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Ägyptens Presse ohne Freiheit

8. Oktober 2010

Kurz vor den Parlamentswahlen in Ägypten geraten kritische Journalisten immer stärker unter Druck. Ein prominenter Kritiker von Staatspräsident Husni Mubarak musste jetzt seinen Posten als Chefredakteur räumen.

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Ägyptischer Zeitungsleser in Kairo (Foto:ap)
Was auch immer die ägyptische Presse schreibt, Präsident Mubarak hat es im BlickBild: AP

Ibrahim Eissa hat sich schon häufiger unbeliebt gemacht. So wurde er 2008 zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt, weil er es gewagt hatte, über den Gesundheitszustand von Staatspräsident Husni Mubarak zu schreiben. Der Präsident begnadigte den Journalisten zwar später höchstpersönlich - aber politische Freunde wurden die beiden nie. Immer wieder hat Eissa in den vergangenen Jahren offen und mit spitzen Worten das System Mubarak kritisiert – in Fernseh-Shows ebenso wie als Chefredakteur der großen und (bisher) regierungskritischen Tageszeitung "Al Dustur" ("Die Verfassung"). Dort haben ihm die neuen Besitzer nun kurzerhand die Kündigung überreicht.

Oppositionelle Stimmen unerwünscht

Der ägyptische Journalist Ibrahim Eissa (Foto:ap)
Ibrahim EissaBild: AP

"Ich sehe meine Entlassung als Glied in einer Kette von Schritten, die die Leute zum Schweigen bringen und ihre Freiheit einschränken soll", erklärt Eissa im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Laut seiner Auskunft erfolgte die Kündigung wegen der geplanten Veröffentlichung eines Artikels von Mohamed El-Baradei, dem ehemaligen Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und wichtigsten politischen Herausforderer von Präsident Mubarak neben den Muslimbrüdern. El-Baradei ist vor allem bei jüngeren und liberal gesinnten Großstadt-Ägyptern sowie bei Intellektuellen populär. Viele Beobachter glauben, dass er bei den Präsidentschaftswahlen 2011 der wichtigste Oppositionskandidat sein wird. Derweil ist noch unklar, ob der seit fast 30 Jahren regierenden Mubarak noch einmal antreten oder möglicherweise seinen Sohn Gamal ins Rennen schickt.

Der ehemalige IAEA-Chef Mohamed El-Baradei (Foto:ap)
Mubaraks größter Widersacher: der ehemalige IAEA-Chef Mohamed El-BaradeiBild: AP

Möglich wurde die Entlassung von Eissa erst durch einen Besitzerwechsel bei "Al Dustur". Al Sayed Al Badawi, ein bekannter Politiker und Unternehmer, hatte das Blatt vor zwei Monaten gemeinsam mit weiteren Partnern aufgekauft. Badawi gehört zwar nicht zur regierenden Nationaldemokratischen Partei von Mubarak, er hat aber in jüngster Zeit deutliche Distanz zum Baradei-Lager erkennen lassen. Seine Beteuerungen, die Zeitung werde ihren Kurs nicht ändern und volle Meinungsfreiheit garantieren, erscheinen nun in einem neuen Licht. Offensichtlich hätten die neuen Eigentümer Eissa "von Beginn an loswerden" wollen, meint Gamal Eid vom "Arabischen Netzwerk für Menschenrechts-Informationen". Dies sei ein Vorgang mit deutlicher Signalwirkung. Mostafa El-Naggar, politischer Aktivist und Blogger, sieht dies ähnlich: "Die Regierung versucht zu verhindern, dass Medien über etwaige Fälschungen bei den Wahlen berichten könnten", so seine Interpretation.

Anhänger der Regierung sehen dies freilich anders. Den Journalisten werde heute mehr Freiheit als je zuvor in der ägyptischen Geschichte gewährt, schreibt etwa der Autor Mostafa Al Fiqi auf der Webseite der Regierungspartei: "Bei soviel Freiheit entsteht oft Chaos. Die falsche Nutzung der Pressefreiheit kann so gefährlich werden, dass es zu negativen Resultaten führt."

Druck auf Medienunternehmer

Nicht nur den Chefredakteurs-Posten ist Eissa los. Er war schon vor Wochen bei einem TV-Sender gekündigt worden. Dort war er bis dahin täglich aufgetreten. Menschenrechtler El-Naggar meint, dass die Medienunternehmer, die solche Entscheidungen fällen, im Regelfall zuvor von der Regierung entsprechend unter Druck gesetzt wurden. "In Ägypten wird sehr oft versucht, die großen Unternehmer zu kontrollieren. Insbesondere wenn diese Unternehmer Interessen haben, die von der Regierung abhängig sind." Es sei sehr einfach, dies auszunutzen.

Ägyptische Journalisten protestieren gegen Ibrahim Eissas Entlassung (Foto:ap)
Ägyptische Journalisten protestieren gegen Ibrahim Eissas EntlassungBild: AP

Der gefeuerte Chefredakteur Eissa will sich davon nicht entmutigen lassen. Er veröffentlicht seine Regime-kritischen Artikel vorerst weiter - im Internet. "Letztlich sind hier doch alle Fäden im Netz der Regierung", sagt er im DW-Interview leicht resigniert: "Pressefreiheit in Ägypten – das ist doch alles nur ein Schauspiel!"

Autorin: Mona Hefni
Redaktion: Thomas Latschan/Rainer Sollich