1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ärzte fordern Eizellenspenden-Legalisierung

5. Juni 2019

Deutsche Akademiker fordern ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz. Die jetzige Rechtslage sei "überholt von der Wissenschaft". Eizellenspenden sollten erlaubt werden, dafür sollten Ärzte weniger Embryonen einpflanzen.

https://p.dw.com/p/3Jo6e
In-vitro-Fertilisation (IVF)
Eine Eizelle wird in vitro befruchtetBild: picture-alliance/dpa/W. Grubitzsch

Eine mit Medizinern und Medizinethikern besetzte Arbeitsgruppe der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Akademieunion hat am Dienstag in Berlin eine neues Fortpflanzungsmedizingesetz gefordert.

Derzeit ließen sich jährlich tausende Paare mit Kinderwunsch im Ausland behandeln, weil die Verfahren, die dort angeboten werden, in Deutschland nach der jetzigen Rechtslage verboten sind. Das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1990 verbietet etwa das Spenden von Eizellen. Auch das Austragen von Kindern durch Leihmütter ist in Deutschland - wie auch in zwölf weiteren der insgesamt 27 EU-Mitgliedsstaaten - verboten. 

"Die deutsche Gesetzgebung engt unsere Möglichkeiten ein", sagte Ulrich Hilland, Vorstand des Bundesverbands Reproduktionsmedizinischer Zentren gegenüber der dpa. Sie stelle anderswo übliche Verfahren unter Strafe. Das Gesetz sei in Deutschland besonders "repressiv" und "in diesem Bereich längst überholt von der Wissenschaft." 

Mehr dazu: Frühchen: Wenn das Leben zu schnell beginnt

Dass die bisherige rechtliche Regelung "unzureichend" sei, betonte auch die an den Empfehlungen beteiligte Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin in Göttingen, Claudia Wiesemann. Das Embryonenschutzgesetz sei zu restriktiv auf den Schutz befruchteter Eizellen in vitro (außerhalb des Körpers der Frau) ausgerichtet.

Dafür bringe es Gefahren für Embryonen in vivo (für das Kind in der Schwangerschaft) und für die schwangere Frau, sagte die Professorin. Wiesemann ist auch stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats.

Hier die wichtigsten Empfehlungen der Arbeitsgruppe:

Kinderlosigkeit als Behinderung anerkennen und Kosten übernehmen

Derzeit behandeln Krankenkassen die künstliche Befruchtung in Deutschland eher als private Lifestyle-Angelegenheit und nicht als medizinisch geboten, kritisierte Wiesemann. Dabei sollte ungewollte Kinderlosigkeit als "Ausdruck […] körperlicher Behinderung" gelten. Folglich sollten die Krankenkassen oder die Versichertengemeinschaft die damit verbundenen Kosten tragen. Derzeit tragen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland nur 50 Prozent der Kosten und das auch nur bei verheirateten Paaren. Gehen Betroffene ins Ausland, um etwa eine in Deutschland verbotene Eizellenspende zu empfangen, zahlen die Kassen gar nichts.

Eizellenspenden erlauben

Derzeit sind in Deutschland nur Samenspenden erlaubt, Eizellenspenden aber nicht. Frauen, die eine künstliche Befruchtung anstreben, müssen also zuvor ihre eigenen Eizellen entnehmen lassen. Bei dem Verbot der Spende ging es dem Gesetzgeber unter anderem um den Schutz der potentiellen Spenderinnen. Diese müssen sich nämlich einer langwierigen Hormonbehandlung unterziehen. Und es gibt Risiken bei der Operation, die unter Narkose stattfindet.

Auch wollte der Gesetzgeber verhindern, dass eine Kommerzialisierung des Spendewesens stattfindet. Ethikerin Wiesemann hält dagegen, dass es seit Jahren Erfahrungen etwa aus England gebe, wo der Kommerzialisierung erfolgreich ein Riegel vorgeschoben worden sei. Auch seien die Gesundheitsrisiken für Spenderinnen heutzutage gering. Vielmehr sei es eine Frage der Gerechtigkeit, unfruchtbaren Frauen, die keine eigenen Eizellen produzieren können, eine Schwangerschaft zu ermöglichen. 

Mehr dazu: Erstmals zwei Kinder nach Gebärmuttertransplantationen in Deutschland geboren

Mädchen und Junge
Werden mehrere Embryonen in die Gebärmutter eingepflanzt, steigt die Chance einer ZwillingsbgeburtBild: Imago/Westend61

Weniger Zwillingsgeburten

Die Geburtenrate nach einer künstlichen Befruchtung ist nicht sehr hoch. Sie liegt nur bei 15 bis 20 Prozent. Deshalb übertragen Ärzte Frauen in Deutschland häufig zwei oder drei Embryonen, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft zu steigern. Das führt aber auch dazu, dass bei Erfolg mehr Zwillinge geboren werden – etwa in jedem fünften Fall. Zwillingsgeburten bergen wiederum höhere Risiken für die Babys und auch für die Mütter. 

Mehr dazu: Baby-Kino: wie gefährlich ist Ultraschall fürs Kind?

Kinderwunsch - das Expertengespräch

Aber viele Patientinnen gehen das Risiko trotzdem ein, weil erneute Versuche nach einem Fehlschlag mit nur einem oder zwei Embryonen insgesamt höhere Kosten verursachen. Die Mediziner schreiben in ihrem Aufruf, es sei geboten, aus mehreren Embryonen immer nur eins auszuwählen, nämlich das mit den größten Entwicklungschancen. Das Verfahren nennt sich Elective Single-Embryo-Transfer.

Rechtliche Gleichheit bei der Spende von Embryonen und Vorkernen

Zwar sind Eizellenspenden in Deutschland illegal, aber unfruchtbare Frauen haben die Möglichkeit sich bereits befruchtete Embryonen von anderen Frauen mit Kinderwunsch spenden zu lassen.

Diese Embryonen entstehen als Nebenprodukt der künstlichen Befruchtung, weil Ärzte vorsorglich immer mehr Eizellen mit Samen befruchten als sie später bei der Empfängerin in die Gebärmutter einpflanzen können.

Ist das Spermium in die Eizelle eingedrungen, entsteht ein sogenannter Vorkern. In diesem Vorkernstadium suchen die Mediziner die Eizellen aus, die sie später zu Embryonen heranziehen und einpflanzen wollen.

Nicht genutzte Vorkerne werden entweder vernichtet oder eingefroren, um sie bei einem zweiten Befruchtungsversuch einsetzen zu können ohne erneut Eizellen entnehmen zu müssen. Solche Vorkerne dürfen nach dem derzeitigen Recht nicht an dritte Frauen gespendet werden - Embryonen hingegen schon. Hier wünschen sich die Mediziner eine rechtliche Gleichbehandlung.

fs/af (dpa)