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Aids-Prävention: Das deutsche Modell

27. Juni 2011

Auch nach 30 Jahren sind HIV und Aids noch ein wichtiges Thema in Deutschland. Staatliche und Selbsthilfe-Organisationen teilen sich die Aufklärungsarbeit. Für manche Länder könnte das deutsche Modell Vorbild sein.

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Symbolbild Aids: Die rote Schleife (Foto: dpa)
Deutsche Prävention: ohne erhobenen ZeigefingerBild: picture-alliance/ dpa

Der Video-Clip ist mutig. Er zeigt drei junge Pärchen beim Sex: Die einen kuschelig im Bett, die anderen eilig in einer Toilette, die dritten heiß im Auto. Doch - und das ist das Fazit des Spots - alle machen es "safe", mit Kondom also.

Dieser kurze Film ist ein Beispiel für die vielfältige HIV-Aufklärung in Deutschland. Gedreht wurde der Spot von der jungen Präventionsgruppe "Jung Positiv", kurz JuPo, aus Köln. Jugendliche betreiben hier Aufklärung für Jugendliche. Einmal im Jahr dreht die Gruppe einen solchen Clip, unterstützt wird sie dabei unter anderem vom Jugendzentrum für Lesben, Schwule und deren Freunde in Köln, dem "anyway".

Heidi Eichenbrenner vor dem Gebäude der Aids-Hilfe Köln (Foto: Eva Huber, DW)
Heidi Eichenbrenner engagiert sich für Aufklärung über HIVBild: DW

Dort hat Jugendarbeiter Jürgen Piger das Filmprojekt betreut. Er findet es wichtig, unverklemmt und ohne moralische Besserwisserei an die Präventionsarbeit zu gehen. Daran orientiere sich auch der Spot. "Die Botschaft des Films ist: man kann Sex überall haben und mit jeder Person. Egal, ob ich es im Park mache oder im Bett, ob ich es zärtlich mache oder ganz wild - wichtig ist, dass ich mich schütze."

"Wissen ist der beste Schutz"

Prävention - aber ohne Moralisierung und ohne erhobenen Zeigefinger - das ist ein zentraler Gedanke der deutschen HIV-Aufklärung. Wissen ist der beste Schutz, weiß Heidi Eichenbrenner durch ihre langjährige Arbeit bei der Aids-Hilfe in Köln. Prävention sei Aufklärung, man müsse den Menschen die richtigen Informationen geben, damit sie sich eigenverantwortlich schützen können. Besonders für Jugendliche sei das wichtig, um das Wissen auch im aktiven Handeln zu verankern.

Plakat der Kampagne Gib AIDS keine Chance - machs mit: Maiskolben mit Kondom und Motto 'Poppt sicher!' (Foto: BZgA)
Gib AIDS keine Chance - Aufklärungsplakat der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Dieser Ansatz bestimmt die Arbeit sowohl der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA, als auch der Aids-Hilfen auf Bundes- und auf regionaler Ebene. Die BZgA richtet sich an die Allgemeinheit mit medienübergreifenden Kampagnen wie "Gib AIDS keine Chance" oder auch mit gezielten Plakatwerbungen. Die regionalen und lokalen Aidshilfen betreiben hingegen konkrete Aufklärung vor Ort: Sie gehen in Schulen oder wenden sich an spezielle Risikogruppen wie Drogenabhängige oder Homosexuelle. Unterstützung kommt dabei auch von zahlreichen kleinen und Kleinstinitiativen und -Gruppen.

Eine gute Arbeitsteilung, findet Heidi Eichenbrenner von der Kölner Aidshilfe. Die massenmediale Aufklärung über Spots und Plakatkampagnen sei wichtig, um erstmal ein Augenmerk auf das Thema zu richten. Die Auseinandersetzung zu vertiefen, funktioniere aber nur über das persönliche Gespräch. "Deshalb ist es wichtig, dass wir vor Ort sind. Auch in die Schulen gehen, in die Jugendtreffpunkte und mit den Jugendlichen sprechen."

