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Öffentliche Schlichtung des Bahnprojekts

22. Oktober 2010

Ein Novum: Vor den Augen aller diskutieren Kritiker und Befürworter das Projekt zum Umbau des Hauptbahnhofs in Stuttgart. Die Schlichtung unter Mediator Heiner Geißler wird im Fernsehen und im Internet live übertragen.

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Teilnehmer der Schlichtungsrunde im Rathaus in Stuttgart (Foto: dpa)
"Runder Tisch" zu "Stuttgart 21"Bild: picture alliance/dpa

Es geht um Argumente für und gegen den mehr als vier Milliarden Euro teuren Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Im Rathaus der Landeshauptstadt Baden-Württembergs sitzen zwei Delegationen mit jeweils sieben Mitgliedern an einem Tisch, um ihre Positionen auszutauschen. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler rief zum Auftakt zu einer sachlichen Auseinandersetzung auf. "Wir wollen keine Predigten und keine Glaubensbekenntnisse."

Thema der ersten Runde

Der erfahrere Mediator Geißler l. begrüßt Ministerpräsident Mappus (Foto: dpa)
Der erfahrere Mediator Geißler (l.) begrüßt Regierungschef MappusBild: picture alliance/dpa

An diesem Freitag (22.10.2010) geht es um die Bedeutung und die Leistungsfähigkeit des von der Deutschen Bahn geplanten neuen Bahnhofs, mit dem Stuttgart über mehrere Tunnel an die Schnellbahnstrecke Paris-Bratislava angeschlossen werden soll. Das Projekt beinhaltet auch eine neue Anbindung an die Strecke nach Ulm. Bis Ende November soll es sieben Gesprächsrunden geben.

Bahnchef setzt auf Meinungsumschwung

Die Delegation der Befürworter des Projekts "Stuttgart 21" wird von Baden-Württembergs CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus angeführt. Bahnchef Rüdiger Grube erhofft sich von der Schlichtung einen Meinungsumschwung zugunsten des Milliarden-Projekts. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass ein Abwägen der Argumente in der Öffentlichkeit - insbesondere was Stuttgart betrifft - eine entsprechende Änderung in der öffentlichen Meinungsbildung bringt", sagte Grube.

Gegner glauben nicht an Einigung

Tübingens Oberbürgermeister Palmer spricht im August in Stuttgart vor Gegnern des Projekts (Foto: dpa)
Tübingens Oberbürgermeister PalmerBild: picture-alliance/dpa

Bei den Gegnern sitzt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) mit am Tisch. Er hält ebenso wie seine Mitstreiter das Projekt für viel zu teuer und will einen sofortigen Stopp der Bauarbeiten erreichen. Die Gegner plädieren für eine geänderte Streckenführung ohne Tunnel. Der denkmalgeschützte Kopfbahnhof in Stuttgart soll nach ihrem Willen in Gänze bestehen bleiben. Kurz vor Beginn des Treffens legte Palmer nochmals nach: Er könne sich ein gemeinsames Ergebnis am Ende der Gespräche nicht vorstellen. "Es wäre schon viel erreicht, wenn es gelänge, Einigkeit über die Faktenlage zu erzielen und dann das Volk entscheiden zu lassen". Der Volksentscheid müsse am Ende des Verfahrens stehen.

Demonstranten an der Baustelle, Archiv(Foto: dpa)
Die Gegner des Bahnprojekts lassen nicht nachBild: picture-alliance/dpa

Schon seit Jahren Proteste

Gegen den seit Mitte der 1990er Jahre geplanten Bahnhofsumbau hat es in den vergangenen Monaten in Stuttgart erbitterte Proteste gegeben. Ende September gingen die Sicherheitskräfte im Stuttgarter Schlossgarten gewaltsam gegen Zehntausende von demonstrierenden Anwohnern vor. Nach unterschiedlichen Angaben wurden zwischen 130 und 400 Menschen verletzt.

Kosten offen beziffern

Kanzlerin Angela Merkel warb im Vorfeld der Schlichtungsgespräche noch einmal für "Stuttgart 21" als "kluge Zukunftspolitik". Zugleich kritisierte sie, dass oftmals bei größeren Projekten die Kosten zu Beginn kleingerechnet würden. "Es wäre auch nicht schlecht, wenn bei Großprojekten die Kostenschätzungen mal einigermaßen stimmen würden", sagte die CDU-Vorsitzende im baden-württembergischen Heilbronn.

Prototyp für künftige Krisen

Unmittelbar vor Beginn der Schlichtung hob Vermittler Geißler die Bedeutung des Treffens hervor. "Das, was wir heute machen ist vielleicht ein Prototyp für später. Dass eben die Regierenden bereit sind, sich mit Bürgerinitiativen an einen Tisch zu sezten und auf Augenhöhe zu diskutieren und nicht von oben nach unten", sagte der CDU-Politiker im Zweiten Deutschen Fernsehen. So könnten die Argumente gleichberechtigt ausgetauscht werden. "Das würde ich auch für andere Projekte empfehlen", ergänzte er.

Autorin: Susanne Eickenfonder (mit dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Marion Linnenbrink