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Überleben in Russland

Miodrag Soric
9. Juni 2018

Bis zu einer Million ausländische Gäste reisen zur Fußball WM nach Russland. Andere Länder, andere Sitten – aber auch andere Gefahren. Unser Korrespondent Miodrag Soric gibt Tipps, worauf Besucher achten sollten.

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Russland | Moskau
Bild: DW/Soric

1. Kreuz und quer statt rechts vor links

Auf Moskaus Straßen gilt ein einfaches Gesetz: Der Stärkere setzt sich durch. Das sind meist PS-starke Asphaltfräsen, Luxuskutschen manchmal in Begleitung von Basismodellen mit Blaulicht. Jedoch definitiv nicht Fußgänger oder Fahrradfahrer. Ampeln oder Zebrastreifen sind vage Hinweise auf zumindest theoretisch existierende Verkehrsregeln. In der Praxis werden sie ebenso respektiert wie einst die marxistischen Gesetze: von Fall zu Fall.

Viele bewundern Moskaus zehnspurige Alleen. Sie lassen die Hauptstadt großzügig erscheinen. Allerdings geben hier Raketen auf vier Rädern auch mal Vollgas. Für Fußgänger gilt: Augen und Ohren offen halten. Und wer auf die andere Straßenseite will, nutze die Unterführung. Kann sein, dass er dann ein paar hundert Meter weiter laufen muss. Dafür bleibt er am Leben.

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Moskaus Straßen scheinen wie gemacht für Autokorsos - und für RaserBild: DW/Soric

2. Schweige in der Metro

So machohaft Männer hinter dem Lenkrad sein können: In der Metro verwandeln sie sich in Kavaliere. Betritt eine ältere Dame den Waggon, bieten ihr die Herren ihren Sitzplatz an.

Die Russen erkennen in der U-Bahn den Ausländer an dessen vergeblichen Versuchen, sich zu unterhalten. Vergeblich, weil es in der Metro extrem laut ist. Also starren die meisten Russen auf ihre Handys, zumal es in der Metro Wifi gibt. Doch Vorsicht: Sie nutzen ungeschützte Wifi-Systeme. Das beachte, wer auf seinem Mobiltelefon vertrauliche Daten hat. Andere könnten mitlesen.

3. Reisepass immer dabei

Die Sowjetunion ist tot. Die Liebe zum "Dokument" lebt aber weiter. Deshalb habe jeder Besucher Russlands den Pass griffbereit bei sich. Besonders, wenn er oder sie das Hotelzimmer verlässt. Ein Beamter könnte in der Metro, auf der Straße, im Stadion danach fragen. Wer ihn nicht dabei hat, muss im schlimmsten Fall mit auf die Wache. Polizisten werden während der WM besonders streng sein. Auf Diskussionen lassen sie sich nicht ein.

4. Street Food meiden

Das Mitfiebern, Daumendrücken, Schwenken von Fahnen, Umarmen von bekannten und fremden Menschen, das Betätigen von Fan-Hörnern, Tröten oder Trommeln macht hungrig. Auch in Russland. Doch wer einen empfindlichen Magen hat, sollte Straßen-Imbisse meiden. Sonst könnte er es bereuen und Tage auf dem Hotel-Klo statt im Stadion verbringen. Deshalb stille jeder seinen Hunger in Restaurants. Viele sind gut und vergleichsweise preiswert.

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Die russische Alternative zu übersüßten Limonaden: Kwass ist fast an jeder Straßenecke zu kaufenBild: DW/Soric

Keine Regel ohne Ausnahmen, etwa wenn man durstig ist. Ein Getränk, dass der Rest der Welt leider nicht kennt, ist Kwass. Es wird durch die Gärung von Brot hergestellt, ist nicht so herb wie Bier, nicht süß wie Limonade, doch sehr erfrischend. Oft wird das orange-braune, frisch gezapfte Getränk in Parks, vor Stadien oder einfach an Straßenecken für kleines Geld angeboten. Unbedingt probieren!

5. Keine Geschäfte auf der Straße

Was auf den ersten Blick extrem günstig erscheint, kann sich am Ende als teuer erweisen – weil es einfach nicht funktioniert. Etwa SIM-Karten, die vor Bahnhöfen feilgeboten werden. Oder Ladekabel für Smartphones. Oder Spielzeuge, die in dem Augenblick auseinanderfallen, wenn Kinderhände nach ihnen greifen. Gute Erfahrungen kann der Tourist hingegen in kleinen Läden machen, die er, aufgereiht einer neben dem anderen, in Unterführungen oder Bahnhöfen findet. Für kleines Geld gibt es Schirme, Büstenhalter, Strümpfe, Souvenir-Matrjoschkas, Perücken oder Smartphones.

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Bessere Qualität als bei Straßenhändlern: In unterirdischen Ladenzeilen findet sich nahezu alles, was das Touristenherz begehrtBild: DW/Soric

6. Der Kunde hat nicht immer Recht

Die aus Großbritannien stammende Idee "Der Kunde hat immer Recht" hat in Russland noch nicht so recht Fuß gefasst. Um nicht zu sagen: sie ist vielen vollkommen fremd. Kunden – zumal ausländische – stören die Gemütsruhe von Verkäufern, Kellnern oder Stewardessen. Das Verhältnis zwischen demjenigen, der etwas hat, und demjenigen, der etwas haben will, ist in Russland vor allem eine Machtfrage. Russische Unternehmen können zwar tolle Flugzeuge, Computer oder Schneidemaschinen für Titan herstellen. Das Geschäft kommt dennoch nicht voran, weil der Service fehlt.

Oder um ein Beispiel für Touristen zu nehmen: Sie können phantastisches Essen kochen, doch der Kellner räumt den Tisch ab, noch bevor der Gast den letzten Bissen runter geschluckt hat. Wer sitzt in einem Restaurant schon gern an einem leeren Tisch? Guter Service sieht wirklich anders aus.

Kundenorientierung muss gelernt sein. Nach dem Untergang der UdSSR hatten die Russen kaum Zeit, sich an marktwirtschaftliche Strukturen zu gewöhnen. Das bedeutet für Besucher Russlands: Sie ersparen sich Enttäuschungen, wenn sie dies von vorn herein bedenken. Letztlich machen die Russen das mehr als wett durch ihre Gastfreundschaft zu Hause. Da biegen sich die Tische und der Wodka fließt in Strömen.

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Die Männermode in Russland ist sehr vielfältig...Bild: DW/Soric

7. Sich keinem Wodka-Wettbewerb stellen

Schon in Tolstojs "Krieg und Frieden" wird der Hang der Russen zur Tollkühnheit beschrieben, besonders wenn es ums Trinken geht. Bei Partys wird viel getrunken – allerdings "mit Kultur". Bedeutet: Trinksprüche, immer in einer bestimmten Reihenfolge, sowie fetthaltiges Essen gehören dazu. Gelegentlich gerät die Situation außer Kontrolle. Zwei junge Männer im Ural starben, als sie eine Handgranate zündeten, um ein spektakuläres Foto aufzunehmen. Das Foto dient seitdem der Polizei als Beleg für die Todesursache.