Keine neue Sorglosigkeit

Banane mit Kondom (Foto: Bilderbox)
Kondom - das Positivimage wirkt sich ausBild: BilderBox

Denn noch immer gibt es jährlich knapp 3000 HIV-Neudiagnosen. Und seit 2008 ist sogar eine Zunahme zu verzeichnen. Dass der Anstieg auf eine neue Sorglosigkeit zurückzuführen ist, lässt sich aber nicht bestätigen. Die Nutzung von Kondomen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Das zeigen die jährlichen Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Danach werden in vier von fünf beginnenden Beziehungen Kondome benutzt.

"Über Sexualität muss man sprechen"

Heike Gronski vor einer Informationstafel (Foto: Eva Huber, DW)
Heike Gronski informiert über SchutzmöglichkeitenBild: DW

Auch junge Menschen wollen sich prinzipiell schützen. Doch nicht immer können sie das Risiko richtig abschätzen, denn oft fehlt Wissen im Detail. Welche Übertragungswege gibt es? Und welche Schutzmöglichkeiten? Antworten darauf gibt Heike Gronski. Sie arbeitet seit zwölf Jahren in der Aids-Hilfe in Bonn und spricht dort mit Schulklassen über HIV. Dabei zeige sich, dass alle über das Grundlegende Bescheid wissen. Es gehe aber darum, differenziert zu informieren. Heike Gronski erarbeitet dabei mit den Jugendlichen verfügbares Wissen. So fragt sie beispielsweise, welche Körperflüssigkeiten es gibt und wie man sich unter Umständen daran infizieren kann, oder wie eben auch nicht. Reden über Sexualität falle uns generell sehr schwer, meint Gronski und erklärt, dass die Aids-Hilfen diese Barrieren überwinden wollen.

Man müsse über Sexualität sprechen: "Wenn ich nicht einmal darüber reden kann, ob mir das Küssen so rum oder anders rum Spaß macht, wie soll ich dann darüber reden, dass ich ein Kondom benutzen will?"

Der JuPo-Clip - ein Beispiel für Aufklärung

Offen über Themen wie Sex und HIV zu sprechen und dabei keine Tabus zu haben - diesem Prinzip der Präventionsarbeit in Deutschland folgt auch der Video-Clip der Initiative "Jung Positiv" aus Köln mit den drei Pärchen. Für diesen Aufklärungsspot der JuPos stand auch Maik Scholz vor der Kamera: Bei der Sexszene des schwulen Paares im Auto.

Maik Scholz im Jugendzentrum 'anyway' (Foto: Eva Huber, DW)
Engagiert im Jugendzentrum und im Film: Maik ScholzBild: DW

Neben der Aufregung seines Filmdebüts fand der 20-Jährige die Auseinandersetzung mit HIV bei den JuPos sehr interessant und vor allem intensiver als in der Schule. Er hat nun ein anderes Verständnis von HIV und gibt zu, dass er die Sache vor der Arbeit an dem Spot locker genommen habe. "Nach dem Motto: 'Es passiert schon nicht, wenn er sagt, er ist gesund, dann ist er gesund'. Aber das ist ja einfach nicht so." Man sehe es einem Menschen ja nicht an, ob er das HIV-Virus habe. Er lasse sich nun nicht mehr so blenden, meint der 20-Jährige.

Junge Menschen, die an solchen Projekten teilnehmen, seien wichtige Multiplikatoren, sagt Heidi Eichenbrenner. Sie geben das Wissen, das sie durch das Projekt erlangt haben, an andere weiter. Dass sei ein kleiner und doch bedeutender Baustein.

In den vergangenen Jahren haben andere sexuell übertragbare Krankheiten wie etwa Syphilis wieder zugenommen. Diese Krankheiten begünstigen aber auch eine Infektion mit HIV. Dem trägt die deutsche Präventionsarbeit Rechnung: verstärkt über andere sexuell übertragbare Krankheiten zu informieren, wird einer der Schwerpunkte in den nächsten Jahren sein.

Autorin: Eva Huber
Redaktion: Hartmut Lüning