1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Albanien und der Kandidatenstatus

Angelina Verbica27. Juni 2014

Die EU verleiht Albanien den Status eines Beitrittskandidaten, obwohl das Land nach wie vor große Probleme hat. Korruption, Vetternwirtschaft und organisierte Kriminalität belasten den Prozess der Demokratisierung.

https://p.dw.com/p/1CRO5
Stefan Füle und Edi Rama in Tirana (Foto: DW/Arben Muka)
Stefan Füle (links) und Edi Rama in TiranaBild: DW/A. Muka

In Albanien ist die Freude groß darüber, dass die EU das Land nun zum Beitrittskandidaten küren will. Während der jahrzehntelangen kommunistischen Abgeschiedenheit und den darauffolgenden turbulenten Jahren der Demokratisierung war der Wunsch, "zu Europa zu gehören", eine Konstante für viele Menschen in Albanien. Jetzt ist es soweit: Nachdem die EU-Außenminister es bereits beschlossen haben, soll nun das Drei- Millionen-Einwohner-Land beim Gipfel der EU Staats-und Regierungschefs (27.06.2014) in Brüssel auch offiziell den Kandidatenstatus erhalten.

Justiz muss reformiert werden

Trotz der Euphorie ist den meisten Menschen in Albanien aber klar, dass das Schwierigste noch bevorsteht. "Beitrittskandidat zu sein bedeutet, dass wir jetzt noch intensiver arbeiten müssen und uns nicht zufrieden zurücklehnen können", sagt die EU-Integrationsministerin Klajda Gjosha gegenüber der DW. Denn ein Kandidat zu sein bedeute noch lange nicht, dass die Beitrittsverhandlungen auch bald beginnen werden. Vorher muss das Land zahlreiche Reformen anstoßen - so fordert es die EU. Vor allem geht es dabei um die Bekämpfung der Korruption im Justiz und Verwaltungswesen, sowie um das Problem der organisierten Kriminalität.

"Die Umsetzung der Rechtsstaatlichkeit ist der Schlüssel, und daher würde ich den Akzent auf die Justizreform legen", sagt der deutsche Botschafter in Tirana Hellmut Hoffmann im Gespräch mit der DW. Eine korrupte Justiz behindere die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Das war auch die Botschaft, die der albanische Premierminister Edi Rama während seines Besuchs in Berlin im März von Angela Merkel vermittelt bekam.

Hellmut Hoffmann Botschafter Deutschlands in Tirana (Foto: DW/Ani Ruci)
"Korruption behindert die Weiterentwicklung des Landes", sagt Hellmut HoffmannBild: DW/A. Ruci

Die Botschaft scheint angekommen zu sein: Es ist wohl kein Zufall, dass eine Woche vor der Entscheidung in Brüssel die Sicherheitskräfte durch eine groß angelegte Aktion die Hochburg des Marihuana-Anbaus in Südalbanien unter ihre Kontrolle brachten. Im Dorf Lazarat, das als größtes Cannabis-Anbaugebiet Europas galt, vernichtete die Polizei nach eigenen Angaben etwa zwölf Tonnen Marihuana.

Kultur der Straflosigkeit loswerden

Dies mag die EU zwar bei der Entscheidung positiv beeinflusst haben, doch ausreichen wird das nicht. Ähnlich wie im Fall Kroatiens wird die EU jetzt auch von Albanien verlangen, die Korruption auch auf der höchsten politischen Ebene entschlossen zu bekämpfen. Denn immer noch herrscht im Land eine Kultur der Straflosigkeit. Daher ist der politische Analyst Lutfi Dervishi davon überzeugt, dass die Justizreform eine große Herausforderung sein wird. Sie müsse in Zusammenarbeit mit der Unterstützungsmission der EU für das Justizsystem in Albanien (EURALIUS) erfolgen, sagt er. "Die ersten Signale gibt es. Zum ersten Mal sitzen Richter und Staatsanwälte auf den Anklagebänken der Justiz. Aber erst wenn im Netz der Justiz auch 'große Fische' gefangen werden, können wir sagen, dass alle gleich vor dem Gesetz sind."

Auf dem Korruptionsindex von Transparency International rangiert Albanien auf Platz 116 von insgesamt 177. Nun hoffen viele Albaner, dass Bestechlichkeit und Vetternwirtschaft durch den Druck der EU abnehmen werden. Die Ministerin für europäische Integration Klajda Gjosha betont, dass der Kandidatenstatus automatisch eine strengere Überwachung der Regierung und allen anderen Institutionen mit sich bringe. "Die Bürger werden davon profitieren, da sie eine verantwortungsbewusstere Regierungsführung bekommen werden."

Klajda Gjosha Ministerin für Europäische Integration Albanien (Foto: DW/Ani Ruci)
"Albanien braucht den Druck der EU", sagt Klajda GjoshaBild: Blerina Visha/Ministerium für Europäische Integration, Tirana

Holpriger Weg bis zur Mitgliedschaft

Auf den Kandidatenstatus hat Albanien fünf Jahre warten müssen. In dieser Zeit hat die EU-Kommission drei Mal das Ersuchen Tiranas abgelehnt. Der Grund für das Warten waren nicht nur die unvollständigen Reformen, sondern auch die starke Polarisierung zwischen den zwei Volksparteien, der demokratischen und der sozialistischen, die in den letzten 23 Jahren im ehemals kommunistischen Land im Wechsel regierten. Jetzt erwartet die EU eine Veränderung im parlamentarischen Leben. "Das Land hat in der Vergangenheit unter politischer Instabilität und unter hasserfüllter Sprache der führenden Politiker gelitten. Dabei wurden private Interessen und Parteiinteressen über das Wohl des Landes gestellt", so der Analyst Lutfi Dervishi. Künftig müsse das anders werden, sagt er.

Der Weg in die EU sei aber noch lang, es müsse noch viel getan werden, sagt der deutsche Botschafter in Tirana Hellmut Hoffmann. Aber er betont, dass die EU und Deutschland bei ihrem Versprechen bleiben werden, dass der Westbalkan eine klare Perspektive in der EU hat. "Wichtig ist, dass die Länder des Westbalkans sich in Richtung EU-Integration bewegen. Dabei schreiten sie aber nicht im Gleichschritt voran, sondern auf der Grundlage der Fortschritte, die jedes Land für sich macht."