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Konkurrenz für Afrikaner in Indiens Fußball

Shola Lawal
17. Juli 2022

Lange haben Fußballer aus Westafrika dem indischen Vereinsfußball ihren Stempel aufgedrückt. Nun droht Konkurrenz aus Europa - weil die Vereine vermehrt dort nach Talenten suchen.

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Der Nigerianer Dudu Omagbemi bejubelt einen Treffer in einem Spiel der Indian Super League im November 2016
Westafrikanische Spieler wie der Nigerianer Dudu Omagbemi spielen schon lange in Indien FußballBild: Arun Sankar/AFP/Getty Images

Wenn Christopher Chizoba als Teenager an Indien dachte, kamen ihm nur Bollywood-Filme in den Sinn. An Fußball hatte er nie gedacht. Als 18-Jähriger flog der Nigerianer dann in den Osten Indiens, in die Großstadt Kalkutta. Mehr als 13 Jahre später hat der Angreifer dort eine neue Heimat gefunden. Chizoba hat mittlerweile für sechs indische Mannschaften gespielt, unter anderem für das Topteam Mohun Bagan. Nun ist der heute 31-Jährige an den Ort zurückgekehrt, an dem seine Profikarriere begonnen hat. "Zuerst wollte ich nicht kommen, weil ich noch nie von jemandem gehört hatte, der nach Indien gegangen war, um dort zu spielen", erinnert sich Chizoba im Interview mit der DW.

"Der Ort, den Gott für mich bestimmt hat"

Indiens Fußball entwickelt sich. Das Land verbesserte sich in den vergangenen neun Jahren in der FIFA-Rangliste der Männer von Platz 150 auf 104. Die India Super League (ISL) wächst. Dazu kommen zahlreiche lokale Turniere, Landesligen und eine leidenschaftliche Fangemeinde. Und Chizoba ist mittendrin. Kalkutta, eine kulturelle Hochburg an der Küste und Heimat seines aktuellen Vereins Tollygunge Agragami FC, erinnert ihn ein wenig an Lagos, Nigeras Hauptstadt. Das einzige, was fehlt, sei ein afrikanisches Restaurant. "Indien ist der Ort, den Gott für mich bestimmt hat und den ich zu meiner Heimat gemacht habe", so Chizoba. "Auf die eine oder andere Weise werde ich immer wieder zurückkommen."

Wegbereiter Chima Okorie

Chizoba ist einer der vielen westafrikanischen Fußballer, die in den letzten 50 Jahren in die indische Fußballszene geströmt sind. Angefangen hat alles in den frühen 1980er Jahren. Damals öffnete Indien seine Tore für afrikanische Spieler. Junge Fußballer aus Nigeria hatten die Aufmerksamkeit der örtlichen Vereine auf sich gezogen. Einer von ihnen war Chima Okorie. Der Spielmacher wurde in Indien zum Fußballstar.

Okorie kam 1984 als Student nach Indien und spielte zunächst an der Universität, bevor der Fußballverein Mohammedan Sporting auf ihn aufmerksam wurde. Bis zu seinem Rücktritt zwei Jahrzehnte später, spielte er für vier Mannschaften, darunter die großen Vereine Mohun Bagan und East Bengal. In seiner Karriere erzielte er mehr als 300 Tore. Viele glauben, dass Okories Leistungen ein Grund waren, warum sich indische Klubs in jener Zeit vermehrt um afrikanische Talente bemühten. So folgten Spieler wie Ranti Martins und Dudu Omagbemi, beide aus Nigeria, oder Yusif Yakubu aus Ghana dem Ruf nach Indien.

Diese erste Welle westafrikanischer Spieler öffnete nicht nur die Tür für andere Fußballer aus der Region, sondern setzte auch hohe Standards für die nachfolgenden Generationen. Die hohe Erwartungshaltung hat sich bis heute gehalten und setzt die Spieler unter Druck. "In der Nacht vor dem Spiel schläfst du nicht, weil die Fans dir sagen, dass sie dieses Spiel unbedingt gewinnen wollen", berichtet der Liberianer Ansumana Kromah, der beim Klub Tollygunge unter Vertrag steht, der DW. "Wenn wir verlieren, muss uns die Polizei vom Spielfeld eskortieren."

Veränderungen liegen in der Luft

Für afrikanische Spieler wird es schwerer, sich im indischen Fußball zu behaupten. Denn der Wunsch der Vereine nach qualitativ besseren Spielern aus Europa wächst.

Indische Klubs dürfen nur maximal fünf ausländische Spieler pro Saison unter Vertrag nehmen. Ein entsprechend intensiver Konkurrenzkampf um diese wenigen Plätze ist entbrannt.

Ranti Martins bejubelt einen Treffer in einem indischen Ligaspiel 2016
Der Nigerianer Ranti Martins (2.v.l.) ist einer der legendären westafrikanischen Spieler, die in Indien gespielt habenBild: Diptendu Dutta/AFP/Getty Images

Nachdem Mohun Bagan vor kurzem Florentin Pogba aus Guinea verpflichtet hat, einen ehemaligen Spieler des französischen Zweitligisten FC Sochaux, fürchten Spieler wie Kromah, dass dieses Beispiel Schule macht und sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Viele westafrikanische Spieler in Indien befinden sich in einer ähnlichen Situation und haben reagiert. Sie haben sich semi-professionellen "Siebener-Turnieren" (Sieben Spieler pro Team, Anm. d. R.) zugewandt, die in den Monaten mit trockenem Wetter viele indische Fans anziehen.

Hier dominieren die westafrikanischen Spieler noch. Sie verdienen rund 60 Dollar (60 Euro) pro Spiel. Vom Stellenwert der ISL oder der I-League, den höchsten Ligen des Landes, sind diese Turniere jedoch noch weit entfernt. "Das ist wirklich traurig für uns", sagt Kromah. "Sie wollen nur hochkarätige Spieler. Wenn ich die Gelegenheit bekomme, werde ich weggehen."

Schwerer Stand auch für indische Fußballer

Auch einheimische Spieler sind von dem vermehrten Konkurrenzdruck durch Spieler aus Europa betroffen. Shouvik Bhattacharjee, ehemaliger Spieler des Klubs Southern Samity aus Kalkutta, kritisiert, dass durch die verstärkte Konzentration auf die Verpflichtung ausländischer Spieler der Breitenfußball und die Entwicklung indischer Spieler vernachlässigt werde. "Ich würde mir wünschen, dass es in ein oder zwei Ligen nur Inder gibt, damit wir mehr Talente hervorbringen können", sagt Bhattacharjee. "Bei jedem lokalen Turnier gibt es ausländische Spieler, und sogar in der I-League und ISL stehen sie im Rampenlicht. Sie sind gut, aber auch Inder haben Talent."

Der indische Fußball verändert sich. Erfolgsgeschichten von Westafrikanern wie die des Nigerianers Chizoba werden seltener. 

*Anmerkung der Redaktion: Chizoba verbüßt derzeit eine zweijährige Sperre für alle fußballbezogenen Aktivitäten bis September 2023. Nach Erkenntnissen des Fußballverbands von Bangladesch soll er in seiner Zeit beim Arambagh FC an Spielmanipulationen beteiligt gewesen sein. Der Nigerianer behauptet, die FIFA habe ihn inzwischen rehabilitiert. Die DW hat die FIFA und den nigerianischen Fußballverband um eine Stellungnahme gebeten, aber noch keine Antwort erhalten.