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Zweifel an Organspende-Verfahren

7. August 2012

Immer mehr rettende Spenderorgane werden außerhalb der üblichen Wartelisten an todkranke Patienten vergeben. Für Opposition und Ärztekammer ist klar: Der Organspende-Skandal ist längst nicht ausgestanden.

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Eine Mitarbeiterin der Deutschen Stiftung für Organtransplantation trägt eine spezielle Kühlbox für Spenderorgane (Foto: dpa)
OrganspendeBild: picture-alliance/dpa

Rund 900 Organe wurden allein im vergangenen Jahr im Schnellverfahren vergeben, berichtet das Bundesgesundheitsministerium auf eine Anfrage der Grünen. Jedes vierte Herz, jede dritte Leber und jede zweite Bauchspeicheldrüse wird somit direkt von den Kliniken an selbst ausgesuchte Patienten verteilt. 2002 hat der Anteil des "beschleunigten Vermittlungsverfahrens" bei diesen Organen noch bei weniger als zehn Prozent gelegen.

Normalerweise sollen nur schwer vermittelbare Organe - wie etwa von älteren Spendern mit Vorerkrankungen - an der offiziellen Warteliste vorbei vergeben werden. Herz, Leber und Bauchspeicheldrüse bleiben dann zumeist in der Region, denn immer mehr wird auf eine möglichst kurze Dauer bis zum Einsetzen des Organs geachtet. Wenn es sich bereits in einem Transplantationszentrum befindet und dort als nicht geeignet für einen Patienten bewertet wird, kann es sein, dass das Organ gar nicht mehr allgemein vergeben wird, sondern gleich in der Klinik bleibt. Das sonst gängige System einheitlicher Wartelisten ist so weitgehend außer Kraft gesetzt.

"Sonderfall darf nicht zum Regelfall werden"

Die Opposition wittert dahinter Ungereimtheiten und Manipulationen. Das Gesundheitsministerium erklärt die gestiegene Zahl der direkten Vergabe allein mit dem höheren Durchschnittsalter der Spender. Auch bei der beschleunigten Vergabe handele es sich um ein reguläres Verfahren, für das detaillierte Regeln der Bundesärztekammer gälten, heißt es weiter. Dennoch zeigt sich der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, "erheblich irritiert": Der Sonderfall dürfe am Ende nicht zum Regelfall werden, sagte er dem "Tagesspiegel".

Experten hätten immer wieder den Verdacht geäußert, dass Organe "kränker" dargestellt würden, um das bestehende System der Organverteilung zu unterlaufen, schreibt die "Frankfurter Rundschau". Der Grünen-Abgeordnete Harald Terpe, dem die Bundesregierung bereits im Juni auf seine Anfrage geantwortet hatte, fordert eine Untersuchung: "Der enorme Anstieg dieser Transplantationen ist erklärungsbedürftig." Die Praxis der beschleunigten Vermittlung müsse transparent gemacht werden: "Nach den Ereignissen in Göttingen und Regensburg müssen wir alles tun, um sicherzugehen, dass nicht auch an anderer Stelle manipuliert wird."

Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (Foto: dapd)
Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery ist "irritiert"Bild: AP

Die Universitätskliniken Regensburg und Göttingen werden derzeit von einem Organspende-Skandal erschüttert. Ein Oberarzt, der in beiden Häusern gearbeitet hat, soll Krankenakten manipuliert haben, um Patienten auf der Warteliste für Spenderorgane ganz vorn zu platzieren.

rb/qu (dapd, dpa, rtr)