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PolitikAfrika

Äthiopische Regierung erklärt Kirchenstreit für beendet

Antonio Cascais
16. Februar 2023

Ein Streit innerhalb der äthiopisch-orthodoxen Kirche ist nach Verhandlungen beigelegt worden. Thema der Auseinandersetzung war der Einsatz der Oromo-Sprache im kirchlichen Kontext.

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Äthiopien | Orthodoxe Tewahedo-Christen (Foto: Seyoum Geto/DW)
Schwarze Kleidung als Zeichen des Protests: Äthiopisch-orthodoxe Christen im Februar 2023Bild: Seyoum Getu/DW

Der an diesem Mittwoch in Addis Abeba ausgehandelte Kompromiss zwischen den Konfliktparteien sieht vor, dass alle abtrünnigen Geistlichen innerhalb der äthiopisch-orthodoxen Kirche nun einen Entschuldigungsbrief an die Synode einreichen. Danach sollen sie wieder in der offiziellen Kirche willkommen geheißen werden, die sie im Januar ausgeschlossen hatte.

"Heute sind die Gebete, Sorgen und Schreie der Kirche erhört worden und die Kirche ist zu ihrer früheren Herrlichkeit und Einheit zurückgekehrt", sagte Abune Abraham, Leiter des Patriarchats der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche in einer Erklärung. "Diese Einheit und Größe wird bis zum Ende der Welt bewahrt. Das Problem, das kürzlich in unserer Kirche aufgetreten ist, ist im Sinne der kanonischen Kirche gelöst worden."

Vereinbarung unter Vermittlung des Premierministers

Hochrangige Regierungsvertreter, darunter Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed, sollen neben Vermittlern und Vertretern der zerstrittenen religiösen Gruppen an den Schlichtungsgesprächen teilgenommen haben. Es ist das vorläufige Ende eines jahrelangen und bisweilen gewaltsam ausgetragenen Konflikts: Gemäß der Vereinbarung werden drei Erzbischöfe, die sich zuvor abgespalten und eine neue Kirche ausgerufen hatten, ihre Titel behalten und sich wieder mit der Synode vereinen. Die 25 Geistlichen, die sie zuvor ohne die Zustimmung der Synode ernannt hatten, sollen ihre Titel verlieren und nur die Posten behalten, die sie vorher innehatten.

Premierminister Abiy Ahmed (vorne) spricht bei einer Veranstaltung zu Ehren der äthiopischen Polizeikräfte (Foto: Michael Tewelde/XinHua/dpa/picture alliance)
Premierminister Abyi Ahmed hat sich in den interreligiösen Konflikt eingeschaltetBild: Michael Tewelde/XinHua/dpa/picture alliance

Zudem wurde vereinbart, theologische Ausbildungsstätten und Universitäten inÄthiopien dabei zu unterstützen, dass sie verstärkt die Oromo-Sprache verwenden, damit sie zunehmend Angehörige der Ethnie der Oromo erreichen können. Dies war ein Hauptanliegen der abtrünnigen Priester gewesen. So hatten sie der Synode unter anderem mangelnden Respekt vor der Kultur und Sprache der Oromo vorgeworfen.

Die offizielle Kirchenleitung hatte zuvor Regierung und Behörden wiederholt beschuldigt, abtrünnige Gruppen innerhalb der äthiopisch-orthodoxen Kirche, die hauptsächlich aus der Region Oromia stammen, zu unterstützen. Vor allem Abiy Ahmed, der ebenfalls der Ethnie der Oromo angehört, stand in der Kritik, die abtrünnigen Gruppen zu unterstützen. "Diese Kirche ist stark", sagte Abiy nun laut Medienberichten. "Wir haben uns darauf geeinigt, die verlorenen Schafe zurückzubringen."

Eskalation der Gewalt

In den vergangenen Wochen war der schon seit Jahren anhaltende Konflikt erneut eskaliert und es gab Gewaltausbrüche in verschiedenen Gegenden des Landes. In der Stadt Sashamene, in der Provinz Oromia, wurden mehrere Menschen getötet, bestätigte Rakeb Melese, stellvertretende Leiterin der äthiopischen Menschenrechtskommission (EHRC), und warf den Sicherheitskräften vor, Gewalt gegen Anhänger der Hauptkirche anzuwenden.

"Wir haben die Situation in Shashemene untersucht und können bestätigen, dass mindestens acht Menschen erschossen und zu Tode geprügelt wurden. Aber wir haben Informationen erhalten, dass es noch mehr Opfer gegeben haben könnte. Diesen Hinweisen gehen wir nach", sagte Rakeb Melese der DW.

Äthiopien Oromia | Nominierung des neuen Erzbischofs Aba Sawiros (Foto: Seyoum Getu/DW)
Die abtrünnige Fraktion hatte im Januar eigenmächtig neue Bischöfe ernanntBild: Seyoum Getu/DW

Auch in anderen Gegenden seien Menschen nach der Abspaltung verletzt, schikaniert und aus Kirchen geworfen worden. Danach sei ein Aufruf erfolgt, zum Zeichen des Protests in der Kirche schwarze Kleidung zu tragen, woraufhin es in verschiedenen Städten zu Übergriffen durch Regierungsinstitutionen und Sicherheitskräfte gekommen sei, so die Vertreterin der staatlichen Menschenrechtskommission EHRC.

Oromia: Das Epizentrum des Konflikts

Oromia ist die Heimat der größten Volksgruppe in Äthiopien. Die Region wird seit Jahren von Unruhen erschüttert. Beobachtern zufolge liegen die Gründe - ähnlich wie im Kirchenstreit - im Unmut über eine politische Marginalisierung und Vernachlässigung durch die Zentralregierung.

In den vergangenen Tagen wurden, nach Angaben der staatlichen Menschenrechts-Kommission EHRC, mindestens50 Menschen in der Region getötet. Bereits am 2. Februar hätten die Rebellen vor allem Binnenflüchtlinge in der Stadt Ano rund 380 Kilometer westlich der Hauptstadt Addis Abeba getötet, teilte die EHRC am Mittwoch mit. Sie machte die Oromo-Befreiungsarmee (OLA) für die Tötungen verantwortlich, gab aber keine Gründe für den Angriff. Weder von der OLA noch von der äthiopischen Regierung war zunächst eine Stellungnahme zu den Angaben zu bekommen.

Etwa 60 Prozent der äthiopischen Bevölkerung gehören einer christlichen Konfession an. Die meisten davon sind äthiopisch-orthodox. Die äthiopisch-orthodoxe Kirche ist eine der ältesten christlichen Kirchen der Welt; sie führt ihren Ursprung bis ins erste Jahrhundert nach Christus zurück. Sie spielt eine wichtige Rolle im religiösen Leben der äthiopischen Bevölkerung und hat eine lange Geschichte der Einflussnahme auf die äthiopische Kultur und Gesellschaft.

Mitarbeit: Solomon Muchie Abebe, Tamirat Geleta