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16 Stunden Todesangst

16. Dezember 2014

Nach der blutigen Geiselnahme steht Australien unter Schock. Der Tatort gleicht einem Blumenmeer. Immer mehr Details des stundenlangen Dramas kommen ans Licht.

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Trauer nach der Geiselnahme in Sydney (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Christo

Einen Tag nach der blutigen Geiselnahme trauert Sydney um die Opfer. Am sonst so belebten Martin Place, wo für gewöhnlich täglich tausende Menschen in alle Richtungen in ihre Büros strömen, herrschte Ausnahmezustand. Der Platz gleicht einem Blumenmeer, viele Menschen zündeten Kerzen an und trugen sich in die Kondolenzbücher ein, die am Platz vor dem Café auslagen. An Regierungsgebäuden und Sehenswürdigkeiten wehten die australischen Flaggen auf Halbmast. Auch Vertreter der muslimischen Gemeinde kamen zu dem Platz. Bei den Todesopfern handelt es sich neben dem Geiselnehmer selbst um eine dreifache Mutter und erfolgreiche Rechtsanwältin im Alter von 38 Jahren sowie um den 34-jährigen Manager des Lindt-Cafés.

Flinte am Kopf

Über das 16-stündige Drama kommen immer mehr Details ans Licht. Der selbst ernannte radikale Prediger Man Haron Monis hielt die Geiseln ständig in Todesangst. Er zwang sie immer wieder, in Anrufen und über das Internet Angstbotschaften zu verbreiten. Ein 19-jähriger musste bei der Zeitung "Daily Telegraph" anrufen. Er sagte Redakteuren mit Panik erfüllter Stimme: "Ich hatte eine Flinte am Kopf", wie die Zeitung schreibt. Der Geiselnehmer war offenbar wütend, dass einige Geiseln geflüchtet waren. Die Botschaft, die der 19-Jährige vermitteln musste: "Wenn noch einer rennt, stirbt einer".

Eine Mutter erhielt von ihrem Sohn eine knappe SMS, wie sie im Rundfunk berichtete. "Ich bin ok, Mama, kann jetzt nicht reden", schrieb er. "Australien wird vom 'Islamischen Staat' angegriffen", musste eine junge Frau auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichen. Andere Geiseln zwang der 50-jährige Monis, Videobotschaften aufzunehmen und auf die Internetplattform Youtube hochzuladen. Die Geiseln mussten den Mann "Bruder" nennen. "Unser Bruder ist gut zu uns", musste eine andere Frau in die Kamera sagen. "Erfüllt seine Forderungen, damit wir freikommen." "Wir haben drei Forderungen", sagte eine andere Frau unter Zwang. Dazu gehörten die Anlieferung einer IS-Fahne und ein Gespräch mit Premier Tony Abbott.

Psychisch labiler Einzeltäter

Im Gegenzug für das Gespräch kämen fünf Geiseln frei, sagte die Frau. "Es gibt drei Bomben in Sydney. Damit sie nicht gezündet werden, müssen unsere Forderungen so schnell wie möglich erfüllt werden." Die Polizei sagte später, es seien nirgends Bomben gefunden worden auch nicht im Rucksack des Geiselnehmers, der bei der Stürmung umkam.

Australiens Premierminister Abbott beschrieb den Geiselnehmer als einen den Behörden bekannten kriminellen Extremisten, der "psychisch labil" gewesen sei. Er habe eine "lange Vergangenheit" gewalttätiger krimineller Taten und sei zudem "vernarrt" in Extremismus gewesen, sagte Abbott. Als sich die Geiselnahme vom Montag allmählich entwickelt habe, habe er dann versucht, seine Taten mit der "Symbolik des Todeskults" des "Islamischen Staats" zu untermauern, sagte der Premier.

Bombenalarm im Außenministerium

Für Aufregung sorgte derweil ein Bombenalarm im Außenministerium, wo ein verdächtiges Paket gefunden worden war. Die Polizei räumte das Gebäude in Canberra, mehrere Straßen in der Umgebung wurden vorsorglich gesperrt. Das Paket erwies sich jedoch schnell als harmlos, wie die Polizei mitteilte.

cr/as (dpa, afp)