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4000 Kilometer durch Deutschland

Tim Wiese10. Dezember 2013

Die Wissenschaft hat Margarita Balmaceda aus den USA nach Deutschland geführt. Doch sie kehrt nicht nur mit neuen Erkenntnissen in ihre Heimat zurück, sondern hat auch ihre Leidenschaft fürs Rad entdeckt.

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Professorin Margarita Balmaceda schiebt ihr Rad über einen Bürgersteig in Berlin (Foto: DW/Tim Wiese)
Bild: Tim Wiese

Berlin-Kreuzberg. Die Finger von Margarita Balmaceda fliegen über die Tastatur ihres Laptops. Die Politikwissenschaftlerin sitzt in der hinteren Ecke ihres Lieblingscafés in der Bergmannstraße. Hier beginnt jeden Morgen um 8 Uhr ihr Arbeitstag, oft bleibt sie bis um eins. "Ich mag es, dass ich mich hier zurückziehen, aber auch immer am Geschehen teilhaben kann", sagt sie. Und es passiert einiges in dieser Straße mit den vielen Szeneläden. Junge Familien, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Lebenskünstler schlendern am Café vorbei. "Diese Vielfalt interessiert mich, und sie gefällt mir", ergänzt die Professorin, als sich wie zur Bestätigung vor der Tür zwei Männer einen Kuss geben.

Die gebürtige Argentinierin lehrt Außenpolitik und internationale Beziehungen an der US-amerikanischen Seton Hall University in New Jersey. Außerdem ist sie am Harvard-Institut für ukrainische Forschung tätig. Verschiedene Stipendien haben die Professorin immer wieder nach Deutschland geführt. Neben der Humboldt-Stiftung und dem Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung hat ihr auch die Kruppstiftung einen Forschungsaufenthalt ermöglicht. Diese Einrichtung setzt sich für die Verständigung mit Russland ein. Die Beziehungen der ehemaligen Staaten der UdSSR stehen im Fokus der wissenschaftlichen Arbeit von Margarita Balmaceda. Besonders interessiert sie sich für energiepolitische Aspekte.

Kontakte überdauern Jahre

"Deutschland ist Vorreiter bei der Energiewende - gerade wenn es um Atomausstiegspolitik oder nachhaltige Energien geht", erklärt Balmaceda. Das sei ein guter Impuls für ihre Studien - ebenso wie die Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands zu ehemaligen Sowjetstaaten wie Weißrussland oder der Ukraine. Es gibt viele Anknüpfpunkte für ihre Arbeit. Zudem profitiert die Professorin vom beständigen Austausch mit deutschen Wissenschaftlern; insbesondere weil Kontakte langfristig geschlossen würden und die Jahre überdauerten. "Aus den USA kenne ich das nicht", sagt sie.

Buchcover Margarita Balmaceda: The Politics of Energy Dependency
Margarita Balmacedas neustes Werk zur EnergiepolitikBild: University of Toronto Press

Derzeit absolviert Margarita Balmaceda ein Humboldt-Stipendium bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Hier gibt es außerordentliche Experten, die über die energieabhängigen Länder der ehemaligen Sowjetunion arbeiten. Außerdem trifft man auf absolute Fachleute für globale Energiefragen. Diese Wissenskonstellation und Kompetenz ist weltweit fast einmalig", so die Professorin. Ihre Einschätzung hat Gewicht. Schließlich hat sie schon in den verschiedensten Ländern gearbeitet.

Radwanderlust

Während die Politologin von ihrer Arbeit in Deutschland berichtet, fällt ihr Blick auf ein Fahrrad vor dem Café. Sie lächelt. Ihre Aufenthalte hier haben nämlich eine sportliche Leidenschaft entfacht: Radwandern. Zum Willkommenspaket der Humboldt-Stiftung vor einigen Jahren gehörte ein Radwanderführer. Mit dem konnte sie erst einmal nichts anfangen. Schließlich lebt sie in einem Land, in dem Straßen überall hinführen - selbst auf hohe Berge oder in tiefe Wälder. Fahrradwege? Noch nie gehört. Die Professorin musste sich erst einmal informieren, kaufte sich dann aber kurzerhand das ungewohnte Fortbewegungsmittel und fuhr los.

Mittlerweile hat Margarita Balamaceda strampelnd schon über 4000 Kilometer durch Deutschland zurückgelegt. Sie gerät ins Schwärmen, wenn sie von den unterschiedlichen Landschaften und gut ausgebaute Radrouten spricht. Dass sie auch Atomkraftwerke als Sehenswürdigkeiten bezeichnet, ist wahrscheinlich ihrem Forschungsdrang zu Energiethemen geschuldet. Vor allem Ostdeutschland hat bei der Osteuropa-Expertin einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, denn hier stieß sie auf viele Spuren der Zeitgeschichte: "Man sieht zerfallene sowjetische Kasernen oder Baustile, wie ich sie auch aus Russland kenne", berichtet sie. "Das ist natürlich sehr spannend für mich."

Sport-Export nach Harvard

Es verwundert nicht, dass Margarita Balmaceda ihre Begeisterung für das Fahrradfahren auch in die USA exportiert hat. Wöchentlich organisiert sie dort Touren für Harvard-Alumni. Den nächsten Ausflug in Deutschland hat die Professorin auch schon geplant. Sie will in die Hansestadt Bremen fahren. Eigentlich gäbe es auch noch lustige Geschichten über ihr Klapprad, das sich wohl nicht immer problemlos klappen lässt. "Leider drängt die Zeit. Ich muss eine Dienstreise nach Oslo vorbereiten", entschuldigt sich die Professorin. Die Anekdoten müssen also warten. Denn schon sitzt Margarita Balmaceda auf ihrem manchmal störrischen Drahtesel und saust um die Ecke.

Balmaceda und das Radio