Jedem seinen Ring
Wenn die Auswahl groß ist, fällt die richtige Wahl nicht leicht. Von Richard Wagners Ring des Nibelungen gibt es zahlreiche Einspielungen. Aber welche sollte man kennen? Hier die Tipps des Wagner200-Teams.
Marathon in Buenos Aires
Fast sieben Stunden lang verfolgte das Publikum im legendären Teatro Colón in Buenos Aires die spannungsgeladene Inszenierung von Valentina Carrasco, dirigiert von Roberto Paternostro. Der Multikamera-Mitschnitt der Aufführung inklusive 90-minütiger DW-Dokumentation erschien im Mai 2013 (DVD und Blu-ray, C Major Entertainment).
Soltis Bestseller
Keine andere Ring-Aufnahme hat mehr Preise bekommen, keine hat sich öfter verkauft: Sir George Soltis Ring, eingespielt mit den Wiener Philharmonikern vor einem halben Jahrhundert, ist der Maßstab, an dem sich auch heute noch alle messen. Eine (für manche allzu) perfekte Studioproduktion mit großen Stimmen der Epoche: Birgit Nilssons Brünnhilde, Hans Hotters Wotan (CD, Decca).
Bibelfassung
An "Fu" führt kein Weg vorbei. Jahrzehntelang war Wilhelm Furtwängler bevorzugter Hausdirigent der Festspiele. Erstaunlicherweise hat er keinen Ring-Mitschnitt aus Bayreuth hinterlassen. Die Studioaufnahme von 1953, eingespielt in Rom, versammelt die prägenden Wagnerstimmen der Epoche. Eine "Bibelfassung", historisch wertvoll, klangtechnisch aber eher Hardcore (CD, EMI).
Bayreuth, Old School
Der Keilberth-Ring ist längst kein Geheimtipp mehr. Dieser erste Stereo-Mitschnitt des Bayreuther Rings von 1955 wurde vor einigen Jahren vom britischen Label Testament neu herausgebracht. Als musikalische Sensation gefeiert, bekam die Vintage-CD den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Kenner sagen: der "ideale" Ring - klar, ernst, transparent, temporeich (CD, Testament).
Jahrhundertring
Diesen Ring muss man hören und sehen: die Inszenierung von Patrice Chéreau wurde in Bayreuth 1976 zunächst ausgebuht, später hymnisch gefeiert (80 Minuten Applaus). Der Jahrhundertring ist psychologisch raffiniertes Regietheater, eine Parabel auf Gier und Niedergang des Kapitalismus, sensibel interpretiert von Dirigent Pierre Boulez (DVD, Universal).
Umstrittenes Genie
Wie immer bei Karajan ist auch sein Ring (1966-1970) ein Streitfall. "Schneidend, kalt, manieriert", finden die einen, die Stimmen zu schlank, der Klang zu kammermusikalisch. Die anderen preisen Karajan als Genie, das Wagner revolutioniert hat, als Meister des ultimativen Orchesterklangs - absolut perfekt hier die Berliner Philharmoniker (CD, Deutsche Grammophon).
Dramaturg des Klangs
Christian Thielemann hat sich in den vergangenen Jahren zum neuen Favoriten auf dem Bayreuther Hügel entwickelt. Dass sein Ring von 2007 mit fast 15 Stunden zu den langsameren gehört, spricht nicht gegen ihn. Thielemann ist ein Meister der Klangdramaturgie, er liebt das Pathos und das Auskosten der schönen Stellen. Manko dieses Mitschnitts ist die schwache Leistung der Sänger (CD, Opus Arte).
Der Londoner Ring
Der Ring auf Englisch! Der damals legendäre Dirigent Reginald Goodall hat dieses Abenteuer in den goldenen 70er Jahren mit der English National Opera gemeistert: mit starken Künstlern aus dem Ensemble und einer Übersetzung von Andrew Porter, die bis heute überzeugt. Goodalls Ring ist ruhig und lyrisch, detailgenau und doch vibrierend (CD, Chandos).
Böhm in Bayreuth
Wie der Goodall-Ring ist auch der von Karl Böhm live eingespielt (1966). Neben der gefeierten Keilberth-Aufnahme wohl die beste Bayreuth-Aufzeichnung mit Publikum, weitgehend ohne störendes Husten und Räuspern. Windgassen, Nilsson & Co. bieten die gewünschte Stardichte bei den Stimmen, Altmeister Böhm dirigiert forsch, gelegentlich atemlos, aber stets präzise (CD, Philips).
Drachen in New York
Wo Drachen noch Drachen sind: Otto Schenks märchenhafter Ring 1989 an der MET vermeidet alles, was Wagner-Traditionalisten am Regietheater hassen. Dirigent James Levine liefert dazu Orchesterqualität der Spitzenklasse, es singen Weltstars. Künstlerisch nicht halb so spannend wie der Chéreau/Boulez-Ring, aber das Spektakel ist hervorragend produziert und hat seine Fans (DVD, Universal).
Herr der Ringe
Feuerzauber und Spezialeffekte: ein Ring ganz à la Hollywood. Die spanische Theatergruppe Fura dels Baus hat für die Tetralogie in Valencia atemberaubend schöne Bilder gefunden - ein Ring für die "Herr der Ringe"-Generation. Zubin Mehta dirigiert dazu ein tadelloses junges Orchester, Jennifer Wilson und Matti Salminen glänzen. 1060 Minuten Überwältigungstheater (DVD, Universal).
Ring ohne Worte
Nicht jeder schätzt die mitunter langatmigen Gesangspartien in Wagners Werken. Wer den Ring als symphonische Dichtung genießen will, der liegt mit Lorin Maazels 75-Minuten-Destillat "The Ring without Words" genau richtig. Ob Siegfrieds Rheinfahrt oder Walkürenritt - die Berliner Philharmoniker sorgen für meisterhaften Klang (CD, Telarc).