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Ai Weiwei im Kino

Bernd Sobolla14. Juni 2012

Er engagiert sich für Menschenrechte und riskiert dabei seine Freiheit. Ai Weiwei ist zum bekanntesten Künstler Chinas geworden. Regisseurin Alison Klayman begleitete den Regimekritiker mit der Kamera.

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Szene aus "Ai Weiwei - Never Sorry" (Foto: Verleih DCM)
Bild: Filmverleih DCM

Der chinesische Bildhauer, Architekt, Fotograf, Kurator und Konzeptkünstler Ai Weiwei ist weltbekannt. Nicht nur wegen seiner Kunstwerke. Vor allem mit seiner Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen in seiner Heimat erregte er das Interesse der Weltöffentlichkeit. Meist prangert Ai Weiwei ganz gezielt Missstände an. Man denke nur an das Foto mit geballter Faust und ausgestrecktem Mittelfinger vor dem "Platz des Himmlischen Friedens" in Peking. Wegen seines politischen und gesellschaftlichen Engagements hat der 54-jährige Ai Weiwei seit vielen Jahren mit Repressalien zu kämpfen. Die US-Amerikanerin Alison Klayman hat Ai Weiweis Leben und bisheriges Schaffen in dem Dokumentarfilm "Ai Weiwei: Never Sorry" zusammengefasst. (Am 14. Juni kommt der Film in die deutschen Kinos.)

Szene aus "Ai Weiwei - Never Sorry" (Foto: Verleih DCM)
Brisantes Foto - Ai Weiweis Protest gegen das Massaker am Platz des Himmlischen FriedensBild: Filmverleih DCM

Ai Weiwei wurde 1957 als Sohn des Dichters Ai Qing geboren. Der war ein bedeutender Lyriker des modernen China und wurde 1958 wegen "antikommunistischer Umtriebe" mit einem Schreibverbot belegt und 20 Jahre lang in die Provinz verbannt. Dort (in der Mandschurei und in Xinjian) verbrachte Ai Weiwei Kindheit und Jugend. Auch damals schon lernte er die geballte Staatsmacht kennen, die sich gegen Oppositionelle richtete.

Szene aus "Ai Weiwei - Never Sorry" (Foto: Verleih DCM)
Auseinandersetzungen mit der Polizei - für Ai Weiwei fast schon Routine...Bild: picture-alliance/dpa

Nächtliche Polizeibesuche überraschen Ai Weiwei heute nicht mehr allzusehr. Einen solchen Einsatz der Sicherheitskräfte hat Regisseurin Alison Klayman geschickt in ihren Film eingebaut. Bilder gibt es dazu nicht - die Leinwand bleibt schwarz. Aber auf der Tonspur hat die Regisseurin die nächtliche Auseinandersetzung aufgenommen. Die endet damit, dass ein Polizist Ai Weiwei mit der Faust schlägt und seine Kleider zerreißt. Auch an anderen Stellen des Films wird Ai Weiwei inhaftiert, unter Hausarrest gestellt und mit absurden Anklagen vors Gericht gebracht.

Filmstudium in Peking

Der Film blickt zunächst auf den frühen, noch unbekannten Künstler. 1978 beginnt Ai Weiwei ein Filmstudium in Peking gemeinsam mit den späteren Erfolgsregisseuren Chen Kaige und Zhang Yimou und gründet ein Jahr später die Künstlergruppe "Stars Group", die Kunst nach staatlicher Leitlinie ablehnt. 1981 wandert Ai Weiwei in die USA aus, kommt dort mit Andy Warhol in Berührung, freundet sich mit Allen Ginsberg an und widmet sich der Konzeptkunst. Als sein Vater erkrankt, kehrt Ai Weiwei 1993 nach Peking zurück. Um eine liberale chinesische Kunstszene zu unterstützen, veröffentlicht er die Bücher "The black, the white und the grey cover book", die Texte und Interviews mit zeitgenössischen chinesischen Künstlern beinhalten. Bücher, die heute Kultstatus genießen.

