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Öl ist nicht gleich Öl

31. August 2011

Ölkatastrophen im Meer sind nicht immer verheerend für die Umwelt. Meistens schafft es die Natur, mit der schwarzen Brühe fertig zu werden. Immer vorne mit dabei: Bakterien, die Erdöl mit Genuss verputzen.

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Ein ölverschmierter Pelikan an der Küste von Louisiana nach dem Untergang der Deepwater Horizon (Foto: AP)
Bild: AP

Mit einer schwarzen öligen Masse überzogene Strände, sterbende Seevögel mit verklebtem Gefieder, verödete Unterwasserwelten – solche Bilder prägen sich ein, wenn ein Ölteppich die Küste erreicht. Aber nicht jede Ölpest richtet gleich große Schäden an. Als zum Beispiel 1977 im Bereich der mittleren Nordsee eine Panne an einer Ölbohrplattform auftrat, kam es zum sogenannten Ekofisk Blowout.

"Damals gelangten etwa 20.000 Tonnen Öl ins Meer, aber die Auswirkungen waren extrem gering", erinnert sich Gerhard Dahlmann, Spezialist für Ölverschmutzungen beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg. Denn das Öl erreichte nicht die Küste. Es wurde mit der Restströmung in den Atlantik verfrachtet und verteilte sich dort.

Ganz anders 2003, als ein Holzfrachter vor Amrum strandete. Die dabei ausgetretene Ölmenge war relativ gering, doch die Wirkung umso verheerender. "Es liefen nur etwa 90 Tonnen Öl aus, das aber in einem sehr sensiblen Gebiet, indem sich sehr viele Vögel befanden", so der Experte. Etwa 20.000 seien verendet. Ein Grund dafür, dass eine relativ kleine Ölverschmutzung schwere Folgen haben kann, eine große dagegen nur geringe, ist die Nähe zur Küste und zu Naturschutzgebieten.

Bakterien lieben es leicht und dünnflüssig

Ölverschmierte Hände (Foto: AP)
Rohöl wird durch Luft und UV-Licht zu zähem TeerBild: AP

Aber auch die Art des Öls spielt eine große Rolle. Denn Öle sind sehr unterschiedlich. "Gasöl, beziehungsweise Dieselöl breitet sich auf der Meeresoberfläche rasch aus und verdampft zum größten Teil", erklärt Gerhard Dahlmann. Beim Schweröl hingegen gäbe es kaum verdampfbare Anteile. An der Wasseroberfläche bildet es eine zähe klebrige Teerschicht, die von ölfressenden Bakterien nur noch schwer und langsam abgebaut werden kann. Aus diesem Grund drohen Schiffseignern drakonische Strafen, wenn sie ihre Schwerölrückstände nicht im Hafen entsorgen, sondern heimlich und illegal auf hoher See.

Neben Tankerunfällen kommt es immer wieder zu schweren Störfällen und Lecks an Ölplattformen. Exorbitante Mengen Öl laufen ins Meer. Doch die Natur kommt damit meistens gut zurecht. Denn das auslaufende Öl bildet mit dem umgebenden Meerwasser eine Emulsion, erklärt der Geochemiker Lorenz Schwark von der Universität Bremen.

In einer solchen Emulsion haben erdölfressende Bakterien ein recht leichtes Spiel. Denn diese Bakterien lieben es, wenn das Öl in ganz kleine Tropfen zerfällt. "Die Bakterien werden niemals im Öl selber leben, sondern immer nur an der Grenzfläche zwischen Wasser und Öl", erklärt Schwark, "je mehr Grenzfläche da ist, desto aktiver können die Bakterien arbeiten." Und desto besser könnten sie sich auch vermehren. "Dann hat man in kürzester Zeit eine sehr große Menge an Bakterien zur Verfügung. Diese Population bricht aber auch schlagartig wieder zusammen, wenn kein Futter mehr da ist," so der Bremer Forscher.

Frisches Rohöl mischt sich nach dem Untergang der Deepwater Horizon mit Dispergenzien, die zur Lösung des Öls ausgebracht wurden (Foto: dpa)
Dispergenzien spalten Öl in kleinere Tropfen. Dann haben es die Bakterien leichterBild: AP

Spezialisierte mikrobielle Gemeinschaften

Diese speziellen Mikroorganismen haben sich an die unterschiedlichsten klimatischen Bedingungen angepasst. So gibt es vor der kalten Küste Alaskas andere Bakterien-Gemeinschaften als in subtropischen Regionen. Aber in einem sind sie alle gleich: Sie oxidieren die Bestandteile des Öls. Dadurch verändern sie das Öl chemisch so, dass es entweder komplett zu CO2 und Wasser remineralisiert oder zu sehr kleinen, ungiftigen Molekülen wird.

Dennoch können auch gefährliche Nebenprodukte entstehen.Vor allem, wenn die Bakterien Schwefel oder Stickstoff mitverdauen. Dann entstehen Substanzen, die gut wasserlöslich sind, warnt Schwark. "Diese können auch von größeren Meeresorganismen aufgenommen werden und immensen Schaden anrichten."

Die weltweit größte Ölkatastrophe in der jüngsten Geschichte war die Verschmutzung vor der irakischen Küste während des Golfkriegs 1991. Schätzungen gehen davon aus, dass damals etwa eine Million Tonnen Rohöl ins Meer gelangten. Es wurden weder Dispergenzien zum Lösen des Öls eingesetzt, noch wurde versucht, das Öl mit Tankbooten wieder aufzufangen. Doch Bakterien bauten so gut wie alles ab. "Alle waren sich sicher, dass der Persische Golf für die nächsten 200 Jahre ökologisch tot sein würde, aber de facto war es so, dass man schon nach drei Jahren fast nichts mehr finden konnte", erinnert sich der Forscher. Eine Teerschicht gäbe es zwar immer noch, doch diese sei mittlerweile tief im Sediment versunken. In Jahrtausenden werden Archäologen damit noch nachweisen können, dass es einst eine Ölpest gegeben hat.

Autor: Fabian Schmidt
Redaktion: Judith Hartl