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Politik

Kriegsverbrecher nach Gifteinnahme tot

29. November 2017

Der vom UN-Tribunal verurteilte bosnisch-kroatische General Slobodan Praljak ist in einer Klinik in Den Haag gestorben. Er hatte nach der Bestätigung seiner 20-jährigen Haftstrafe vermutlich Gift genommen.

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Der schicksalhafte Moment: Praljak setzt das Fläschchen oder Glas an, das höchstwahrscheinlich Gift enthielt (Screenshot: UN-Kriegsverbrechertribunal Praljak (ICTY))
Der schicksalhafte Moment: Praljak setzt das Fläschchen oder Glas an, das höchstwahrscheinlich Gift enthielt Bild: ICTY

Der vom UN-Kriegsverbrechertribunal zu 20 Jahren Haft verurteilte bosnisch-kroatische General Slobodan Praljak ist in einem Krankenhaus in Den Haag gestorben. Der 72-Jährige hatte im Gerichtssaal zuvor auf kroatisch erklärt, unschuldig zu sein und dann aus einer kleinen Flasche oder einem Glas getrunken, in dem sich nach seinen Worten Gift befand. Das Gericht bestätigte in der Sitzung die im Mai 2013 verhängte Haftstrafe gegen Praljak. Der Vorsitzende Richter unterbrach sofort die Sitzung, Richter und Anwälte reagierten bestürzt

Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic kritisierte den Schuldspruch gegen Praljak scharf. Er sprach dessen Familie sein Mitgefühl aus und kündigte mögliche rechtliche Schritte seines Landes gegen Teile des Urteils an. Dieses spiele fälschlicherweise auf eine Rolle Kroatiens im Bosnienkrieg an, sagte Plenkovic im Fernsehen. Die Führung Kroatiens könne auf keiner Weise mit den Geschehnissen in Verbindung gebracht werden. "Das Urteil ist unbegründet und ungerecht, kollidiert mit den Fakten und ist als solches für Kroatien inakzeptabel", so der Ministerpräsident.

Slobodan Praljak und Bruno Stojic kurz vor der Urteilsbestätigung durch das UN-Tribunal (Foto: picture-alliance/dpa/ANP/R. Van Lonkhuijsen)
Slobodan Praljak und Bruno Stojic kurz vor der Urteilsbestätigung durch das UN-Tribunal Bild: picture-alliance/dpa/ANP/R. Van Lonkhuijsen

Das Urteil hat besondere Brisanz für Kroatien

Während des Bosnien-Krieges (1992-1995) war Praljak Militärchef der bosnischen Kroaten. Im Berufungsverfahren hatte das Gericht bereits einige Urteile gegen die Führungsriege der bosnischen Kroaten wegen schwerer Kriegsverbrechen im Bosnien-Krieg bestätigt. So wurde der Hauptangeklagte Jadranko Prlic (58), der ehemalige Regierungschef des damaligen, selbst proklamierten Kleinstaates Herzeg-Bosna, erneut zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Bruno Stojic, der damalige Verteidigungschef, erhielt ebenso wie Praljak 20 Jahren Haft. Den Männern wird unter anderem Mord, Vertreibung, Folter und Vergewaltigung zur Last gelegt.

Das Urteil hat besondere Brisanz für die Republik Kroatien, die heute EU-Mitglied ist. Denn die Richter bestätigten auch die Mitschuld des damaligen Präsidenten Kroatiens, Franjo Tudjman, an Kriegsverbrechen. Die Angeklagten seien schuldig für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, urteilten die Richter. Mit der Bestätigung der Mitschuld gerade von Tudjman könnten Entschädigungsforderungen auf Kroatien zukommen. Die Regierung in Zagreb weist jede Verantwortung zurück.

Auch die 25 Jahre währende Haftstrafe für den Hauptangeklagten Jadranko Prlic wurde in Den Haag bestätigt (Foto: Getty Images/AFP/J. Buller)
Auch die 25 Jahre währende Haftstrafe für den Hauptangeklagten Jadranko Prlic wurde in Den Haag bestätigtBild: Getty Images/AFP/J. Buller

Tribunal zu Jugoslawien beendet zum Jahresende die Arbeit

Die Bestätigung der Urteile gegen Praljak, Prlic und Stojic waren die letzten offiziellen Aktivitäten des UN-Kriegsverbrechertribunals zum früheren Jugoslawien, das nach rund 24 Jahren zum Jahresende seine Arbeit abschließt. Das Tribunal war das erste internationale Gericht für Urteile wegen Kriegsverbrechen in Europa nach 1945. Ex-Serbenführer Radovan Karadzic wurde 2008 an Den Haag ausgeliefert. 2016 wurde er unter anderem für den Völkermord von Srebrenica zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Der militärische Chef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, war 2011 gefasst worden. Gegen den Ex-General verhängten die Richter erst in der vergangenen Woche eine lebenslange Haftstrafe. Heute steht niemand mehr auf der Fahndungsliste des UN-Gerichts. Zu den 84 Verurteilten gehören die militärisch und politisch Verantwortlichen der schlimmsten Verbrechen. 

sti/pg/stu (afp, dpa)