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Über 50 Menschenrechtler in China verschwunden

11. Juli 2015

Erst das Aufatmen - nun das Erschrecken: Nach der Freilassung einer "Zeit"-Mitarbeiterin haben die chinesischen Behörden einen koordinierten Schlag gegen Menschenrechtler ausgeführt. Niemand weiß, wo sie sind.

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Polizeioffiziere einer chinesischen Spezialeinheit (Archivbild: dpa)
Übung für den Ernstfall: Polizeioffiziere einer chinesischen Spezialeinheit (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/Ch. Yuanhong

Als die chinesische Journalistin und "Zeit"-Mitarbeiterin Zhang Miao am Donnerstag aus monatelanger Haft freikam, war Bundesjustizminister Heiko Maas gerade in Peking. Er zeigte seine Freude über die Freilassung und fügte hinzu: "Wir müssen den Druck in Menschenrechtsfragen aufrechterhalten."

Jetzt zeigt sich, wie berechtigt diese Mahnung war: Das für Zhang tätige Anwaltsbüro ist Ziel eines koordinierten Schlages der Sicherheitsbehörden geworden. Rechtsanwalt Zhang Qingfang sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Polizei habe mindestens fünf Anwälte und zahlreiche Mitarbeiter der Kanzlei Beijing Fengrui festgenommen. Nach Angaben von Amnesty International sind innerhalb von zwei Tagen mehr als 50 Menschenrechtler im Zuge einer landesweiten Razzia "inhaftiert worden, verschwunden oder von der Polizei vorgeladen worden".

Bereits am Freitag hatten Zhangs Bruder und ein Freund der Familie von der Festnahme eines der Anwälte berichtet. "Drei Unbekannte haben Anwalt Zhou weggebracht - sie haben seinen Kopf verhüllt", sagte der Freund, der nach eigenen Worten die Festnahme in einem Pekinger Hotel miterlebte. In der Vergangenheit waren in China immer wieder Anwälte festgehalten worden, damit sie keine öffentlichen Erklärungen abgeben.

"Abwehr negativer kultureller Einflüsse"

Unter den übrigen Festgenommen ist offenbar auch die bekannte Menschenrechtsanwältin Wang Yu. Beobachter vermuten, die staatlichen Maßnahmen stünden in Zusammenhang mit einem Anfang des Monats verabschiedeten Sicherheitsgesetz, das dem Staat erlaubt, "alles Notwendige" zu unternehmen, um seine Souveränität zu schützen, und zur Abwehr "negativer kultureller Einflüsse" auffordert.

Nun zeichnet sich ab, wie weit diese offenen Formulierungen reichen. Niemand außer den Behörden weiß, wo viele der von der jüngsten Razzia Betroffenen sich befinden: Sie sind verschwunden. Zhang Miao war nach Recherchen über die Proteste für freie Wahlen in Hongkong im Oktober festgenommen worden. Sie hatte der damaligen "Zeit"-Korrespondentin Angela Köckritz bei Recherchen über die Proteste für freie Wahlen in Hongkong geholfen. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen waren damals in einer Verhaftungswelle zahlreiche Menschen in der Volksrepublik wegen Unterstützung der Proteste in Hongkong festgenommen worden.

Sorge um Gao Yu

Gao Yu (Archivbild: DW)
Inhaftiert: Die ehemalige DW-Mitarbeiterin Gao Yu (Archivbild)Bild: DW

Weiterhin besteht Sorge um die seit April 2014 inhaftierte Journalistin Gao Yu. Auch sie müsse freigelassen werden, forderte am Freitag der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert. Gao, die auch für die Deutsche Welle arbeitete, war im April dieses Jahres wegen der angeblichen Weitergabe von Staatsgeheimnissen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil rief in westlichen Staaten massive Kritik hervor.

Die kommunistische Führung Chinas macht für inländische Journalisten strenge Vorgaben. Chinesen dürfen nicht als Journalisten für ausländische Medien arbeiten, sondern ihnen lediglich bei Recherchen helfen.

Neue Einschüchterungen im Wochentakt

Schon kurz nach der Freilassung von Zhang Miao hatte die Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen erklärt, dies deute nicht auf eine Lockerung der Pressezensur in China hin."Fast wöchentlich werden neue Einschüchterungen, Verhaftungen und unfaire Gerichtsprozesse gegen chinesische, tibetische und uigurische Journalisten und Blogger in China bekannt", sagte der China-Experte der Organisation, Ulrich Delius. Die ohnehin begrenzten Freiräume für eine kritische Berichterstattung würden durch neue Sicherheitsgesetze und verschärfte Internetzensur immer geringer.

jj/cr (dpa, afp, rtr)