Szene aus "Ai Weiwei - Never Sorry" (Foto: Verleih DCM)
Nach der Festnahme Ai Weiweis protestieren seine AnhängerBild: Filmverleih DCM

Die im Film vorgestellten Arbeiten von Ai Weiwei sind zum Teil von großer visueller Kraft - eine überdimensionale rote chinesische Laterne, die nicht an irgendeiner Decke hängt, sondern gekrümmt am Boden liegt. Oder eine Weltkarte, auf der die Flächen der Länder in die Höhe schießen und den Betrachter überragen.

Dann aber gibt es auch ganz einfache Werke, zum Beispiel Fotos des Erdbebens in der Provinz Sichuan, wo 2008 rund 80.000 Menschen starben. Viele kamen um, weil die Gebäude, die ohne Sicherheitsstandards gebaut worden waren, wie Kartenhäuser einstürzten. Davon wollen die Regierungsvertreter natürlich nichts wissen. Diese Missstände thematisiert Ai Weiwei 2008 auch in seiner Ausstellung in München mit der Installation "Remembering". Dazu verkleidet er die Fassade des Ausstellungsgebäudes mit 9000 Rucksäcken. Darauf steht: "Sie lebte sieben Jahre lang glücklich auf der Erde". Dieser Satz stammt aus einem Brief einer Überlebenden des Erdbebens, deren Tochter Yang Xiaowan unter den Trümmern starb.

Konsequenter Einsatz für die Erdbebenopfer

Ai Weiwei erklärt dazu: "Ihre Mutter sagt: 'Wir wollen nichts anderes, außer dass man sich an unsere Tochter erinnert'". Auch wenn die Umstände des Sichuan-Erdbebens viel Platz im Film einnehmen, betont Alison Klayman, dass ihr andere Arbeiten ebenso wichtig erscheinen: "Ai Weiwei hat viele interessante Werke geschaffen, und über jedes einzelne könnte man einen Film drehen. Aber sein Einsatz für die Erdbebenopfer zeigt besonders gut sein Streben nach Transparenz, menschlicher Würde und Individualität".

Szene aus "Ai Weiwei - Never Sorry" (Foto: Verleih DCM)
Ai Weiweis Sonnenblumenkerne - ein symbolisches WerkBild: Filmverleih DCM

Ai Weiweis Arbeiten entstehen meist auf der Basis der Beschäftigung mit chinesischen Gesellschaftsphänomenen. Eine Porzellan-Vase mit Jugendstil-Design wird da beispielsweise mit Coca-Cola Schriftzeichen versehen. Ein anderes Werk kreist um das Fahrrad als klassisches Fortbewegungsmittel der Chinesen. Eine Installation - zu sehen in der Tate-Gallery in London -, besteht aus 100 Millionen Sonnenblumenkernen aus Porzellan und symbolisiert die Kraft der Masse. Hier schlägt Ai Weiwei, ein bekennender Internetfan, der regelmäßig twittert und Blogs schreibt, einen Bogen zum eigenen Leben: "Ich denke, die kleinen Teile symbolisieren das, was ich auf Twitter mache. Ich halte das für sehr schön und wichtig. Es ist wichtig, Informationen zu teilen und Dinge vorherzusehen".

Ai Weiwei erlebt den Abriss seines Studios

Alison Klayman hat rein formal ein klassisches Film-Portrait geschaffen. Sie hat mit langjährigen Wegbegleitern Ai Weiweis gesprochen, mit Künstlern, Galeristen und Autoren, aber ebenso persönliche Gespräche zwischen Ai Weiwei und seiner Mutter Gao Ying aufgezeichnet. Und auch Aufnahmen seines dreijährigen Sohnes, eines Kindes, das er nicht mit seiner Frau, sondern mit "einer Freundin" hat, ergänzen das Bild des Privatmannes Ai Weiwei.

So ist ein vielschichtiger Film entstanden, der weit über die Darstellung eines einzelnen Dissidenten hinausgeht. Der Film thematisiert auch das heutige China - zwischen dem Streben nach internationaler Anerkennung und politischer Willkür. So muss Ai Weiwei beispielsweise miterleben, wie in Shanghai sein gerade gebautes Studio abgerissen wird, weil es angeblich keine Baugenehmigung dafür gibt - eine der beeindruckendsten Szenen des Films.