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Naki: "Bin wieder zur Zielscheibe geworden"

Gezal Acer
9. Januar 2018

Der deutsch-kurdische Fußballspieler Deniz Naki wurde am Sonntagabend auf der A4 bei Düren beschossen. Mit der DW spricht er über das Attentat und seinen gegenwärtigen Gemütszustand.

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Deniz Naki
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Naki, Sie haben einen Attentatsversuch überlebt. Die Ermittlungen laufen. Stehen Sie unter Polizeischutz?

Deniz Naki: Nein. Ich habe momentan überhaupt keinen Polizeischutz. Ich bin mit meinen Freunden zusammen. Ich bin auch gerade nicht in Düren bei meiner Familie.

Haben Sie auch direkt nach dem Angriff keinen Polizeischutz bekommen?

In der Nacht um circa 23 Uhr, nachdem ich auf der Autobahn beschossen wurde, habe ich die Polizei alarmiert. Danach fuhr ich mit der Polizei nach Düren auf die Wache. Ich war zwei bis drei Stunden auf der Wache und habe ausgesagt. Meine Familie und meine Freunde haben mich abgeholt, und wir sind zu meiner Sicherheit ohne Polizei nach Köln gefahren. Ich habe der Polizei mitgeteilt, dass ich in Köln in einem Hotel übernachten werde. Später bekam ich einen Anruf aus Aachen von der Mordkommission und wurde neun Stunden vernommen. Mein Vater hatte mich abgeholt. Mein Handy wurde von den Beamten beschlagnahmt. Und mein Auto ist auch noch in Aachen.

Wie weit sind die Ermittlungen?

Auch mein Vater und mein Bruder wurden von der Polizei vernommen. Auch ein Freund wurde zur Vernehmung geladen. Einige meiner Freunde sollen auch noch vernommen werden.

Warum müssen auch Familienmitglieder und Freunde aussagen? Warum wurde ihr Handy beschlagnahmt? 

Eine Begründung wurde mir bzw. uns nicht mitgeteilt. Ich weiß auch nicht, aus welchem Grund mein Telefon mir nicht zurückgegeben wurde. Aus welchem Grund mein Vater vernommen wurde, kann ich einfach nicht nachvollziehen. Er kam auf die Wache nach Düren, um mich nach dem Vorfall zu sehen. Er hatte Tränen in den Augen, und ich habe ihn getröstet.

 

Infografik Timeline Deniz Naki DEU

Was sagt Ihr Anwalt dazu?

Mein Anwalt ist jetzt auch gerade dabei. Ich wurde neun Stunden lang ohne Rechtsanwalt als Zeugenbeistand vernommen. Obwohl ich konkret nach juristischem Beistand gefragt habe, wurde dieser Forderung keine Berücksichtigung geschenkt. Knapp sieben Stunden wurde ich zu politischen Verbindungen befragt.

Welcher Art waren die politischen Fragen?

Zum Beispiel, welche Partei ich bei der Wahl in der Türkei gewählt habe. Oder ob eine Nähe zur PKK bestünde.

Es wurde behauptet, Sie hätten ausgesagt, dass der türkische Geheimdienst im Spiel sein könnte. Stimmt das?

Ich habe ausgesagt, dass türkisch-nationalistische Personen beziehungsweise Gruppen hinter dieser Tat stecken könnten und ich keinen anderen Verdacht habe. Außerdem habe ich auf die Warnung des Abgeordneten der HDP [linksgerichtete türkische Partei, die sich für Rechte der kurdischen Minderheit einsetzt - Anm. der Red.], Garo Paylan, hingewiesen. Herr Paylan hat vor kurzem im türkischen Nationalparlament über mutmaßliche Attentatsvorbereitungen in Europa auf Oppositionelle durch den türkischen Geheimdienst MIT berichtet. In meiner Aussage habe ich auch auf mögliche Verbindungen zwischen Paylans Aussage und dem Anschlag auf mich hingewiesen. Wie gesagt, ich kann nur meinen Verdacht äußern, mehr kann ich dazu nicht sagen.

Haben Sie solch eine Drohung in Deutschland erhalten?

Nein. Bis jetzt hatte ich in Deutschland nie Probleme. Damals, als ich in der Türkei mein Gerichtsverfahren hatte, erhielt ich auf Facebook auch aus Deutschland Drohungen, dass mir in der Türkei etwas passiert oder, wenn ich nach Deutschland komme, dass die mich hier platt machen. Aber die Drohungen habe ich nicht ernst genommen.

Wie fühlen Sie sich?

Ich bin kein Politiker, ich bin ein Fußballspieler und Sportler. Ich habe in der Türkei politische Probleme. Aber warum hatte ich diese Probleme? Warum wurde ich auf Bewährungzu 18 Monaten Haft verurteilt? Ich habe mich immer für den Frieden eingesetzt und wurde von den türkischen Medien immer falsch interpretiert. Man hat mich immer wieder als jemanden dargestellt, der zu Gewalt und Terror aufrufe. Das habe ich nie getan, im Gegenteil: Für mich hat nie der ethnische oder religiöse Hintergrund eine Rolle gespielt, sondern immer ein friedliches Miteinander und Toleranz.

Werden Sie zurück in die Türkei fliegen?

Momentan weiß ich es nicht. Ich muss die weiteren Schritte mit meinen Anwälten beraten. Auch mit dem aus der Türkei. In den Medien - auch in den türkischen - wird ja gerade hoch und runter geschrieben. Ich bin jetzt wieder eine Zielscheibe geworden und weiß nicht, wie die Menschen in der Türkei reagieren werden. Ich muss in den nächsten Wochen schauen, was passiert.

Deniz Naki ist als Sohn türkisch-kurdischer Eltern in Düren bei Köln geboren. Er spielte bis 2014 in Deutschland - als Profi für den FC St. Pauli und den SC Paderborn 07. 2008 gewann er mit der deutschen U19-Auswahl die Europameisterschaft. Derzeit ist Naki beim türkischen Fußballklub Amed Spor in der überwiegend kurdischen Stadt Diyarbakır unter Vertrag. In der Türkei wurde er 2017 wegen angeblicher Terrorpropaganda für die verbotene Kurdenpartei PKK zu 18 Monaten und 22 Tagen Haft auf Bewährung verurteilt.

Das Interview führte Gezal Acer.