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Ärzte wollen weniger Radioaktivität

Gero Rueter25. August 2014

Partikel von Atombombentests kontaminieren die Böden weltweit. Atomare Unfälle und Röntgenstrahlen belasten zusätzlich die Gesundheit. Ärzte fordern auf einem Weltkongress Schutz und Aufklärung.

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Fukushima 3 Jahre Folgen Kind
Bild: Reuters

Die Folgen von Atomtests sind auf dem diesjährigen Weltkongress der Organisation Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) ein zentrales Thema. In Kasachstan informieren sich die Ärzte über die gesundheitlichen Folgen der Atomtests in Semipalatinsk.

Auf dem sowjetischen Testgelände, das 18.500 Quadratkilometer umfasst, wurden von 1949 bis 1989 insgesamt 472 Atombomben gezündet, davon 129 oberirdisch. Nach dem Zerfall der Sowjetunion ließ Kasachstans Präsident Nasarbajew die Anlage schließen und unterirdische Sprengschächte zerstören; Kasachstan wurde atomwaffenfrei.

Weltweites Ausmaß

Seit 1945 explodierten weltweit über 2000 Atombomben. Die Sowjetunion zündete insgesamt 718 Bomben, die USA 1039, Frankreich 198, China und Großbritannien jeweils 45. Bei den Tests wurden die radioaktiven Partikel hoch in die Atmosphäre geschleudert und weiträumig verteilt. "In Bodenproben und Nahrungsmittel findet man fasst überall in der Welt radioaktives Cäsium-137 in kleinen Mengen", erklärt Alex Rosen gegenüber der Deutschen Welle.

Nukleares Testgebiet Semipalatinsk
Verstrahltes Atomtestgelände Semipalatinsk in KasachstanBild: picture-alliance/AP

Der Kinderarzt ist stellvertretender Vorsitzender der deutschen Sektion von IPPNW und Teilnehmer auf dem Ärztekongress. Zwar seien diese Mengen unterhalb der gesetzlich vorgegebenen Richtlinien, "dennoch muss man sagen, dass jede Menge an Radioaktivität zu einem höheren Risiko führt und dass Hundertausende von Menschen statistisch gesehen durch die Mengen an Radioaktivität frühzeitig an Krebs verstorben sein dürften."

Deutschland Uran Abbau in Wismut
Uran wurde in Ostdeutschland zwischen 1946 und 1990abgebaut. Jeder achte Bergmann starb an den Folgen.Bild: Wismut GmbH

Uranabbau gefährdet die Gesundheit

Die Ärzteorganisation, die 1985 für ihr Engagement den Friedensnobelpreis bekam, sieht eine zunehmende radioaktive Kontamination in der Welt. Neben der Verseuchung durch Atomtests komme die zivile Atomnutzung.

Ein großes Gesundheitsrisiko sei zum Beispiel der Uranabbau. Weltweit würden Arbeiter und Anwohner in den Minen kontaminiert. In den ostdeutschen Uranminen, von 1946 bis 1990 die drittgrößten in der Welt, starb laut Bundesamt für Strahlenschutz jeder achte Arbeiter an den Folgen der radioaktiven Belastung. Insgesamt waren es über 7000 Bergleute. Sie starben vor allem an Lungenkrebs. Aus Kostengründen wird heute Uran vor allem in Regionen mit geringem Gesundheitsschutz abgebaut.

"Todesfälle im Millionenbereich"

Auch atomare Unfälle sind ein Gesundheitsrisiko. Nach Schätzungen von IPPNW starben durch die Kernschmelzen in Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) zehntausende Menschen an Krebs. Hinzu kämen noch zahlreiche Unfälle in den Atomkomplexen, wo hunderttausende Arbeiter und Familien stark belastet wurden. In den großen sowjetischen Atomkomplexen Tomsk 7 und Majak wurden bisher 38 große Unfälle mit zum Teil großflächiger Kontamination gezählt.

Genaue Zahlen über die weltweiten Gesundheitsschäden durch nukleare Nutzung gibt es bisher nicht. "Krebs trägt kein Herkunftssiegel und so muss man schätzen", sagt Rosen und verweist auf eine ältere Studie des IPPNW, die in diesem Jahr erneuert werden soll. Demnach gehen die Todesfälle der zivilen und militärischen Atomnutzung der letzten Jahrzehnte "deutlich in den Millionenbereich".

IPPNW - Dr. Alex Rosen
Kinderarzt Alex Rosen will Radioaktivität senkenBild: IPPNW

Wettlauf gegen die Zeit

Weltweit wächst das Verständnis für die gesundheitlichen Folgen von Radioaktivität. Neue Studien in den letzten zehn Jahren untermauern die Gesundheitsgefahren. Große Aufmerksamkeit erfuhr die Kinderkrebsstudie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz. Sie zeigte, dass auch ohne Unfälle Kinder in der Nähe von Atomkraftwerken häufiger an Krebs und Leukämie erkranken.

Rosen sieht in der Abschaltung aller japanischen Atomkraftwerke, den deutschen Atomausstieg und den Stopps von Atomprojekten ein Indiz für das langfristige Ausklingen der Atomkraft weltweit.

Entwarnung will Rosen jedoch nicht geben. "Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, dass nicht weitere Unfälle geschehen. Hacker könnten Atomanlagen manipulieren oder verrückte Generäle oder terroristische Gruppen Atomwaffen in ihre Gewalt bringen." Zudem bleibe das Problem des Atommülls, der über Millionen Jahre sicher gelagert werden muss. Die Ärzteorganisation fordert deshalb eine schnelle nukleare Abrüstung und einen schnellen weltweiten Atomausstieg.

Information und Aufklärung

Nach Ansicht der Ärzte ist auch Aufklärung über die oft unbekannten Gefahren vor Ort notwendig. Mit Broschüren sollten die Bürger informiert und sensibilisiert werden. "Die Radioaktivität kann man nicht auf null reduzieren", sagt Rosen. "Aber wir brauchen Informationen dafür. Es muss gesagt werden, macht bitte bei eurem Kind kein Röntgenbild, wenn es nicht absolut notwendig ist, esst nicht diese Beerenmarmelade aus der verstrahlten Region und zieht besser nicht in die Nähe eines Atomkraftwerks."