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Russischer Aktionskünstler aus Haft entlassen

Felix Schlagwein8. Juni 2016

Als Symbol gegen staatlichen Terror hatte der russische Künstler Pjotr Pawlenski die Eingangstür des Inlandsgeheimdienstes FSB in Brand gesetzt. Nach der Verurteilung zu einer Geldstrafe kommt er wieder auf freien Fuß.

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Pjotr Pavlensky Künstler hinter Gittern. Foto: (c) Imago/ITAR-TASS
Bild: Imago/ITAR-TASS

Ein Moskauer Gericht verurteilte den russischen Aktionskünstler am Mittwoch (08.06.16) zu einer Geldstrafe von 500 000 Rubel (rund 6850 Euro). Im November 2015 hatte Pjotr Pawlenski an der Eingangstür zum Hauptgebäude des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB Feuer gelegt, um nach eigener Aussage öffentlich gegen den staatlich organisierten Terror der Putin-Regierung zu protestieren. Nach monatelanger Haft muß er jetzt neben der Geldstrafe zusätzlich 481 000 Rubel Schadenersatz für die demolierte Tür zahlen.

"Kulturdenkmal" mit symbolträchtiger Geschichte

Zunächst war der Aktivist wegen Vandalismus angeklagt worden. Später lautete die Anklage auf Beschädigung eines Kulturdenkmals – mit einer möglichen Haftstrafe von bis zu drei Jahren. Das auch als "Lubjanka" bekannte Hauptgebäude des FSB ist tatsächlich von historischer Bedeutung. Seine Vergangenheit zählt jedoch zu den dunkelsten Kapiteln der russischen Geschichte. Seit Gründung der Sowjetunion ist die "Lubjanka" die Geheimdienstzentrale, früher des KGB. Von hier aus organisierte Stalin seine großen politischen Säuberungen. In den Gefängniszellen wurden unzählige Menschen eingesperrt, gefoltert und ermordet.

FSB Zentrale Lubjanka in Moskau, Russland
Die Lubjanka , Zentrale des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes KGB und heutigen FSBBild: imago/Hansjörg Hörseljau

Bereits am Ende der Verhandlung kündigte Pawlenski an, dass er sich dem Urteil nicht beugen wird. "Auch wenn ich das Geld für die Strafe hätte, ich würde sie nicht bezahlen", sagte der in Rußland sehr bekannte Aktionskünstler. Damit bleibt er seiner politischen Haltung treu. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert und will das Urteil anfechten.

Bei dem Angriff auf die FSB-Zentrale in Moskau beschädigte der Aktivist zum ersten Mal öffentliches Eigentum. Normalerweise richtet er seine Protestaktionen gegen seinen eigenen Körper.

Spektakulärer politischer Protest

Pawlenski möchte das russische Volk damit schmerzhaft aufrütteln. Dabei schreckt er nicht davor zurück, seinen eigenen Körper öffentlich zu verstümmeln. Weltbekannt wurde er durch seinen Protest gegen die Inhaftierung der regierungskritischen Band Pussy Riot. Vor der Kasaner Kathedrale in seiner Heimatstadt Sankt Petersburg trat Pawlenski 2012 mit zugenähtem Mund auf. Sein Auftritt wurde von Sicherheitskräften sofort beendet. Aber das ist sein Konzept, die repressive Reaktion der Staatsmacht ist Teil seiner Kunst.

Pjotr Pawlenski Protestaktion mit zugenähtem Mund. Foto: (c) Imago/Eastnews
Schmerzhafte Kunstaktion gegen staatliche UnterdrückungBild: Imago/Eastnews

Bei der Aktion "Kadaver" ließ sich Pawlenski 2013 vor dem Sankt Petersburger Stadtparlament nackt in Stacheldraht einwickeln. Im selben Jahr nagelte er seinen Hodensack auf dem Roten Platz in Moskau fest. Damit habe er die Apathie der russischen Gesellschaft verkörpert, erklärte der Künstler seine drastischen Aktion. Aufgrund seiner öffentlichen Kritik wurde er mehrfach verhaftet, für eine Anklage fehlten den russischen Staatsanwälten bislang ausreichende Gründe. Auch der Versuch, Pawlenski für unzurechnungsfähig erklären zu lassen, scheiterte.

Vielleicht inspirierte das Pawlenski dazu, die politische Instrumentalisierung der Psychiatrie in Rußland anzuprangern. Wie zu Zeiten der Sowjetunion würden in Putins Russland immer häufiger Dissidenten als psychisch krank interniert, prangert Pawlewski die Mißstände an. Die Regierung lasse sie auf diesem Weg aus der Gesellschaft verschwinden und damit ihre Stimmen verstummen. 2014 setzte sich Pawlenski aus Protest bei bitterer Moskauer Oktoberkälte nackt auf die Mauer der Serbsky-Psychiatrie und schnitt sich ein Ohrläppchen ab.