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Politik

Österreich eröffnet Haus der Geschichte

10. November 2018

Viele Jahre haben viele Österreicher die dunklen Punkte der Vergangenheit, vor allem in der Nazi-Zeit, lieber verdrängt. Erst spät setzte ein Umschwung ein. Nun nimmt in Wien ein Haus der Geschichte den Betrieb auf.

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Österreich | Haus der Geschichte in Wien
Bild: picture-alliance/dpa/apa/H. Fohringer

Mit einem Festakt wird an diesem Samstag in der Wiener Hofburg das "Haus der Geschichte Österreich" eröffnet. Die Festrede hat der Nobelpreisträger und Hirnforscher Eric Kandel verfasst. Der gebürtige Wiener floh 1939 mit seiner Familie vor den Nazis in die USA. Aus Krankheitsgründen kann er nicht nach Wien kommen, sein Text wird verlesen.

Erstmals befasst sich Österreich somit in einem Bundesmuseum intensiv und kritisch mit seiner jüngeren Vergangenheit. Das "Haus der Geschichte Österreich" sei ein Meilenstein in der Museumslandschaft der Alpenrepublik und ein klares Bekenntnis des Landes zur Auseinandersetzung mit allen Facetten der vergangenen 100 Jahre, sagte die Museumsdirektorin Monika Sommer in Wien. Unter dem Titel "Aufbruch ins Ungewisse - Österreich seit 1918" wird auch die jahrzehntelang verdrängte Rolle des Landes zur Zeit des NS-Regimes Nazis beleuchtet. Die Alpenrepublik, die seit 1938 zu Nazi-Deutschland gehörte, hat sich lange Zeit als erstes Opfer des Diktators Adolf Hitler gesehen, den eigenen Beitrag zu den Verbrechen in der NS-Zeit aber meist geleugnet.

20 Jahre lange debattiert

Der Etablierung des Museums waren jahrzehntelange Diskussionen vorangegangen. Erst 2017 nahm die Verwirklichung angesichts des bevorstehenden 100. Jahrestags der Gründung der Republik Fahrt auf. Auf rund 800 Quadratmetern illustrieren zahlreiche Objekte nun die Not der Nachkriegsjahre, aber auch den wirtschaftlichen Aufstieg sowie Erfolge im Sport.

Zu sehen ist unter anderem das "Waldheimpferd" - eine vier mal vier Meter große Holzkonstruktion eines Vereins, die 1986 in plakativer Weise an die NS-Vergangenheit des damaligen Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim erinnerte. Waldheim war Mitglied einer NS-Reiterstaffel, hatte sich aber immer bemüht, seine Rolle unter den Nazis herunterzuspielen. Der internationale Wirbel um das Staatsoberhaupt stieß eine überfällige innenpolitische Debatte zum Umgang mit der jüngeren Vergangenheit an.

Aufbruch ins Ungewisse

Zusätzlich werden das Elend der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, die Zeit des sogenannten Austro-Faschismus in den 1930er Jahren, der Anschluss an Nazi-Deutschland 1938 und die Beteiligung der Österreicher am Völkermord an den Juden thematisiert. Die Ausstellung solle dazu beitragen, die oft "erschütternde" Unkenntnis der Jugend zu bekämpfen, betonte der Historiker Oliver Rathkolb.

Historiker Oliver Rathkolb
Der Historiker Oliver Rathkolb beklagt Wissenslücken der JugendBild: picture alliance/APA/ ROLAND SCHLAGER

Das Museum versteht sich zu einem Teil auch als Geschichtswerkstatt. Wer interessante Fotos, Filme, Dokumente habe – etwa zu den "Energieferien" als Antwort auf die Ölkrise von 1973  - sei eingeladen, sie über eine Webplattform hochzuladen, hieß es. Das vorher gesichtete Material werde dann auf Bildschirmen in die Schau integriert.

Auch österreichische Höhenflüge finden sich verstreut in den vielen Ausstellungsstücken. Der Hinweis auf den legendären Sieg über Deutschland bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 - in Form von Sammelbildern mit den Köpfen des Erfolgsteams - fehlt nicht. Auch der rot-weiß-rote Wimpel, den Österreichs einziger Astronaut Franz Viehböck 1991 an Bord der russischen Raumstation Mir abstempeln ließ, ist zu sehen. Und schließlich ist da noch das goldglänzende Sieger-Kleid von Conchita, die 2014 Österreich beim Eurovision Song Contest wie einen Phönix in den Himmel der Popmusik katapultierte.

kle/cw (dpa)