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Ägyptens "Generation Facebook" wehrt sich

27. Januar 2011

Ägyptens Präsident Husni Mubarak schlägt die größte Protestwelle seit seiner Machtübernahme vor drei Jahrzehnten entgegen. Wie in Tunesien geht die Initiative von jungen Internet-Aktivisten aus.

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Brennende Autoreifen und junge Demonstranten auf den Straßen Kairos (Foto: AP)
Tage des Zorns: In Ägypten geht die Polizei gegen Demonstranten vorBild: AP

Alles hatte mit einer immer größeren Zahl von Aufrufen in Blogs, bei Twitter und auf Facebook begonnen. Und nur wenige Tage später waren bereits Tausende wütende Demonstranten auf den Straßen. Ähnlich wie in Tunesien, das viele der Protestierenden ausdrücklich als Vorbild sehen, mischt sich auch in Ägypten das Gefühl sozialer Benachteiligung mit explizit politischen Forderungen.

Tage des Zorns

Ägyptens Präsident Husni Mubarak (rechts) uns sein Sohn Gamal (Foto: AP)
Dynastische Nachfolge: Gamal Mubarak (links) soll nach seinem Vater Präsident werdenBild: AP

Die "Generation Facebook" fordert in ihren jüngsten Demonstrationen nicht weniger als den Sturz des Regimes von Präsident Hosni Mubarak, der das Land seit drei Jahrzehnten auf Basis von Notstandsgesetzen regiert. Kairo, aber auch andere ägyptische Städte erleben sogenannte "Tage des Zorns" mit schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizeikräften, Hunderten von Festnahmen und bereits mehreren Todesopfern.

Ähnlich wie Tunesien gilt auch das regionale Schwergewicht Ägypten als enger Partner des Westens – allen voran der USA und der Europäischen Union. Außerdem gehört Ägypten zu den wenigen arabischen Länder, die diplomatische Beziehungen mit Israel pflegen. Und Mubarak gilt als Garant dafür, dass nicht Islamisten die politische Macht am Nil übernehmen.

Beistand vom Westen

Doch nicht nur die Muslimbrüder, die nach den jüngsten Wahlen nicht mehr im ägyptischen Parlament vertreten sind, auch junge Internet-Aktivisten wie Mahmoud El Hetta fühlen sich vom Regime an den Rand gedrängt. Sie fordern politische Reformen und erhoffen sich dabei auch westlichen Beistand: "US-Außenministerin Hillary Clinton hat gesagt, Mubaraks Regime sei stabil, aber Demonstranten dürften auch nicht gewaltsam vertrieben werden. Deshalb werden wir weiterhin friedlich demonstrieren - solange bis wir gewinnen. Die Straße gehört uns!"

Politik der halboffenen Tür

Computernutzer vor seinem Rechner (Foto: DW)
Verabredung zum Protest über Facebook oder Twitter

Gerät nach Tunesien nun auch Ägyptens Regime ins Wanken? Verlässliche Prognosen gibt es nicht, doch auch den Sturz des tunesischen Herrschaftssystems hatte kein Experte vorhergesehen. Ein wichtiger Unterschied zwischen Kairo und Tunis ist sicherlich die Ausgangslage. Schließlich hat Mubarak bisher eine "Politik der halboffenen Tür" praktiziert. Das heisst: Die Muslimbrüder sind zwar einerseits verboten, werden andererseits jedoch geduldet. Und Menschenrechtsorganisationen klagen immer wieder über politische Repressionen und sogar Folter in Ägypten - doch zugleich gewährt das Land seinen Bürgern deutlich mehr politische Freiheiten als Länder wie Syrien oder Saudi-Arabien.

Historische Dimension

Thomas Demmelhuber, Ägypten-Experte und Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg, meint, die jüngsten Demonstrationen in Ägypten hätten durchaus eine historische Dimension – allein durch die hohe Anzahl der Protestler. Einen baldigen Sturz des Mubarak-Regimes kann er sich dennoch nicht vorstellen. Aber er glaubt, dass Mubarak es nun nicht mehr wagen wird, seinen Sohn Gamal als Nachfolger zu installieren: "Ich glaube nicht, dass Mubarak oder sein Regime in einer ähnlichen Art und Weise kollabieren werden wie das Regime von Ben Ali in Tunesien", so seine Einschätzung. Solange Mubarak lebe, werde das Regime von Kontinuität geprägt sein. "Sobald Mubarak aber nicht mehr da ist, können wir aus heutiger Sicht sicherlich fest davon ausgehen, dass eine dynastische Nachfolge nicht mehr durchsetzbar ist."

Proteste der "Generation Facebook"

Ein junger Mann fordert in der Masse der Demonstranten auf seinem Plakat Mubarak auf, das Land zu verlassen (Foto: AP)
Sowohl in Tunesien als auch in Ägypten geht die "Generation Facebook" auf die StraßeBild: AP

Die ägyptische Regierung zieht derweil altbekannten Register: Sie reagiert mit massiven Polizeiaufgeboten – und mit einer Schuldzuweisung an die Muslimbrüder, obwohl diese nicht offiziell an den Protesten beteiligt waren. Aktivist Mahmoud El Hetta weist Vorwürfe dieser Art konsequent zurück. "Diese Demonstrationen wurden vom gesamten ägyptischen Volk organisiert!", sagt er. Natürlich seien auch politische Oppositionsparteien und andere Bewegungen ein Teil der Proteste. "Aber das alles geht Hand in Hand mit uns jungen Ägyptern! Es wäre auch sehr egoistisch, wenn der Erfolg unserer Demonstrationen jetzt nur einem Hauptakteur zugesprochen würde. Es ist das ganze ägyptische Volk, das hier demonstriert!" Aber ist in diesen Tagen tatsächlich das ganze Volk auf der Straße? Thomas Demmelhuber hat andere Beobachtungen gemacht: "Es waren in erster Linie Jugendliche: Personen im Alter von 20 bis 40, die aufgrund fehlender Perspektiven einfach ein extremes Frustrationspotential zum Ausdruck bringen."

Twitter blockiert

Der Thron des "Pharaos" Mubarak, wie er gern genannt wird, scheint Risse zu bekommen. So sieht sich das Regime jetzt schon genötigt, Twitter und offenbar auch Facebook zu blockieren. So sollen die Organisation und Kommunikation der Demonstranten untereinander erschwert werden. Anders als in Tunesien machen der gebildete Mittelstand und damit auch die "Generation Facebook" in Ägypten nur einen kleinen Teil der Bevölkerung aus. Für das Regime könnte aber genau dieser Teil gefährlich werden. Insbesondere wenn sich neben den städtischen Internet-Aktivisten und Oppositionellen weitere Bevölkerungsschichten erheben.

Autorin: Hebatallah Ismail-Hafez

Redaktion: Stephanie Gebert/Rainer Sollich