1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Zeit drängt

Baha Güngör25. Februar 2003

Trotz des Einsatzes von Kofi Annan ist bislang keine Einigung im Zypern-Konflikt in Sicht. Der Friedensplan der UNO sieht eine "Vereinigte Republik Zypern" vor. Doch der Präsident Nordzyperns blockiert.

https://p.dw.com/p/327D
Nahtstelle NikosiaBild: AP

"Die Aussichten für eine Lösung innerhalb des Zeitplans der UN sind minimal, sie bestehen praktisch nicht", sagte der griechische Ministerpräsident Kostas Simitis. Die Vereinten Nationen, denen eine Wiedervereinigung Zyperns nach dem Vorbild der Schweiz vorschwebt, haben den Konfliktparteien eine Frist bis zum 28. Februar gesetzt. Griechische und türkische Zyprer verhandeln seit mehr als einem Jahr über eine Wiedervereinigung des letzten noch geteilten Landes in Europa. Zypern soll am 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union werden.

Auslaufmodell Denktasch?

Karte von Zypern
Bild: AP

Nach einem Treffen mit dem neu gewählten zyprischen Präsidenten und Führer der Volksgruppe der Griechen Zyperns, Tassos Papadopoulos, rief Simitis die türkische Regierung auf, Druck auf Rauf Denktasch, den politischen Führer der türkischen Zyprer, auszuüben. "Ankara muss endlich Druck auf die türkisch-zyprische Seite ausüben, produktiv zu sein. Ankara soll sich nicht mehr hinter der Unnachgiebigkeit von Denktasch verbarrikadieren", sagte Simitis.

Denktasch jedoch weist eine Unterschrift unter ein Zypern-Abkommen weiterhin von sich. Der 78-jährige Veteran der zyperntürkischen Nationalisten, Staatsgründer und Präsident gerät immer weiter unter Druck. Denktasch macht offenbar genau den Fehler, den viele greise Politiker weltweit machen: Sie erkennen die Zeichen der Zeit und die Gunst der Veränderungen nicht. Stattdessen beharrt auch Denktasch unbeweglich auf Maximalpositionen. Kein Wunder, dass ihm die Gefolgsleute abtrünnig werden und sich auf die Seite derer schlagen, die in einer veränderten Welt keine Angst mehr vor den Inselgriechen sowie deren "Mutterland" Griechenland haben.

Rückblick: 1974

Nikosia
Türkischer Einmarsch in Nikosia (1974)Bild: AP

Wer zurückblickt, kann der türkischen Seite das Recht nicht absprechen, im Sommer 1974 angemessen gehandelt zu haben: Schließlich war die Türkei als Garantiemacht neben Griechenland und Großbritannien im Londoner Zypern-Abkommen von 1959 verankert. Als die griechischen Nationalisten unter Führung der damaligen Obristenjunta in Athen einen Putsch auf der Insel starteten, um Zypern an Griechenland anzuschließen und damit das griechische Maximalziel ENOSIS zu erreichen, blieb der Türkei keine Alternative: Sie intervenierte militärisch zum Schutze der türkischen Minderheit.

Nach dem Sturz der siebenjährigen Militärdiktatur in Griechenland und der Rückkehr zur Demokratie als Folge der Eskalation auf Zypern hat die Türkei in den folgenden Jahren allerdings die Gelegenheit verpasst, die Legitimation für ihren Einmarsch aufrechtzuerhalten.

Stattdessen wurden 30.000 türkische Soldaten im Norden der Insel stationiert und zehntausende Festlandtürken auf Zypern angesiedelt. Diese künstliche Erhöhung der Bevölkerungszahl der Türken Zyperns zog Spannungen zwischen Insel- und Festlandtürken nach sich.

Doch wegen der politischen, militärischen und vor allem wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Türkei blieb den türkischen Zyprern keine Wahl, als sich ihrem Schicksal zu beugen. Derweil wurde der "Bundesstaat" Nordzypern im November 1983 eine Republik, just zu einer Zeit des Übergangs in der Türkei von einer dreijährigen Militärherrschaft zu demokratischen Verhältnissen. Deshalb fühlte sich vorübergehend in Ankara kaum jemand für das Geschehen in Nordzypern verantwortlich.

EU-Beitritt auch ohne Nordzypern denkbar

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Die Europäische Union ist dazu entschlossen, den international legitimen Südteil der Insel als neues Mitglied aufzunehmen - auch wenn der Konflikt noch nicht gelöst. Das heißt, die Einheit der Insel nach dem Plan von UN-Generalsekretär Kofi Annan noch nicht vollzogen ist. Damit wurde auch die türkische Argumentation hinfällig, dass Zypern in keiner internationalen Organisation Mitglied werden könne, in dem Griechenland und die Türkei nicht ebenfalls Mitglieder sind. Nordzyperns Türken wollen lieber an der Seite der Griechen in die EU als weiter am Tropf des ohnehin wirtschaftlich kränkelnden Türkei zu hängen und alle ihre Probleme wie Inflation, Arbeitslosigkeit und Geldentwertung zu importieren.

Die Jungen blicken nach Europa

Die in den letzten 30 Jahren geborenen Zyprer beider Seiten kennen keine Feindschaft, Massaker und Demütigungen. Sie wollen in einer friedlichen Koexistenz leben und vom Fortschritt Europas profitieren. Die Courage zur Wiedervereinigung zeigen diese jungen Menschen in Demonstrationen für Frieden und gegen Fortsetzung des Konflikts. Den Mut zur Beendigung der Teilung müssen die greisen Politiker wie Denktasch und sein Gegenspieler Glafkos Kleridis unter Beweis stellen. Wenn sie das schaffen, könnten sie noch im hohen Alter als beispielhafte Politiker im friedlichen Sinne in die Geschichte eingehen. Wenn sie es nicht schaffen, wird sich in einigen Jahren kaum jemand an ihre Namen erinnern.