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ADAMI-Medienpreis: Mit Kunst Gräben überwinden

Daria Bryantseva
10. Dezember 2020

Im Wettbewerb laufen Beiträge von Journalisten und Filmemachern aus Ländern der EU-Ostpartnerschaft. Was sind die Themen? Ein Gespräch mit Direktor Stefan Tolz.

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Standbild aus dem Film "Bounded by Memories"
Standbild aus dem Film "Bounded by Memories", der für den ADAMI-Medienpreis nominiert ist Bild: ADAMI Medienpreis

Mehr als 300 Beiträge wurden von Rundfunkanstalten, Filmemachern und Journalisten aus den Ländern der EU-Ostpartnerschaft eingereicht. Der Preis, der am 17. Dezember verliehen wird, unterstützt seit 2015 die Arbeit von Filmemachern, Reportern und Medienschaffenden aus Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und der Ukraine.

Stefan Tolz
Stefan TolzBild: ADAMI Medienpreis

Die Themen sind Migration, Integration sowie ethnische, religiöse und kulturelle Vielfalt. Die DW hat mit dem Direktor des Wettbewerbs, Stefan Tolz, über die diesjährigen Einreichungen gesprochen.

Deutsche Welle: Dieses Jahr ist für alle ein außergewöhnliches Jahr, nicht nur wegen der Corona-Pandemie. Wenn wir über die Teilnehmerländer des Wettbewerbs sprechen, kommt man um den Konflikt in Berg-Karabach nicht umhin. Wie hat er sich auf das Wettbewerbsprogramm in dieser Saison ausgewirkt?

Stefan Tolz: Der ADAMI-Medienpreis wird jedes Jahr im Februar ausgeschrieben. Das war natürlich genau die Zeit, als es mit Corona und den Beschränkungen losging. Viele Menschen hatten gar nicht den Kopf dafür frei, sich für den Wettbewerb zu bewerben. Dadurch war es ein bisschen schwierig, an die Beiträge heranzukommen, die uns interessieren. Es wurden natürlich auch Beiträge eingereicht, die mit der derzeitigen Situation zu tun haben. Aber gleichzeitig war es für uns überraschend zu sehen, dass auch andere Themen in diesem besonderen Jahr ihren Weg zu uns fanden. Viele Einreichungen handeln von Frauenrechten, es geht um die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau oder auch um die Meinungsfreiheit von Frauen.  

Abschied vom Kloster Dadiwank

Für uns ist es immer wieder interessant zu sehen, dass sich manche Themen über Ländergrenzen ähneln. Ein Film erzählt nicht von der Auseinandersetzung zwischen Armeniern und Aserbaidschanern, sondern im Gegenteil von der Freundschaft, die Armenier und Aserbaidschaner verbindet. Viele Armenier und Aserbaidschaner, gerade junge Studenten, leben in Tiflis. Da gibt es Freundschaften und Cliquen, die Armenier und Aserbaidschaner miteinander verbinden. Es ist interessant, wie man so etwas im Film darstellen kann. Ein Film handelt von zwei alten Damen, die in der Sowjetzeit sehr gut miteinander befreundet waren, eine Armenierin und eine Aserbaidschanerin, die direkt an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze wohnen und die sich dann seit den 1990er Jahren nicht mehr gesehen haben. Eine Armenierin und eine Aserbaidschanerin haben zusammen einen Film über diese beiden älteren Damen gedreht. Die aserbaidschanische Regisseurin darf aber nicht genannt werden, denn dies würde ihr in ihrer Heimat Probleme bereiten.

