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Wenig Hoffnung auf Kirchenreformen

Die Fragen stellte Christine Harjes21. April 2005

Die Meinungen über die Wahl Joseph Ratzingers zum neuen Papst gehen auseinander. Zu konservativ, lautet das Urteil vieler Christen. DW-WORLD sprach mit Tim Schmidt vom ökumenischen Netzwerk "Initiative Kirche von unten".

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Kein Segen für alle? Papst Benedikt XVI.Bild: AP

DW-WORLD: Ihre Initiative hat die Wahl Ratzingers als Katastrophe bezeichnet. Was sind die Hauptkritikpunkte?

Tim Schmidt: Herr Ratzinger ist ja im Vorfeld eher als Glaubenswächter und Inquisitor aufgetreten denn als Nachfolger Christi. Er ist im Wesentlichen verantwortlich für die Suspendierung kritischer Theologen in Deutschland. Er ist verantwortlich dafür, dass die Befreiungstheologie in Süd- und Lateinamerika ihre Köpfe verloren hat und wir sehen Herrn Ratzinger nicht als denjenigen, der besonders förderlich für die Ökumene ist und der auch Problematiken wie Aids oder Frauen in der Kirche reformfähig angehen kann.

Nun galt Papst Johannes Paul II. auch nicht grade als fortschrittlich. In welchen Punkten ist Ratzinger Ihrer Meinung nach noch konservativer als der alte Papst?

Tim Schmidt
Tim SchmidtBild: Tim Schmidt

Es ist fraglich, ob es überhaupt noch eine weitere Verschärfung der Worte geben kann, die aus Rom kommen. Wir glauben aber, dass Ratzinger nicht derjenige ist, der auf derselben globalisierungskritischen und friedenspolitischen Linie liegt, wie es Johannes Paul II. getan hat. Es ist schwer, da schon eine Prognose abzugeben, weil er sich natürlich in diesem Feld als Präfekt der Glaubenskongregation noch gar nicht geäußert hat. Aber ich glaube, dass Johannes Paul II. trotz seiner ganzen konservativen Haltung immer noch ein sehr pastoraler Mensch war und ein sehr guter Seelsorger. Und dass Ratzinger eigentlich nur als Theologe gilt. Zwar als brillanter und scharfsinniger Theologe - aber nicht als jemand, der sich auch in diesen Gebieten profiliert hat.

Sie haben gesagt, Ratzinger sei nicht förderlich für die Ökumene. Dabei hat er dem protestantisch getauften Frère Roger (Gründer der ökumenischen Glaubensgemeinschaft Taizé, Anm. d. Red.) bei der Papst-Beerdigung die Kommunion erteilt. Ist das nicht ein ökumenisches Zeichen?

Das ist für uns ein eklatanter Widerspruch, denn Professor Hasenhüttl wurde für das selbe Vergehen seines Priesteramtes enthoben und er hat deswegen auch seine Lehr-Erlaubnis verloren.

Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?

Ich habe keine Erklärung dafür. Ich weiß nicht, ob es für Herrn Ratzinger eine besondere Ausnahmesituation war, oder ob er diesbezüglich einfach nicht richtig geschaltet hat.

Wen hätten Sie sich als Papst gewünscht?

Von Personen mal ganz abgesehen, hätten wir uns einen reformfreudigen Papst gewünscht. Wir hätten uns jemanden gewünscht, der die ganzen Probleme, die während des langen Pontifikats von Johannes Paul II. liegen geblieben sind, anpackt und den Reformstau in der katholischen Kirche auflöst.

Ist ein Papst überhaupt noch zeitgemäß?

Es müsste dahingehen, dass der Papst als Repräsentant der katholischen Kirche eine gewisse Funktion hat. Jede Kirche, jede Glaubensgemeinschaft hat ihre Repräsentanten. Das Problem an diesem Papst-Amt ist für uns das absolutistische Lehramt, dieses Primat, das der Papst für sich in Anspruch nimmt, der Stellvertreter Christi und der einzig wahren Kirche zu sein. Wenn der Papst davon abrücken würde, und als einer der Mitspieler auf dem globalen Spielfeld der Religionen fungieren würde, dann wäre das für uns auch sehr viel glaubwürdiger. Das Lehramt ist schon fast diktatorisch.

Natürlich muss man sich abgrenzen, aber es geht auch darum zu sagen, das ist unsere Meinung und wir erkennen eure Meinung als gleichberechtigte Konfession oder Religion ebenso an.

Das Ökumenische Netzwerk "Initiative Kirche von unten" (IKvu) ist ein Zusammenschluss von 37 Basisgemeinden sowie kirchen- und gesellschaftskritischen Gruppen in der Tradition des politischen Linkskatholizismus und -protestantismus und der Befreiungstheologie.