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5 Luther-Bücher zum Reformationsjubiläum (II)

Klaus Krämer
23. Oktober 2017

Eine bemerkenswerte Biografie, ein gelungener Bildband, ein buntes Lesebuch: Auch der zweite Teil unserer Buchvorstellungen soll eine Schneise in das Publikations-Dickicht zum Reformationsjubiläum schlagen.

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Martin Luther Interview
Bild: DW/K.Krämer

Lyndal Roper: Der Mensch Martin Luther/Die Biografie

Die gebürtige Australierin ist die erste Frau überhaupt, die es in all den Jahrhunderten geschafft hat, eine Biografie über Martin Luther zu verfassen. Und was für eine! Der Religionshistorikerin ist es gelungen, lebendig und glaubhaft darzustellen, wie der Mensch Martin Luther seine Welt des 16. Jahrhunderts erlebt und erfahren hat.

Buchcover Der Mensch Martin Luther von Lyndal Roper
Bild: S. Fischer

Mehr als zehn Jahre lang belagerte die Oxford-Professorin vor allem Archive in Ostdeutschland, um dem Menschen Martin Luther mit ihrer Quellenforschung so nahe wie möglich zu kommen. Roper, weder Theologin noch Psychologin, ist es gelungen, eine psychoanalytische Studie Luthers zu erstellen und sensibel und zugleich konsequent einzutauchen in seine Gefühlswelt. Sie hat ihm also keineswegs nur auf seinen theologischen und politischen Wegen nachgespürt. Vielmehr zeichnet sie das unmittelbare Bild eines Menschen, dessen körperliches Befinden Einfluss auf seine Theologie hat, dessen Auseinandersetzungen mit seinem Vater ihn letztlich ausrüsten für den gewaltigen Kampf gegen Papst und Kirche, der seine körperlichen Defizite und Erkrankungen als Bestandteile eines lebenslangen Kampfes auf engstem Raum gegen den Teufel sieht.

So hat Luther wohl noch niemand gedeutet, verstanden und interpretiert. Eine Biografie, deren Stil viele literarische Neuerscheinungen zu "500 Jahre Reformation" überstrahlen wird.

Lyndal Roper: Der Mensch Martin Luther/Die Biographie; S. Fischer Verlag Frankfurt/M., 736 Seiten, Übersetzer aus dem Englischen: Holger Fock, Sabine Müller (über 80 Abbildungen, davon zehn farbige), ISBN 978-3-10-066088-6

Ulrich Kneise, Jutta Krauß: Martin Luther Lebensspuren

Fotografen haben den besonderen Blick fürs Motiv - und vielfach eine spezielle Art, das, was sie sehen, in Szene zu setzen. Beides wird plastisch, wenn sich der Leser und Betrachter in diesen Bildband hineinfallen lässt. Der Eisenacher Fotograf Ulrich Kneise hat ihn nicht einfach nur gestaltet, sondern sich an den Lebensstationen Luthers orientierend, komponiert – Eisleben, Erfurt, Rom, Wittenberg, Worms sind nur einige der Stationen.

Buchcover Martin Luther - Lebensspuren von Jutta Krauß und Ulrich Kneise
Bild: Schnell & Steiner

Zum Besonderen bei der Motivauswahl für diesen Bildband gehört, dass einige Bilder so alt sind, dass sie noch unverstellte Blickwinkel bieten und deshalb heute zugleich dokumentarischen Wert besitzen, denn: Manche Orte können in der abgelichteten Perspektive heute schlicht nicht mehr fotografiert werden. Bei anderen wurde durch bauliche Veränderungen deren ursprüngliche Aura zerstört. Zudem pflegt Kneise mit Bedacht die Variation im Umgang mit der Farbintensität. Schwarz-Weißes, das Farbreduzierte bis hin zum Prallbunten, alles ist zu finden. Kneises originärer künstlerischer Blick auf Landschaften, Schauplätze, Gebäude, Kunstexponate oder auch die historischen Gemälde aus dem 19. Jahrhundert machen aus einer an sich historischen Spurensuche zugleich eine romantische Reise. Eine Reise, die an etlichen Stellen den Wandel zwischen dem 16. und dem 21. Jahrhundert aufzeigt.

Das ist aber nur der eine Bereich, der diesen Bildband hervorhebt. Die maßgeschneiderten, teils essayistischen Texte von Jutta Krauß tun ein Übriges, die Lebensspuren Luthers lebendig werden zu lassen. Krauß, seit Jahrzehnten wissenschaftliche Leiterin auf der Wartburg, versteht es, historische Überlieferungen und aktuelle Forschungsergebnisse so zu präsentieren, dass Aha-Erlebnisse keine Seltenheit sind.

Ulrich Kneise (Fotos), Jutta Krauß (Text): Martin Luther Lebensspuren; Verlag: Schnell & Steiner, Regensburg, 288 Seiten (171 Bilder), ISBN 978-3-7954-2855-6

Christoph Morgner (Hrsg.): Tinte, Thesen, Temperamente/Ein Lesebuch auf den Spuren von Martin Luther

Auch im Titel dieses Buchs wird das Bild von Spuren und Spurensuche bemüht – eine Dopplung, die sich bei einem riesigen literarischen Jubiläumsangebot vermutlich nicht vermeiden lässt. Das gilt aber nur für den Titel – inhaltlich handelt es sich um ein Lesebuch im besten Sinne, in dem verschiedene Spurensucher unterwegs sind und jeweils eine Fährte Luthers untersuchen.

