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Aufbruch in China

15. Dezember 2012

Chinas Wirtschaft leidet unter der weltweiten Konsumflaute und wächst langsamer. Das Wachstum werde in den nächsten Jahren dennoch überdurchschnittlich sein, sagt der renommierte Ökonom Mao Zhenhua.

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Prof. Mao Zhenhua, Gründer der chinesischen Ratingagentur Chengxin (Foto: DW)
Prof. Mao Zhenhua, Gründer der chinesischen Ratingagentur ChengxinBild: DW/Z.Danhong

DW: Aus China kommen gemischte Konjunkturzahlen. Während die Industrieproduktion wieder ordentlich anzieht, schwächelt der Export. Wie sieht Ihre Prognose für 2013 aus?

Mao Zhenhua: Das Umfeld wird weiterhin schwierig bleiben. Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft verlangsamt sich bereits seit elf Quartalen. Sie wird sich schwertun, sich von diesem Trend zu befreien. Im letzten Quartal dieses Jahres wird sich der Konjunkturhimmel etwas aufhellen. Doch insgesamt wird es schwierig bleiben. Das liegt daran, dass der Strukturwandel noch nicht ganz vollzogen ist.

Was versteht man unter einem Strukturwandel in China?

Die weltweite Finanzkrise hat eine Konsumflaute ausgelöst. Das hat den Bedarf an Importwaren sehr stark reduziert. Chinas Wachstum basierte in der Vergangenheit darauf, Waren in die ganze Welt zu verkaufen. Nun können die Produktionskapazitäten im Lande nicht ganz entfaltet werden. Viele Exportunternehmen stecken in Schwierigkeiten.

Wie hoch wird das Wachstum 2013 ausfallen?

Meiner Einschätzung nach wird Chinas Wirtschaft um acht Prozent wachsen. Viele Investitionen aus der Vergangenheit wirken noch nach. Die Regierung hat auch eine Reihe Maßnahmen ergriffen, um die Binnennachfrage anzuschieben. Deswegen wird das Wachstum noch ordentlich ausfallen.

Aber zweistellige Wachstumszahlen gehören eher der Vergangenheit an, oder?

Der WTO-Beitritt hat der chinesischen Volkswirtschaft zu einer Phase rasanten Wachstums verholfen. In den letzten zehn Jahren legte sie durchschnittlich um zehn Prozent jährlich zu. Dieses Tempo ist auf Dauer nicht zu halten. Die nächsten Jahre wird das Wachstum etwas gemäßigter verlaufen, aber dennoch auf einem hohen Niveau bleiben. Das hat mehrere Gründe. Zuerst gibt es einen Nachholbedarf an Konsum. In der Vergangenheit hinkte der Konsum der wirtschaftlichen Entwicklung hinterher, da der Lohn niedrig war. Nun will die Regierung gegensteuern. Bis 2020 soll das durchschnittliche Einkommen verdoppelt werden. Das wird die Kaufkraft stärken. Natürlich wird auf der anderen Seite die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft nachlassen. Aber China hat keine andere Wahl. Auch die weitere Urbanisierung bedeutet ein riesiges Potenzial an Wachstum. Zudem ist der Dienstleistungssektor in China noch unterwickelt. Eine Besserung dieses Sektors birgt ebenfalls Chancen für Beschäftigung und Wachstum. China hat in der Vergangenheit auch viel in moderne Technik investiert. In Zukunft kann das Land davon profitieren. All das zusammen gerechnet, erwarte ich für die nächsten Jahre eine Phase des relativ hohen Wachstums von über sieben Prozent.

Früher hieß es immer, China brauche mindestens acht Prozent Wachstum, um die auf den Arbeitsmarkt strömenden Arbeitskräfte zu absorbieren. Andererseits ist in den entwickelten Regionen die Rede vom Mangel an Facharbeitskräften. Wie wird der Arbeitsmarkt in dieser Phase des relativ hohen Wachstums aussehen?

Früher haben wir von einer Bevölkerungsdividende profitiert, die auf niedrigen Löhnen basierte. Diese Dividende ist bald ausgeschöpft. Im Moment reden wir von einem Überangebot an Arbeitskräften und einem Mangel in der Struktur der Arbeitskräfte. Zwar spült die weitere Urbanisierung immer noch jede Menge Arbeitskräfte in die Städte, sie sind aber nicht gut qualifiziert. Das wird sich im Laufe des Strukturwandels ändern. Die Folgen der Überalterung der Gesellschaft werden die nächsten zehn Jahre noch nicht sichtbar. Insofern hat China für die nächste Zeit eine relativ günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt.

Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 5000 Dollar ist China dem Club der Länder mit mittlerem Einkommen beigetreten. Einige Länder in diesem Club schaffen es nicht mehr weiter und verharren im "middle-income-trap". Wird China dasselbe Schicksal erleiden?

Davon gehe ich nicht aus. China unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von diesen Ländern, indem es über einen riesigen Binnenmarkt verfügt. Das ist in einem Land wie Argentinien nicht der Fall. Außerdem haben wir den Schlüssel gefunden, wie man diesen riesigen Markt zum Aufwachen bringt.

Mao Zhenhua ist Wirtschaftsprofessor und Unternehmer in China. Vor 20 Jahren gründete er die Chengxin Ratingagentur, die erste in China.

Das Interview führte Zhang Danhong.