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Afrikas Sonne in deutschen Steckdosen

22. Juni 2009

Eine saubere Sache für Europas Industrienationen: Spektakuläre Solarstrom-Anlagen in der Sahara, die schon in zehn Jahren Energie liefern könnten. Aber was hat Afrika davon? Wieder das Nachsehen, meint Alexander Göbel.

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Bild: DW

Endlich! Die solare Energiewende scheint also nicht nur machbar, sie steht unmittelbar bevor. Zumindest, wenn es nach dem Willen eines deutschen Konsortiums geht: Afrika, grüß‘ mir die Sonne. Noch ist alles heiße Luft, aber wenn alles klappt, soll die Sonne gigantische Solarthermiewerke aufheizen und stolze 15 Prozent des deutschen Strombedarfs decken. Der Deutsche ist froh: Endlich wieder ein gutes Gewissen beim Stromverbrauch – sogar Greenpeace freut sich, und auch Jürgen Trittin. Es kommt noch besser: Je heißer, je gnadenloser die Sonne auf den schwarzen Kontinent brennt, desto umweltfreundlicher ist das für unsere Steckdosen.

Rechnung ohne Afrika

Alexander Göbel (Foto: DW Christel Becker-Rau)
Deutsche Welle-Reporter Alexander GöbelBild: DW/Christel Becker-Rau

Wer will schon etwas dagegen sagen, wenn Konzerne mit großen Namen, darunter eben auch die Deutsche Bank, Siemens und RWE, uns Solarstrom als Alternative zur fossilen Energie anbieten wollen? Deutschland, Land der Ideen, der Innovation, der Erneuerbaren Energie; Vorkämpfer gegen den Klimawandel. Herrliche Aussichten, und das auch noch in Zeiten der Finanzkrise. Die Sache hat nur einen Haken. Einen großen. Wir machen die Rechnung zwar mit Afrikas Sonne – aber nicht mit Afrika. Auch wenn der Sprecher des deutschen Konsortiums, immerhin dem Vorstand der Münchener Rück, beteuert, es kämen positive Signale aus Nordafrika. Allein, man hat sie noch nicht vernommen! Dabei kolonisieren wir Afrikas Sonne – und damit auch Afrikas Misere. Denn wenn Afrikas Sonnenenergie unsere Nachttischlampen zum Leuchten bringt, heißt das eben noch lange nicht, dass Afrika auch davon profitiert. Und ich sag Ihnen auch, warum:

Miserable Energieversorgung

Wir holen uns einwandfreien Sonnenstrom aus Afrika, wir haben es zumindest vor, während afrikanische Staaten zunächst mal außen vor bleiben und sich bei der miserablen Energieversorgung dort nichts ändern wird, wenn nicht entsprechende Verträge geschlossen werden, die diese Länder teilhaben lassen. Denn eins steht fest: Sie haben alternative Energien bitter nötig, lechzen nach grünem Know How, nach Investitionen, nach Arbeitsplätzen. Gerade haben wir beim Internationalen Tag der Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre mal wieder beklagt, wie schlimm Klimawandel, Armut und Bevölkerungswachstum in Afrika zusammenwirken, so dass die Wüste weiter wächst. Zum Beispiel im Niger. Dort spielt sich ein Kampf von David gegen Goliath ab. Die Menschen versuchen so gut es geht dagegen zu halten. Steinreihen auf ihren Feldern sollen verhindern, dass der letzte fruchtbare Boden auch noch weg geweht wird, neu gepflanzte Akazienwälder sollen das Regenwasser speichern – wenn denn mal welches vom Himmel kommt.

Ineffiziente Projekte

Solarenergie Afrika (Foto: picture-alliance/dpa)
Noch wird Solarnergie in Afrika kaum genutztBild: picture-alliance / dpa

Beispiel Mali: Die Stromversorgung ist denkbar instabil und auf die großen Städte beschränkt. Gigantomanische, aber ineffiziente Staudammprojekte, finanziert von Libyen und der arabischen Entwicklungsbank, sind nichts anderes als weiße Elefanten, also teure Entwicklungsprojekte, die ins Leere laufen. Ihre Energie reicht nicht einmal für die Straßenbeleuchtung der Hauptstadt Bamako aus. Deshalb ist ganz Mali noch immer im wahrsten Sinne auf dem Holzweg. Tag und Nacht liegt schwerer Rauch von Kohlefeuer über dem Land – der sich zu den Abgasen der Diesel-Generatoren mischt und einem den Atem raubt. Weil es in den meisten Sahel-Staaten keine ordentliche Stromversorgung gibt, hacken die Menschen die Bäume ab. Für ein Kilo Holzkohle braucht man übrigens zehn Kilo frisches Holz - und davon gibt es in Bamako schon keins mehr.

Zynische Lobeshymnen

Hochspannungsmasten (Foto: picture-alliance/chromorange)
Europa ist an der eigenen Stromversorgung interessiertBild: picture-alliance / chromorange

Lobeshymnen auf den exklusiven Desertec-Ökostrom müssen aus westafrikanischer Sicht also zynisch anmuten. Aber damit es keiner falsch versteht: Natürlich ist Solarenergie zu begrüßen. Und natürlich fragt man sich, warum die Sahara nicht schon längst voller Solaranlagen ist. Natürlich gibt es überall kleine Solarprojekte, wir fördern mit deutschen Steuergeldern Photovoltaikanlagen in diesem malischen Dorf, und Windkrafträder in jenem marokkanischen Gebirge. Aber kein Staat in Nord- und Westafrika hätte 400 Milliarden Euro, fast so viel wie das Rettungspaket der deutschen Wirtschaft, um seinen Strom nachhaltig und flächendeckend aus der heißen afrikanischen Sonne zu holen, und kein Staat wird dort je soviel Geld investieren können. Und jetzt kommen wir – mit viel Geld und großen Ansprüchen. Die Hitze in Afrika interessiert uns aber nur so weit, wie wir sie für uns nutzen können. Dabei müsste jedes große Solarprojekt nicht nur hier in Afrika anfangen, sondern auch zunächst einmal den Menschen dienen, die hier leben. Das gebietet nicht nur eine globale Klimapolitik – sondern auch der Anstand.

Autor: Alexander Göbel

Redaktion: Katrin Ogunsade