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Der weißrussische Maler Alexander Rodin

17. Juni 2011

Der Maler Alexander Rodin hat Fans weltweit. Doch in seiner Heimat Weißrussland ist seine experimentelle Malerei unerwünscht. In Berlin dagegen findet er Anerkennung und eine neue Heimat.

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Bild von Alexander Rodin (Foto: DW/Olga Kapustina)
Bild: DW

Alexander Rodin schläft nur vier Stunden täglich. Wenn er Inspiration spürt, gibt es für den Maler keinen Unterschied zwischen den Tageszeiten. "Ich bin dann wie besessen. Die ganze Nacht hindurch springe ich mit dem Pinsel um die Leinwand herum", sagt Rodin. Seit zwei Jahren arbeitet er an seinem größten Entwurf: 15 Meter lang, vier Meter hoch. Das Bild heißt "Global Warning", es geht um Naturkatastrophen.

Atelier auf 800 Quadratmeter

Maler Alexander Rodin in seinem Atelier in Tacheles (Foto: DW/Olga Kapustina)
Maler Alexander Rodin in seinem Atelier im TachelesBild: DW

Es ist also kein Wunder, dass Rodin müde aussieht, als er gegen Mittag durch eine Seitentür aus seinem provisorischen Schlafzimmer ins Atelier kommt. Seine Werkstatt belegt eine ganze Etage – etwa 800 Quadratmeter – im berühmten Berliner Künstlerhaus Tacheles, das alternative Künstler vereint und permanent von Schließung bedroht ist. Rodin trägt ein Hawaii-Hemd, Schirmmütze und Dreitagebart, auf seinen Fingern sind blaue Farbflecken. "Berlin inspiriert mich immer wieder aufs Neue. Solche Werke wie hier hätte ich anderswo nicht schaffen können", sagt Rodin.

Aus dem Radio hört man Rockmusik. Dutzende Besucher spazieren durchs Atelier. Sie verweilen vor einem der 30 ausgestellten Bilder, wechseln ein paar Worte, gehen dann zum nächsten Werk. Die Gemälde von Rodin verlangen Zeit und Phantasie. Auf ihnen sind unzählige Details versteckt, die entdeckt und zu einer Geschichte zusammengeführt werden sollen. Rodin sagt: "Als Künstler bin ich ein Medium zwischen Wirklichkeit und Irrealität."

Seine Werke wurden bereits in Frankreich, Spanien, Italien, Polen, Belgien und den Niederlanden ausgestellt. Bis zu tausend Menschen aus verschiedenen Ländern kommen pro Tag zu seiner ständigen Ausstellung im Tacheles. Anerkennung und Unterstützung findet Rodin in Westeuropa genug – ganz anders als in seiner Heimat Belarus.

Bild 'Let it be' (Foto: DW/Olga Kapustina)
Bild "Let it be" (Russisch: "Пусть будет так") von Alexander RodinBild: DW

Verhältnisse wie zu Sowjetzeiten

Rodin wurde 1947 in der belarussischen Stadt Baranowitschi geboren. Er studierte Kunst in Minsk und entdeckte früh seine Leidenschaft für die experimentelle Malerei. Doch ausstellen durfte er zu Sowjetzeiten kaum. "Nur ein Mal wurden meine Bilder in einer Ausstellung gezeigt. Da hat wohl die zuständige Behörde geschlafen", lächelt Rodin. Man habe ihm gesagt, seine Kunst sei unerwünscht, sie passe nicht in den ideologischen Rahmen.

Ähnlich sei die Situation im heutigen Belarus, sagt Rodin. Die offene, freie Kunst brauche das Land nicht. Ein offizielles Verbot gibt es für kritische Künstler nicht, allerdings stehen Dutzende von ihnen auf einer "schwarzen Liste" der Regierung. "Die Behörden haben Angst. Sie setzen den Kunstschaffenden Grenzen", sagt Rodin. Das heißt zum Beispiel, dass das international preisgekrönte "Belarus Free Theater" auf den öffentlichen Bühnen in Minsk nicht auftreten darf. Die Türen der Minsker Clubs bleiben für Musikbands wie "Lyapis Trubeckoi" oder "Krambambulya" geschlossen. Sie sind gezwungen, ihre Konzerte in benachbarten Ländern zu veranstalten. Es scheint paradox: Die belarussischen Fans müssen zu den Konzerten der belarussischen Bands ausreisen. "Die Gesellschaft in Belarus ist krank", sagt Rodin.

Der Weg nach Europa führt über Berlin

Eingang zum Tachele (Foto: DW/Olga Kapustina)
Eingang zum TachelesBild: DW

Sein Rezept gegen die Krankheit heißt: "Belarus muss zu sich selbst finden – und zu Europa. Denn Belarus ist ein Teil von Europa." Seit zehn Jahren verbringt Rodin selbst mehrere Monate jährlich in Berlin. Bis jetzt klappt das auch mit dem Visum; als international bedeutender Künstler bekommt Rodin Unterstützung vom Goethe-Institut.

Um das Fenster zu Europa auch den anderen Künstlern zu öffnen, organisiert er "Dach" - das Festival der zeitgenössischen belarussischen Kunst in Berlin und in Minsk. Ende Juni findet das Dach-Festival zum 14. Mal statt. "Wir holen junge Künstler aus Belarus für eine Woche nach Berlin. Sie werden die Atmosphäre der Stadt in der Mitte Europas aufnehmen und dann ihre Werke schaffen." Am 24. Juni werden die Bilder, Installationen und Skulpturen im Tacheles ausgestellt. Rodin hofft, dass die freie Berliner Luft den jungen belarussischen Künstlern gut tut. Ihm selbst scheint sie jedenfalls gut zu bekommen – trotz der schlaflosen Nächte.

Autorin: Olga Kapustina
Redaktion: Angela Müller