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Zwischenstopp Deutschland

15. März 2010

Als Teenager von einem Tag auf den nächsten seine Heimat verlassen, alles aufgeben, in ein völlig fremdes Land fliehen müssen - wie leben junge Flüchtlinge ohne Familie in Deutschland? Ein Besuch in einem Jugendzentrum.

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Karte mit Ländern, aus denen die betreuten Flüchtlinge kommen (Foto: DW)
Karte mit Ländern, aus denen die betreuten Flüchtlinge kommenBild: DW/Götzke

Die Jungs, die im Gemeinschaftsraum des Vereins Globus e.V. im Internet surfen, haben eine tragische Vergangenheit. Der 17-Jährige aus Nigeria zum Beispiel, der seinen Namen nicht nennen möchte. Seine Eltern wurden bei Unruhen im Niger-Delta getötet, erzählt Sozialarbeiter Markus Lettmann. Er selbst will nicht darüber reden - die Geschichte ist noch zu frisch. "Er wurde direkt aus der Schule geholt, ein Freund des Vaters hat ihn direkt zum nächsten Flughafen gebracht und weg", erzählt Lettmann. Das Flugzeug landete in Düsseldorf - einige Tage später landete der Junge aus Nigeria beim Verein Globus.

Sozialarbeiter Markus Lettmann von Globus e.V. (Foto: DW)
Sozialarbeiter Markus LettmannBild: DW/Götzke

Mehr als 700 Flüchtlinge ohne Eltern kamen im letzten Jahr 2009 allein in Nordrhein-Westfalen in sozialen Einrichtungen unter, erzählt Lettmann: "Die werden entweder von den Eltern geschickt oder sind allein unterwegs, haben ihre Eltern verloren und sich über mehrere Jahre hierher durchgeschlagen."

"So etwas wie eine Ersatzfamilie"

Die Mitarbeiter von Globus betreuen zurzeit 16 Kinder - aus aller Welt. Viele kommen aus Westafrika, einige aus dem Irak, aus Syrien oder Indien. Die Sozialarbeiter wollen so etwas wie eine Ersatzfamilie für sie sein. Sie versuchen Normalität in das Leben der Kinder zu bringen - soweit das geht. "Wir holen sie ab, wir lernen uns kennen, versorgen sie, begleiten sie zu Ärzten. Es muss ja einiges geklärt werden, wer der Vormund ist, woher sie kommen, welchen Aufenthaltsstatus sie haben."

Anders als in vielen anderen Jugend-Einrichtungen wohnen die Flüchtlinge bei Globus allein oder zu zweit - in ganz normalen Wohnungen. Vormittags gehen sie zum Sprachkurs oder in die Schule, nachmittags können sie ins Gemeinschaftshaus kommen. Dort wird gemeinsam gekocht, gekickert oder gesurft.

Duldung, Duldung, Abschiebung

Lettmann und seine Kollegen begleiten die Jugendlichen auch bei Behörden-Terminen. Zu den unangenehmeren Dingen gehören die Termine bei der Ausländerbehörde. Denn hier erfahren viele der entwurzelten Kinder, dass sie auch in Deutschland wahrscheinlich nicht bleiben können. "Die Perspektive ist sehr unklar. Es gibt junge Menschen, die ein besseres Aufenthaltsrecht bekommen, die meisten bekommen aber so genannte Duldungen für einen oder drei Monate, die werden dann immer wieder verlängert."

Bis die Jugendlichen 18 Jahre alt sind. Dann bekommen sie vielleicht politisches Asyl, vielleicht eine weitere Duldung - oder und das ist die wahrscheinlichere Variante - werden abgeschoben.

Gemeinschaftsraum von Globus e.V. (Foto: DW)
Gemeinschaftsraum von Globus e.V.Bild: DW/Götzke

Bis zum 18. Lebensjahr bleibt die Unsicherheit. "Es ist für sie schwierig, Sinn darin zu sehen, zur Schule zu gehen, auszuhalten, auch wenn man nicht weiß, wie lange bin ich hier. Manche schaffen das und sind bemüht, einen Schulabschluss zu erzielen, andere werden depressiv."

Bis jetzt sind alle Kinder, um die sich Lettmann und seine Kollegen kümmern, jünger als 18 Jahre. Denn den Verein Globus gibt es erst seit knapp zwei Jahren. "Die ersten werden im Oktober 18 und dann wird es diese traurigen Geschichten geben, dass wir Abschied nehmen müssen und wo ich dann sage, schade, dass das Potenzial verschenkt wird."

Autor: Manfred Götzke

Redaktion: Kay-Alexander Scholz