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Der Westfälische Friede

Matthias von Hellfeld

Am 24. Oktober 1648 wird in Osnabrück der zweite Teil des Westfälischen Friedens unterschrieben. Seit 1618 kämpften Soldaten fast aller europäischen Mächte gegeneinander - mit Millionen Todesopfern.

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Der Friedensschwur
Der FriedensschwurBild: picture-alliance / akg-images

Auslöser des Krieges war der Streit um die Religionsfreiheit. Doch schon bald stellte sich heraus, dass die beiden europäischen Großmächte Frankreich und Schweden durchaus handfeste politische Gründe hatten, in den Krieg einzugreifen: Sie wollten ihren Einfluss auf die Mitte des europäischen Kontinents ausdehnen und die Macht des deutschen Kaisers eindämmen. Der Kaiser musste nicht nur mit dem Kriegseintritt der europäischen Großmächte rechnen, sondern auch die nach mehr Autonomie strebenden deutschen Regionalfürsten berücksichtigen.

Römisch-katholisches Europa wir zum christlichen Kontinent

Das Wort Gottes - die Bibel
Das Wort Gottes - die BibelBild: AP

Der 30-jährige Krieg fand hauptsächlich im Norden und Osten Deutschlands statt, wo er fürchterliche Verwüstungen hinterließ. Am Ende brachte er für Katholiken, Protestanten und Calvinisten die Religionsfreiheit. Wie schon im Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde jedem Menschen die Freiheit der Religionswahl zugesichert. Zudem durften von nun an die Untertanen das Land verlassen, wenn ihnen der vom Landesherrn vorgeschriebene Glaube nicht passte. Diese Freiheit gehört zu den erkämpften Grundrechten in Europa und schwächte die Macht der der katholischen Kirche. Zwar blieb die katholische Kirche eine mächtige Institution, aber Protestanten und Calvinisten gewannen mehr an Einfluss. Aus dem römisch-katholischen Europa wurde in den kommenden Jahrhunderten ein christlicher Kontinent.

Gemeinsame Verantwortung für Europa

St. Paulus Dom in Münster
St. Paulus Dom in Münster

In Münster, wo im Mai 1648 die ersten Unterschriften unter den Westfälischen Frieden gesetzt worden waren, und in Osnabrück wurde europäische Geschichte geschrieben: Zum ersten Mal setzten sich die Staaten Europas mit dem Kontinent als Ganzem auseinander; sie wollten gemeinsam Verantwortung für den Kontinent übernehmen. Es war so etwas wie eine "Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa", die in Münster und Osnabrück abgehalten wurde. Die neu geschaffene Ordnung wurde von den Großmächten garantiert und brachte der Schweiz und der Niederlande die Eigenständigkeit, Schweden herrschte über die Bistümer Bremen und Verden, der Kurfürst von Brandenburg erhielt Ländereien, aus denen bald Preußen hervorgehen sollte. Auch Frankreich erreichte seine Kriegsziele und bekam Territorien, die das Land aus der Umklammerung durch die Macht der Habsburger befreite.

Grundstein für die heutige Bundesrepublik

Viele Bestimmungen des Westfälischen Friedens gingen zu Lasten des deutschen Kaisers, zumal gleichzeitig die Rechte der Landesfürsten in Deutschland gestärkt wurden: Sie durften nun über Krieg und Frieden, über Steuern und Gesetze, die das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" betrafen, mit entscheiden. Sie konnten Bündnisse mit ausländischen Mächten schließen, wenn sie damit nicht gegen die Interessen von Kaiser und Reich verstießen. Dadurch waren die deutschen Regionalstaaten zu eigenständigen Subjekten des Völkerrechts geworden. Je nach ihren Möglichkeiten konnten sie in die europäische Machtpolitik eingreifen. Der Machtzuwachs des Landesfürsten ist einer der Grundsteine der föderalen Ordnung der Bundesrepublik, in der die Ministerpräsidenten eifersüchtig über die Rechte wachen, die den Bundesländern zustehen.

Garantiemächte Schweden und Frankreich

Schweden und Frankreich übernahmen die Garantie des Westfälischen Friedens. Ohne ihre Zustimmung konnte keine der Bestimmungen verändert werden. Für die Deutschen, die in mehr als 300 eigenständigen Klein- und Kleinststaaten lebten, hatte das eine Konsequenz: Falls sie sich zu einem Staat zusammen schließen wollten, ging das nur mit Zustimmung Frankreichs und Schweden. Der Erhalt des Status Quo in der Mitte Europas entsprach dem Sicherheitsbedürfnis der europäischen Staaten, die einen zu mächtigen deutschen Kaiser im Herzen des Kontinents verhindern wollten. Die Deutschen bestimmten fortan also nicht mehr allein über ihr Schicksal – sie waren von den Interessen ihrer Nachbarn abhängig. Ein Umstand, der auch 1990 beim Prozess der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten eine Rolle spielte: Nicht umsonst war die deutsche Einheit ein Teil der europäischen Integration.