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Zweisprachig zur Integration

Peter Philipp7. April 2006

Gewalt und Ausgrenzung: An vielen deutschen Schulen gehört das längst zum Alltag. Eine Bonner Schule scheint einen Ausweg gefunden zu haben. Deutsche und arabische Kinder lernen hier gemeinsam - in beiden Sprachen.

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Gemeinsames Lernen in BerlinBild: dpa

Die "Katholische Grundschule Mehlem" in einer stillen Nebenstraße am Südrand von Bonn ist auf den ersten Blick keine besonders auffällige, erst recht keine besonders attraktive Einrichtung. Sie könnte aber Vorbild sein für andere Schulen in Deutschland, denn hier hat man sich etwas Neues einfallen lassen bei der Integration von Kindern "mit Migrationshintergrund", wie es inzwischen im Politiker-Deutsch heißt. Seit der Zusammenlegung mit einer benachbarten Grundschule lernen hier 325 Kinder - fast die Hälfte davon kommt aus Zuwanderer-Familien. Insgesamt stammen die Schüler aus über dreißig Ländern, die meisten jedoch aus der arabischen Welt.

"Koala"-Konzept

Als die Zusammenlegung der Schulen beschlossen wurde, war man an der katholischen Grundschule zunächst skeptisch: Während hier in erster Linie deutsche Kinder lernten, waren es an der Nachbarschule überwiegend Kinder von Zuwanderern - und das Niveau dieser Schule galt nicht gerade als hoch. Man habe sich deswegen etwas einfallen lassen müssen, sagt Annie Kawka-Wegmann, die Rektorin der neu entstandenen Schule. In Zusammenarbeit mit der Universität Köln habe man deswegen das so genannte "Koala"-Konzept erarbeitet, das Konzept der "koordinierten zweisprachigen Alphabetisierung im Anfangsunterricht". In Hessen, Berlin und einem Dutzend Schulen in Nordrhein-Westfalen wird dieses Konzept bereits angewandt.

Anerkennung für Sprachkenntnisse

Ein Grundprinzip ist, dass der Unterricht in mehreren Stunden der Woche zweisprachig geführt wird. In Mehlem geschieht das auf Deutsch und Arabisch. Den arabischen Kindern wird dadurch das Gefühl genommen, isoliert und ausgeschlossen zu sein - und sie werden daran gehindert, bei Verständnisschwierigkeiten einfach "abzuschalten". Für die Rektorin besteht der Erfolg in weit mehr als Alphabetisierung der Kinder: "Der Klassenlehrer oder die Klassenlehrerin steht mit der arabischen Muttersprachenlehrerin gemeinsam im Unterricht. Und wir erziehen die Kinder gemeinsam.“ Die Migrantenkinder dürfen vom ersten Tag an auch ihre Muttersprache sprechen, was die Aufmerksamkeit deutlich erhöhe. Die deutschen Kinder andererseits lernten dadurch die sprachliche Kompetenz ihrer arabischen Mitschüler schätzen.

Schulunterricht in der Grundschule
Prägende Phase: GrundschulunterrichtBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Einige der Zuwanderer-Kinder sprächen schon bis zu drei Sprachen, berichtet die Rektorin. Und trotzdem wären sie zurückgesetzt und benachteiligt, wenn man diese Fähigkeit ignorieren und die Kinder nur nach ihren Deutschkenntnissen beurteilen würde. Durch die Zweisprachigkeit entstehe dagegen in der Klasse ein freundschaftliches Miteinander. Dies fördere nicht nur das Deutsch-Lernen der arabischen Kinder, sondern ihre deutschen Mitschüler hätten auch schon erste Ansätze von Arabisch gelernt.

Gemeinsame Themen

Neue Freundschaften sind dadurch entstanden, man besucht sich gegenseitig auch zu Hause. Das Ganze färbt auch auf die Eltern ab: So treffen sich deutsche und arabische Mütter regelmäßig zum Tee - und man hat in diesem Kreis längst beschlossen, nicht mehr über Unterschiede der Religion oder der Kultur zu sprechen, sondern lieber über Mode, Kosmetik, Kochen oder Kinder-Erziehung. Dieses gesellschaftliche Miteinander wenigstens der Mütter ist das Verdienst von Bahija Mbaya, einer tunesischen Lehrerin, die nach zwei Jahren voll überzeugt ist vom "Koala"-Lehrprinzip: „Die arabischen Kinder arbeiten mit zwei Sprachen besser als mit einer Sprache. Das verstärkt das Selbstbewusstsein für die arabischen Kinder.“

Alle profitieren

Rektorin Kawka-Wegmann räumt ein, dass die Einführung der neuen Methode auch den Eltern einiges abverlangt habe: Die arabisch-muslimischen Eltern hätten anfangs vielleicht gezögert, ihre Kinder in eine katholische Schule zu schicken. Aber seit sie sich davon überzeugt haben, dass hier keine Mission betrieben wird, sei ihnen solch eine religiös so klar ausgerichtete Schule sogar lieber als eine nichtreligiöse Schule. Als Rektorin wie als Christin verstehe sie ihre Aufgabe auch nicht darin, religiöse Überzeugungsarbeit zu leisten, sondern vielmehr ein verständnisvolles Nebeneinander der Religionen zu fördern. Auch die deutschen Eltern hätten erkannt, dass ihre Kinder dadurch keinerlei Schaden haben. Im Gegenteil: „Wenn ich alle Kinder der Klasse besser fördere, dann kommt das allen zu Gute".

Lehrer, Eltern und Kinder sind glücklich mit der neuen Methode. Ob dieses Gefühl anhalten wird, muss sich natürlich erst noch zeigen. Die bisherigen Erfahrungen an der Katholischen Grundschule Mehlem zeigen aber, dass hier auf fast spielerische Weise die Grundlage für ein positives Miteinander gelegt wird - und dass deutsche wie nichtdeutsche Schüler hier lernen, offen und vorurteilsfrei miteinander umzugehen. Und das dürfte ihnen in Zukunft sicher von Nutzen sein.