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Doping vor Olympia

Lutz Kulling23. Juli 2012

Der Biochemiker Mario Thevis leitet das Zentrum für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln. DW-Sport sprach mit ihm über Trends und Perspektiven.

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Olympische Ringe und eine Spritze (Foto: DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Symbolbild Doping bei den Olympischen SpielenBild: DW-Montage/fotolia.com/Kaarsten

Deutsche Welle: Kürzlich erklärte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, man sei heute Dopingsündern dichter auf der Spur als noch vor einigen Jahren. Hat er Recht – können wir also in London wirklich "sauberere" Spiele erwarten?

Mario Thevis: Grundsätzlich stimme ich dieser Aussage zu. Ich denke, dass der Abstand zwischen betrügerischen Sportlern und den Doping-Kontrolleuren, den Doping-Analytikern deutlich geringer geworden ist. Das liegt insbesondere daran, dass wir heutzutage wesentlich mehr in den Anti-Doping-Kampf investieren können, instrumentell wie personell und auch was die Testfrequenzen angeht. Von daher denke ich, dass es Doping-Sünder heutzutage deutlich schwerer haben als noch vor etwa zehn Jahren.

Sie sprechen damit auch die verbesserten Nachweis-Verfahren an – welche Manipulationsmethoden sind denn weltweit im Spitzensport für Sie besonders relevant derzeit?

Das Spektrum der Substanzen und Methoden des Missbrauchs ist extrem breit und wird wahrscheinlich noch breiter werden. Dennoch begegnet uns immer wieder eine Handvoll Substanzen, die körpereigen produziert werden. Diese werden auch von geständigen Sportlern immer wieder genannt: zum Beispiel Testosteron, Wachstumshormone oder Erythropoetin – besser bekannt als EPO. Das sind alles Substanzen, die natürlicherweise vorkommen – aber auch wenn sie von außen zugeführt werden, einen zusätzlichen Leistungsschub bringen können.

"Dauerbrennern" und Modedrogen auf der Spur

EPO, etwa durch Skandale im Radsport berüchtigt geworden, gilt seit längerem als nachweisbar. Doch wie steht es mit diversen Nachfolge-Generationen?

Seit 2000 gibt es Nachweisverfahren für EPO der ersten Generation, die immer weiter verfeinert wurden und uns zum Glück auch die beiden folgenden EPO-Generationen erfassen ließen. Dabei wurde auch das Untersuchungsspektrum erweitert, denn einige EPO-Präparate können bevorzugt im Blut und nicht in Urin nachgewiesen werden. Ein Problem bleibt aber die kurze Nachweisbarkeit, das kurze Nachweis-Fenster. Und die Tatsache, dass Sportler mit kleinsten Mikrodosen arbeiten, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sie getestet werden, vergleichsweise groß ist – wie zum Beispiel im Wettkampf. Hier ist die wesentliche Herausforderung, die Methodik so zu verbessern, dass wir zwischen Körpereigenem und Körperfremdem eindeutig unterscheiden können. Und, dass wir diese Methoden zu jeder Tages- und Nachtzeit abrufen können…

Doping-Forscher Mario Thevis (Foto: dpa)
Dopingforscher Mario ThevisBild: picture-alliance/dpa

Was wir mit dem Stichwort unangemeldete Trainingskontrollen verbinden…

Ganz genau! Denn die größte Chance, einen gedopten Sportler zu erwischen, haben wir dann, wenn er nicht mit einer Kontrolle rechnet. Und das ist mit Sicherheit nicht zu Wettkampfzeiten der Fall, denn dort rechnet jeder damit, dass er getestet wird – insbesondere bei guten Platzierungen. Out-of-Competition-Controls außerhalb der Wettkampfphase sind daher ein sehr scharfes Schwert, was unbedingt auch eingesetzt werden muss.

Gelten Wachstumshormone, und hier insbesondere die Designer-Variante für besonders zahlungskräftige Athleten, noch immer als Zaubermittel unter Betrügern?

Es ist zumindest eines der Präparate, das bei Geständnissen regelmäßig genannt wird. Inwiefern das Wachstumshormon wirklich einen leistungssteigernden Effekt hat, bleibt im Raum der Spekulation. Denn es gibt logischerweise keine wissenschaftlichen Studien diesbezüglich und somit kaum Belege, dass es insbesondere in Kombination mit anabolen Wirkstoffen leistungssteigernd sein kann oder auch die Regenerationsfähigkeit fördert.

