12. April 2007

Der Berliner Osteuropa-Experte Alexander Rahr begleitet die Gruppe internationaler Vermittler der Yalta European Strategy. Mit DW-RADIO sprach er über die Suche nach einem Kompromiss im ukrainischen Machtkampf.

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Alexander RahrBild: DW

DW-RADIO/Russisch: Die europäischen Vermittler unter Leitung des ehemaligen polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski versuchen, Juschtschenko und Janukowytsch zu einem Kompromiss zu bewegen. Ist ein Kompromiss realistisch?

Alexander Rahr: Die Europäischen Union hält sich bislang zurück, aber einzelne Vertreter der EU, darunter Aleksandr Kwasniewski oder Marek Siwiec, der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, oder der Europa-Abgeordnete Mario David aus Portugal werden drei Tage hier sein und die Gespräche führen. Alles findet im Rahmen der Initiative "Yalta European Strategy" statt. Das Wichtigste ist, dass die heute konfrontierenden Kräfte die Möglichkeit bekommen, möglicherweise über Vermittler ins Gespräch zu kommen. Die ukrainische Seite lehnte bislang Vermittler ab. Aber vielleicht muss man die Seiten mit frischen Ideen zur Vernunft bewegen. Kwasniewski ist darin natürlich ein Meister, er hat die ganzen Tage der "orange Revolution" hier in der Ukraine verbracht. Er kennt die Mentalität und die Akteure, und das nicht nur vom Hörensagen. Ich denke, ein Fortschritt ist möglich, auch ein Kompromiss, weil in den Gesprächen deutlich gemacht wird, dass es keinen anderen Ausweg gibt.

Wenn ein Kompromiss möglich ist, wie könnte er dann aussehen?

Ein Kompromiss könnte so aussehen, dass Juschtschenko seinen Erlass über die Parlamentsauflösung zurücknimmt. Übrigens besteht die große Gefahr, dass das Verfassungsgericht den Erlass absichtlich als verfassungswidrig einstuft. Das wäre für Juschtschenko noch schlimmer. Alle verstehen, dass er sich am Rande der Verfassungsmäßigkeit befindet. Deswegen denke ich, dass er den Erlass zurücknehmen könnte. Gleichzeitig muss aber die andere Seite ihm entgegenkommen und die Gesetze aussetzen, die vom Parlament und der Regierung nach der Unterzeichnung des Universal, also des Paktes über nationale Einheit, im August vergangenen Jahres verabschiedet wurden. Der Universal ist in der Ukraine ein heiliges Dokument, dem alle zugestimmt haben. Das ist die Plattform, auf der sich die Ukraine in den kommenden Jahrzehnten entwickeln soll – das ist die euroatlantische Integration des Landes, die klare Aufteilung der Macht zwischen dem Präsidenten und dem Parlament, das ist die Ausrufung einer parlamentarischen Republik. Zu dem Prinzip muss man zurückkehren. Die verschiedenen ukrainischen politischen Kräfte müssen noch ein Mal bestätigen, nach dem Universal leben zu wollen. Ich denke, wenn die Situation so gelöst wird, dann kann in der Ukraine Stabilität einkehren.

Welchen Sinn haben dann die frischen Ideen der europäischen Vermittler, von denen sie gesprochen haben?

Die Europäer schaffen mit ihrer Präsenz denen eine Plattform, die beginnen, sich wieder gegenseitig zu hassen. Es ist leichter, auf diese Weise miteinander zu reden. Auch ist es manchmal wichtig, dass in einer solchen Situation, in die sich die ukrainischen politischen Kräfte hineinmanövriert haben, sie den Rat von Außenstehenden hören, der pragmatischer sein kann. Gleichzeitig könnte das Bestreben nach einem Kompromiss und Dialog zwischen den Politikern verstärkt werden.

Das Gespräch führten Andreas Brenner und Gleb Gavrik
DW-RADIO/Russisch, 11.4.2007, Fokus Ost-Südost