50 Jahre "Jugend musiziert"
10. September 2013Feuchte Hände, rote Wangen - kalter Schweiß läuft über die Stirn, die Finger zittern. Die Aufregung steht allen Teilnehmern ins Gesicht geschrieben und löst sich in der Regel erst, wenn sie mit ihrem Vorspiel beginnen. Das ist heute genau so wie vor 49 Jahren als der erste Nachwuchswettbewerb durchgeführt wurde - ein Jahr nach der Gründung des Förderprogramms.
Die Idee für "Jugend musiziert" hatte damals unter anderem der Musikmanager und Journalist Eckart Rohlfs. Im Gespräch mit der DW erinnert er sich, dass der Deutsche Musikrat damals feststellte, es gäbe in Deutschland offensichtlich nicht genügend Nachwuchs für die vielen Kulturorchester. "Anfang der 1960er Jahre hatte man gute Erfahrungen mit Jugendklavierwettbewerben gemacht", erzählt Mitinitiator Rohlfs.
"Warum wollen wir das nicht auch für andere Instrumente versuchen? So taten sich eine Reihe von Verbänden und Jugendmusikschulen zusammen, und 1963 kam es zum Ausrufen des Wettbewerbs."
Das Sprungbrett
Was als Förderung für Orchestermusiker begann, hat sich in den vergangenen fünf Dekaden zu einer Leistungsschau für den Nachwuchs in fast allen Bereichen der Musik entwickelt, die für einige zum Sprungbrett für eine großartige Musiker-Karriere wurde. Die Violinistin Anne-Sophie Mutter machte im Alter von elf Jahren mit und brillierte mit einer virtuosen Interpretation der "Zigeunerweisen" von Pablo de Sarasate. 1974 gewann sie den Wettbewerb und durfte zwei Jahre später dem Dirigenten Herbert von Karajan vorspielen, der den Grundstein für ihre künstlerische Zukunft legte. Auch Tabea Zimmermann stellte sich der Konkurrenz und gewann als Jugendliche den Wettbewerb. Heute zählt sie zu den weltweit besten Bratschisten.
Natürlich sind das Beispiele für absolute Ausnahme-Karrieren. Das Prädikat "Preisträger" generiert keine Weltstars, es kann aber beispielsweise Türen öffnen bei der Bewerbung um einen Studienplatz an einer bestimmten Musikhochschule oder bei prominenten Lehrern.
Die Nachhaltige Förderung
Ein anderer Effekt, den "Jugend musiziert" erzielt hat: Mitte der 1960er Jahre gab es rund 100 Jugendmusikschulen - heute sind es zehnmal so viele. Mitbegründer Eckart Rohlfs sieht noch weitere Vorteile: "Der Wettbewerb ist das Eine, das Andere ist: Was geschieht nachher mit den jungen Menschen, die gezeigt haben, dass sie gerne Musik machen auf einem hohen Niveau. Wir haben heute in Deutschland Hunderte von Jugendorchestern, die nicht denkbar sind, ohne dass die jungen Leute sich vorher in Wettbewerben qualifiziert haben. Oder die Kammermusik: Noch nie wurde so viel Zusammenspiel geübt wie heute. Es geht also weniger um das Preisgeld, sondern vielmehr um nachhaltige Fortbildungsmaßnahmen, gemeinsame Konzerte und Konzerttouren."
Die Preisträger seien eingebunden in internationale Begegnungen, erzählt Rohlfs, sie häben von Deutschland, Belgien und Frankreich ausgehend eine Art europäische Föderation der Jugendmusikwettbewerbe erstellt, denn ähnliche Einrichtungen gäbe es zunehmend auch in anderen europäischen Ländern.
Eckart Rohlfs leitete 33 Jahre lang den Wettbewerb und hat eine deutliche Steigerung des Niveaus der jungen Teilnehmer beobachtet. Er führt diese Verbesserung auf die Preisträger zurück, die zu Leitfiguren wurden. "Sie zeigten, welche Literatur gespielt worden ist, immer schwierigere Werke und daran orientierten sich auch die Instrumentallehrer. Es entwickelte sich eine enorme Motivation, sowohl für die Schüler, wie natürlich auch für die Lehrer."
Stress im Wettbewerb
Nicht nur für die Musikschüler ist es eine Ehre, zum Wettbewerb zugelassen zu werden. Auch für die Musikschulen und Musiklehrer ist es eine der größten Herausforderungen, ihre Schützlinge erfolgreich auf "Jugend musiziert" vorzubereiten. Es gibt also viele Faktoren, die funktionieren müssen. Dazu zählen auch die Eltern, die ihren Kindern erst einmal die Musikausbildung ermöglichen müssen. Außerdem sollten sie dazu bereit sein, ihren Musikernachwuchs zuerst auf Regionalebene, dann auf Landes- und schließlich im Idealfall auf Bundesebene zu begleiten. Und dann wäre da noch die Sache mit dem Stress und mit dem Lampenfieber. Psychologische Fähigkeiten sind hilfreich.
Preisträgerin Anne-Sophie Mutter erzählte in einer Radiosendung des Bayerischen Rundfunks von ihren Erfahrungen zum Thema Stress im Wettbewerb: "Es gab damals auch in meiner Alterskategorie Kinder, die nervöse Ticks entwickelt hatten. Damals begann auch eine bis heute andauernde Aversion meinerseits gegenüber Wettbewerben. Ich halte es da mit Ravel, der, wie ich glaube, gesagt hat, Wettbewerbe seien für Pferde aber nicht für Musiker."
Einige Pädagogen sehen deshalb den Wettbewerb durchaus zwiespältig. Unisono sind diese der Meinung, dass sie Schüler nur dann auf dem Weg zu "Jugend musiziert" unterstützen, wenn diese sich mit anderen unbedingt messen wollen und zudem ein stabiles Nervenkostüm besitzen. Auch die Jury muss mit dem Vortrag überzeugt werden. Gelingt das nicht, ist die Enttäuschung groß und das Ausscheiden aus dem Wettbewerb muss dann erst einmal verkraftet werden.
Die Zukunft der Veranstaltung
Die Macher von "Jugend musiziert" ziehen jedes Jahr kritisch Bilanz. Deshalb könne sich der Wettbewerb immer weiter entwickeln. Seit 1993 gibt es die Kategorie Gesang und erst seit zwei Jahren den Bereich Pop-Gesang. Der Pop-Bereich sei umstritten, ist zu hören, da man befürchte, er erreiche nicht das sonst vorhandene Niveau, verwässere die Marke und bringe einen dann nicht mehr zu bewältigenden Zulauf in den populären Kategorien.
"Man macht sich im Zentralkomitee im Herbst Gedanken über die Weiterführung", merkt Reinhard von Gutzeit an. Er ist seit 22 Jahren Vorsitzender des Projektbeirats von "Jugend musiziert".
Der Wettbewerb ist nicht nur auf Deutschland beschränkt, denn auch Schüler von deutschen Schulen im Ausland können mitmachen. Das werde auch in Zukunft für neue musikalische Farben sorgen, prognostiziert Eckart Rohlfs. Über 18.000 Bewerber gab es in diesem Jahr. Weniger werden es auch 2014 bei der 50. Ausgabe von "Jugend musiziert" nicht sein.