Vielfältige Methoden der Manipulation

Lassen sich heute Anabolika wirklich lückenlos nachweisen, auch wenn sie etwa durch die Einnahme anderer Mittel "verschleiert" werden sollen?

Hinsichtlich der Steroide, die im Körper nicht natürlicherweise vorkommen, sind die Nachweismöglichkeiten sehr gut geworden. Das hat sich schon bei den Olympischen Spielen in Athen gezeigt. Dort wurde die Nachweisbarkeit solcher Substanzen so stark verbessert, dass wir zu einem Zeitpunkt 23 positive Befunde hatten, wenn auch nicht alle auf synthetische Steroide wie Stanozolol zurückgeführt werden konnten. Testosteron nimmt als anaboles Steroid eine Sonderstellung ein. Es ist körpereigen - und so muss entsprechend differenziert werden: ob es das ist, was der Sportler natürlicherweise produziert, oder das, was von außen zugeführt wurde.

Beutel mit Eigenblut liegen in einem Kühlfach in einem Krankenhaus (Foto: dpa)
Im ohnehin berüchtigten Radsport offenbar besonders beliebt: Doping mit Eigenblut oder EPO-PräparatenBild: picture-alliance/dpa

Welchen Stellenwert hat Gendoping, unter dem man ja nicht nur das direkte Einschleusen von DNA-Material in den Organismus versteht?

Gendoping ist seit spätestens 2003 verboten. In erster Linie hat man darunter den Missbrauch der sogenannten Gen-Therapie verstanden, das Einschleusen von gesundem, genetischem Material. Heutzutage gibt es wesentlich – in Anführungszeichen – schonendere Eingriffsmöglichkeiten in die sogenannte Gen-Expression: Was aus dem genetischen Material der DNA zunächst prozessiert wird, das ist die RNA – hier kann beispielsweise schon manipuliert werden. Etwa, wenn Sie Substanzen aus Ihrem Körper heraushalten wollen, die das Muskelwachstum begrenzen. Myostatin ist da ein Stichwort, was sicher viele schon gehört haben. Aber auch mit in Tablettenform verfügbaren Medikamenten kann die Effizienz des genetischen Materials gesteigert werden.

Der Nachweis für Insulin-Missbrauch, mit dem etwa Schwimm-Superstar Michael Phelps in Verbindung gebracht wurde, ist hier an der Sporthochschule in Köln entwickelt worden – mehr als nur ein Etappensieg?

Es ist einer der Nachweise gewesen, die gezeigt haben, dass man vermeintlich nicht nachzuweisende Peptid-Hormone mit Hilfe moderner Doping-Kontrollmaßnahmen sehr gut erfassen kann. Es wäre zu viel gesagt, dass wir hier ein Problem gelöst hätten – aber den Ausdruck des Etappensiegs halte ich für angemessen. Denn darauf aufbauend konnten wir auch Nachweisverfahren für andere Peptid-Hormone entwickeln.

Doping-Jäger auf der Überholspur?

Spaniens später gesperrter Tour-Sieger Alberto Contador hat seine Clenbuterol-Werte mit dem Verzehr von kontaminiertem Fleisch erklärt – ein Doping-Präparat und auch eine Ausrede von vorgestern?

Clenbuterol ist in der Tat eines der älteren Doping-Mittel, die aber immer noch eingesetzt werden, wie unsere Jahresstatistiken zeigen. Ausreden haben wir schon viele in der Vergangenheit gehört – einige sind plausibel, andere weniger. Sicher kann man nur sagen, dass Clenbuterol eines der Präparate ist, die wir besonders gut nachweisen können, mit solider analytischer Arbeit. Zu beurteilen, wie Substanzen schließlich und endlich in Blut oder Urin hineingekommen sind, ist nicht unsere Aufgabe.

Bleibt noch der Blick in die Zukunft, in der nicht nur die Täter, sondern wohl auch die Anti-Doping-Forscher weiter "aufrüsten" werden. Auf was haben wir uns also einzustellen – bleibt der Uralt-Vergleich mit dem Wettlauf von Hase und Igel dann endgültig auf der Strecke?

Das denke ich nicht. Es ist sehr blauäugig zu glauben, dass wir das Problem des Dopings aus dem Sport entfernen können, dass wir gleichauf mit dopenden Sportlern sein werden. Aber der Abstand sollte möglichst kurz sein und Fenster des Missbrauchs, insbesondere wenn neue Präparate den Markt erreichen, sollten möglichst klein gehalten werden. Das ist das Ziel, was wir erreichen können und hoffentlich auch erreichen werden.