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Politik

Ältester Mann der Welt stirbt mit 113 Jahren

11. August 2017

Er hat beide Weltkriege erlebt, Österreichs Kaiser Franz Joseph mit eigenen Augen gesehen und fand die Gesellschaft von heute zu freizügig. Nun ist der Auschwitz-Überlebende Israel Kristal gestorben.

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Israel Kristal ist ältester Mann der Welt
Bild: picture-alliance/dpa/A. Sultan

Kristals Tochter Schulamit Kristal Kuperstoch bestätigte der Deutschen Presse-Agentur den Tod ihres Vaters. Das "Guinness Buch der Rekorde" hatte Israel Kristal im März 2016 zum ältesten Mann der Welt erklärt. Kurz zuvor war der damalige Titelträger, Yasutaro Koide, mit 112 Jahren in Japan gestorben.

Israel Kristal hatte noch im Herbst 2016 mit seiner Familie seine Bar Mizwa um 100 Jahre nachgefeiert. Die Familie hatte ihm die Feier zu seinem 113. Geburtstag am 15. September geschenkt. Die Bar Mizwa ist das jüdische Fest der Religionsmündigkeit und mit der katholischen Firmung oder der evangelischen Konfirmation zu vergleichen. Jungen sind dabei 13 Jahre alt. Als Israel Kristal ein Junge war, tobte der Erste Weltkrieg. Damals war keine Zeit, für ihn das jüdische Fest der Religionsmündigkeit zu feiern. "Wir haben mit ihm getanzt, wir haben alle gesungen, wir haben ihn glücklich gemacht", sagte seine Tochter Schulamit Kristal Kuperstoch kurz nach der Feier.

Karriere als Zuckerbäcker

Kristal wurde am 15. September 1903 in dem Örtchen Zarnow in Polen geboren. Er soll den österreichischen Kaiser Franz Joseph (1830-1916) noch mit eigenen Augen gesehen haben, im Jahr 1914, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Als Jugendlicher zog er nach Lodz, um im familieneigenen Süßwarengeschäft zu arbeiten. "Das war harte körperliche Arbeit", sagte er der Zeitung "Haaretz". "Ich habe 25-Kilo-Säcke mit Zucker geschleppt". Seine Tätigkeit als Zuckerbäcker in Lodz führte Kristal auch fort, nachdem die Nationalsozialisten 1940 dort ein jüdisches Ghetto einrichteten.

1944 wurde er nach Auschwitz deportiert. Über die traumatische Zeit in dem Konzentrationslager der Nationalsozialisten sprach er nicht gern. "Über jeden Tag dort könnte man zwei Bücher schreiben", sagte er nur. Kristal verlor während des Holocaust seine erste Frau und zwei Kinder. 1950 wanderte er nach Israel aus und zog mit seiner zweiten Frau nach Haifa. Dort stellte er wieder Süßigkeiten her, laut "Haaretz" Spezialitäten wie likörgefüllte Schodoladefläschchen oder kandierte Orangenschalen mit Schokoladenüberzug. Er hinterlässt mehrere Kinder und Enkel.

Kein Rezept für ein langes Leben

Ein Rezept für ein langes Leben hatte Kristal nicht parat. "Jeder hat sein eigenes Schicksal. Es ist ein Geschenk des Himmels. Da sind keine Geheimnisse", sagte er der "Haaretz" vor fünf Jahren. Auf die Frage, ob er sein hohes Alter vielleicht aufgrund einer besonderen Diät erreicht habe, sagte Kristal: "In den Lagern gab es nicht immer etwas zu essen. Was sie mir gegeben haben, habe ich gegessen." Er esse, um zu leben - er lebe nicht, um zu essen. Kristal betonte, er brauche nicht viel. Alles, was zu viel sei, sei nicht gut.

Der hochbetagte Mann war der Ansicht, dass die Welt heute nicht mehr so gut sei wie früher. "Ich mag diese Freizügigkeit hier nicht. Heute ist alles erlaubt", sagte er. Früher seien junge Menschen nicht so forsch gewesen. Sie hätten über eine Arbeit nachdenken müssen, um ihr Leben zu finanzieren, sie seien Tischler und Schneider gewesen.

mas/qu (afp, dpa, kna)