Buchcover Tinte, Thesen, Temperamente von Christoph Morgner
Bild: Brunnen Verlag

18 Autoren - Journalisten, Theologen, Liedermacher, Schriftsteller - erzählen von Luther in ihrem jeweils typischen Schreibstil. Es geht ihnen vor allem - aber längst nicht nur - um die damals so revolutionären Glaubenserkenntnisse Luthers. Auch dessen Rolle als Liederdichter, Seelsorger, Sprachschöpfer oder Ehemann werden beleuchtet. Kapitel wie "Luther und das Wirtschaftsleben", "Luther und die Politik", "Luther in der DDR" oder "Luther in Amerika" bereichern zusätzlich das Wissen zum Gesamtbild dieser historischen Lichtgestalt.

Dabei werden auch die dunklen Seiten wie der Judenhass des späten Luther keineswegs ausgeklammert. Eine gut verständliche, locker geschriebene Annäherung an einen kantigen Menschen.

Tinte, Thesen, Temperamente/Ein Lesebuch auf den Spuren von Martin Luther; Dr. Christoph Morgner (Hrsg.), Brunnen Verlag, Gießen, 144 Seiten, ISBN: 978-3-7655-2064-8

Fabian Vogt: Luther für Neugierige/Das kleine Handbuch des evangelischen Glaubens

Vor Jahren, als die römisch-katholischen Päpste konservativer als der aktuelle waren, traten aus Protest immer wieder Evangelen aus der evangelischen Kirche aus. Ihnen war nicht klar, dass ihre Kirche nichts mit der katholischen und dem Papst zutun hatte. Auch Unwissenheit in religiösen Dingen hat also Folgen. So sagen Soziologen und Psychologen, die Angst der Deutschen vor dem Islam sei deshalb so groß, weil diese - vielfach entkirchlicht - nichts mehr von den christlichen Grundlagen der deutschen Gesellschaft wüssten. Muslime dagegen seien sich in der Regel der Wurzeln ihres Glaubens bewusst, hätten dementsprechend eine Orientierung.

Buchcover Luther für Neugierige von Fabian Vogt
Bild: Evangelische Verlagsanstalt Leipzig

Das sind mindestens zwei Gründe, Fabian Vogts Buch zu lesen, denn es beantwortet grundsätzliche Fragen: Worum geht es in der Bibel? Wie war das mit Luther und der Reformation? Was glauben evangelische Christen – und was nicht? Wie benimmt man sich im Gottesdienst? Was passiert beim Abendmahl? Ist Katechismus etwas Ansteckendes? Der Klappentext verspricht Antworten, die "fundiert, übersichtlich und dabei höchst unterhaltsam" vermittelt werden, "Grundwissen zum Glauben und zur Geschichte der evangelischen Kirchen sowie zu den kulturellen Erscheinungsformen des Protestantismus".

Um es kurz zu machen. Der Klappentext verspricht nicht zu viel. Wie auch, wenn der Autor zugleich Pastor, Kabarettist, Schriftsteller und Musiker ist. Eine nützliche, vergnügliche und kurzweilige Lektüre.

Luther für Neugierige/Das kleine Handbuch des evangelischen Glaubens, Fabian Vogt, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 196 Seiten, ISBN 978-3-374-02844-3

Benjamin Hasselhorn: Das Ende des Luthertums?

Die Zahl der Kirchenaustritte ist permanent hoch – in beiden großen deutschen Konfessionen. Glaubt man dem Theologen Benjamin Hasselhorn, geht auch dem Luthertum zunehmend die Puste aus. In den Kirchengemeinden gebe es immer weniger lebendiges Luthertum. Der 31-jährige Hasselhorn, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt und Kurator der Nationalen Sonderausstellung 2017 in Wittenberg, schreibt sich in diesem Buch den Frust von der Seele.

Buchcover Das Ende des Luthertums? von Benjamin Hasselhorn
Bild: Evangelische Verlagsanstalt Leipzig

Er beklagt, dass die Grundlagen des evangelischen Glaubens verschüttet und die eigene Tradition kaum noch ernst genommen werde. Zudem gebe es immer weniger junge Menschen, die sich in der evangelischen Kirche engagieren. Der Grund der Krise liege darin begründet, dass die Aufklärung die Vernunft gegen die Bibel ausgespielt habe. Dadurch habe das lutherische Bild des sündhaften Menschen seinen Platz verloren. Der aufgeklärte Mensch empfinde sich nicht als unzulänglich oder als Sünder. Darum sei 500 Jahre nach der Reformation eine Rückbesinnung auf den Kern des Luthertums dringend nötig, plädiert Hasselhorn.

Dass der Autor sein Buch dennoch als Liebeserklärung an das Evangelisch-Sein verstanden wissen will, wird überdeutlich. Nur für etwas, das man liebt, streitet man so vehement, wie er es mit diesem Buch macht. Zugleich ist es eine Streitschrift, die herausfordert. Fragt sich nur ob sich vor lauter Reformationsjubiläums-Hochstimmung überhaupt streitende Diskutanten finden lassen.

Benjamin Hasselhorn, Das Ende des Luthertums? Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 216 Seiten, ISBN 978-3-374-04883-0

TV-Thementag: 500 Jahre Reformation. Alles rund um Martin Luther und die Reformation am 31.10.2017 einen ganzen Tag lang bei DW Deutsch und in unserem Online-Special auf dw.com/kultur. Beginn 6 Uhr UTC (7 Uhr MEZ). Livestream: http://www.dw.com/de/media-center/live-tv/s-100817