1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zwischen Demokratie und Autoritarismus

Vilma Filaj-Ballvora 21. März 2012

Das NATO-Mitglied Albanien möchte EU-Mitglied werden. Innenpolitische Krisen erschweren den Weg. 20 Jahre nach den ersten freien Wahlen steht das Land immer noch im Schatten seiner totalitären Vergangenheit.

https://p.dw.com/p/14OnP
Das albanische Parlament in Tirana (Foto: ddp images/AP Photo/Hektor Pustina)
Das albanische Parlament in TiranaBild: AP

Das kleine Land an der Adria fand als letzter osteuropäischer Staat den Weg zur Demokratie. Als eine nicht-kommunistische Partei nach den freien Wahlen am 22. März 1992 die Führung übernahm, stand das Land am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs: Schwere Unruhen, Hungerstreiks und der Massenexodus der Bevölkerung prägten den Anfang des Übergangsprozesses. Die Weiterentwicklung der Demokratie wird heute durch die Polarisierung der politischen Lager stark behindert.

Schon nach den ersten freien Wahlen setzte ein Schwarz-Weiß-Denken ein: Ein Politiker wurde entweder als Demokrat oder als Kommunist gesehen. Zwischen der neu gegründeten Demokratischen Partei und der zu einer sozialistischen Partei umgewandelten kommunistischen Arbeiterpartei tobt bis heute ein erbitterter Machtkampf.

Die Parteien als Hauptakteure

Das Volk stürtzt ein Denkmal des Diktators Enver Hoxha (Foto: AP-Photo/at/L. Lika-ATA)
Das Volk stürzt ein Denkmal des Diktators Enver HoxhaBild: AP

Was ihr politiches Programm betrifft, unterscheiden sich die beiden Parteien aber überraschend wenig. Den politischen Diskurs prägten ohnehin nicht die Inhalte, beklagt der albanische Politologe Ermal Hasimja: "Persönliche Interessen prallen aufeinander. Es geht den Politikern nicht um das Wohl der Bürger, sondern um ihre machtpolitischen Kalküle. Das macht den politischen Kampf hoffnungs- und  kompromisslos." 

Seit 1992 wurden in Albanien fünf Parlamentswahlen organisiert. Doch die unterlegene Partei akzeptierte kein einziges Mal das Wahlergebnis. Demokraten und Sozialisten haben das Parlament durch monatelange Boykotte lahmgelegt. Selbst Vermittlungsversuche westlicher Vertreter blieben ergebnislos. Die Folge: Albanien bekommt immer wieder schlechte Noten aus Brüssel. Seit 2009 liegt dort der Antrag auf den Status eines EU-Beitrittskandidaten vor. Doch es gibt noch viele Stolpersteine: "Uns fehlen die unabhängigen Institutionen, die eine neutrale Wahlaufsicht, den Wahlverlauf und die Korrektheit der Wahlergebnisse gewährleisten“, kritisiert der albanische Philosoph Artan Fuga. "Und weil diese Institutionen immer noch sehr stark politisiert sind, werden die Wahlergebnisse stets angezweifelt.“ In diesem System würden die Parteien die Hauptrolle spielen, nicht die Bürger, beklagt der Philosoph.

Zerbrechliche Demokratie und Autoritarismus

Die führenden albanischen Politiker sind noch sehr stark vom alten System geprägt. Das gilt sowohl für den demokratischen Premierminister Sali Berisha als auch für den Vorsitzenden der Sozialistischen Partei, Edi Rama. "Für die Albaner ist es sehr schwierig zu wählen, da es keine echte Alternative gibt", meint der Historiker und Albanienkenner Ulrich Lempert. "Seit 1990 hat es so gut wie keinen Elitenwechsel gegeben. Die Eliten, die die Politik jetzt führen, stammen teilweise aus demselben Personenkreis, der im Kommunismus schon zur Elite zählte.“

20 Jahre nach der Wende und 100 Jahre nach der Staatsgründung steht die albanische Gesellschaft immer noch am Anfang der Aufarbeitung einer belastenden Vergangenheit, die sie heute noch einholt. Das moderne Albanien konnte kaum an eine demokratische Tradition anknüpfen. Dem Ausruf der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich folgten, unter anderem, autoritäre Monarchien und die stalinistische Diktatur.

Der albanische Ministerpräsident Sali Berisha (Foto: ddp images/AP Photo/Hektor Pustina)
Der albanische Ministerpräsident Sali BerishaBild: AP
Der Philosoph und Soziologe Artan Fuga (Foto: DW/ Artan Kutra Paris, März, 2012)
Der Philosoph und Soziologe Artan FugaBild: DW

Seit dem Ende des Kommunismus hat sich vieles verbessert – darin sind sich die Experten einig. Zum Beispiel werden die demokratischen Institutionen von Bürgern und politischen Parteien nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt. Trotzdem funktionieren sie nicht einwandfrei, sondern sind geprägt von Polemik und Personalisierung. "Ein Hybrid zwischen fehlerhafter Demokratie und Autoritarismus“: So wird Albanien im neuen Bericht der Economist Intelligence Unit zum Demokratie-Index bewertet.