Die spezifischen Konflikte des Jahres 2020 spielen natürlich in den ADAMI-Medienpreis hinein. Die Themen, die wir behandeln, sind ja Randthemen. Da geht es um Minderheiten, die oft nicht so stark in den Fernsehanstalten Beachtung finden. Wir wollen die Leute ermutigen und ihnen eine Plattform bieten. Gerade der Konflikt um Berg-Karabach hat natürlich eine Rolle gespielt. Wir hoffen, dass der ADAMI-Medienpreis auch in Armenien und Aserbaidschan im Fernsehen ausgestrahlt wird. Denn nur so kann man diese Gräben und diese Konflikte überwinden, indem man die Kunst und die Medien nutzt.

Spiegeln sich die Proteste in Belarus im diesjährigen Wettbewerb wieder?

Dabei ist Dima Dedok, der in Belarus als Underground-Filmemacher bekannt ist. Sein Beitrag handelt von Underground-Poetry: Auch Gedichte können erzählen, wie die Gesellschaft tickt, wie westlich sie zum Teil schon geworden ist und wie die Leute nach Freiheit streben. Allerdings hatten wir keine Filme über die die aktuellen Demonstrationen und die politische Lage dabei.

Filmstill aus dem Film von Dima Dedok "Poetry from the Swamp"
Filmstill aus dem Film von Dima Dedok "Poetry from the Swamp"Bild: ADAMI Medienpreis

Ist in Zukunft geplant, den Preis nicht nur für Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldawien und die Ukraine, sondern auch für andere Länder zu öffnen?

Es gibt ein Programm des Auswärtigen Amtes in Berlin, das speziell Kultur- und Medienprogramme fördert, die sich um diese sechs Länder und um Russland kümmern. Wir würden gerne eine Brücke nach Russland schlagen. Deshalb versuchen wir, ein russisches Mitglied in der Jury zu haben. Auch zu den Vorträgen laden wir Russen ein. Zu stark können wir Russland nicht in den Wettbewerb einbinden, weil es im Vergleich zu den anderen Teilnehmerländern über andere Finanzen und eine riesige Medienlandschaft verfügt. Einige Länder befürchten auch, als Anhängsel der Russen dazustehen, während sie doch im Gegenteil die Nähe zu Europa suchen. Trotzdem wollen wir den Brückenschlag versuchen. Deshalb ist auch der ADAMI-Medienpreis zweisprachig: Englisch und Russisch. Russisch ist ja schließlich auch eine Lingua franca in dieser Region.

Was hat sich in den fünf Jahren, seit es den Preis gibt, getan? Hat sich die technische oder inhaltliche Qualität der Projekte verändert?

Gerade in Belarus haben wir in den letzten fünf Jahren gesehen, dass da die Produktionen zugenommen haben und auch spannender geworden sind. Wir hatten auch Beiträge vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen, was in Belarus einem Staatsfernsehen gleicht. Es war uns sehr wichtig, dass wir nicht nur Beiträge von Oppositionssendern haben, sondern dass wir auch Einsendungen erhalten, die im öffentlichen Fernsehen gezeigt werden, damit man sieht, wie dort Themen über Minderheiten und kulturelle Vielfalt behandelt werden.

Die Republik Moldau hat stark mit Abwanderung zu kämpfen. Immer mehr junge Journalisten und Medienleute nutzen die Chance, über Rumänien in die Europäische Union zu gelangen.

In den meisten Ländern dominieren auch weiterhin die privaten Medien, die oft von politischen Vertretern und von Oligarchen geleitet werden. Oder es gibt eine Situation, wo oppositionelle Medien ums Überleben oder um Aufmerksamkeit kämpfen müssen. Das beobachte ich schon seit fünf Jahren.

Das Gespräch führte Daria Bryantseva.

Der ADAMI-Medienpreis wird aus dem Programm "Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland" des Auswärtigen Amtes finanziert. Prämiert werden die besten Filme und Websites, die sich mit der kulturellen Vielfalt in Osteuropa beschäftigen. Ziel des Preises ist es, die Medien dabei zu unterstützen, Hass und Ignoranz entgegenzutreten, und eine Plattform für die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch zwischen Fachleuten zu schaffen.