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Zweifel an der Dialogfähigkeit des Westens

Mona Naggar21. Januar 2002

Hat der Dialog zwischen der arabischen und der westlichen Welt nach dem 11. September ein Ende gefunden oder hat er erst begonnen? Um diese Frage ging es bei einer Veranstaltung der Deutschen Welle in Kairo.

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Sind stereotype Darstellungen des Islam inzwischen korrigiert?Bild: AP

Viele Neuerscheinungen ägyptischer und arabischer Verlage auf der diesjährigen 34. Kairoer Buchmesse drehen sich um Themen, die seit dem 11. September weltweit in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt sind: afghanische Araber, Terrorismus, radikaler Islamismus, das Verhältnis zwischen Islam und dem Westen. Dass die Veranstalter der Buchmesse das Rahmenprogramm unter das Motto "Dialog oder Kampf der Kulturen" gestellt haben, ist daher naheliegend. Ägyptische Publizisten, Akademiker und Politiker verschiedener politischer Ausrichtungen diskutieren bis zum 1. Februar verschiedene Aspekte dieses umfangreichen Themas, angefangen von der Geschichte der Begegnung zwischen islamischer Welt und Europa bis hin zur Position islamistischer Gruppierungen gegenüber dem Westen.

Dialog in mehreren Bereichen

Für Ibrahim Serrag El-Din, Direktor der Biblioteca Alexandrina, sind die Attentate von New York und Washington der Beginn eines echten Dialogs. Davor wurde das Verhältnis der arabischen und der westlichen Kulturen von politischen Themen diktiert, vor allem von dem Palästina-Problem. Außerdem sei der Dialog vor dem 11. September auf wenige Fachkreise beschränkt gewesen. Allerdings sei eine offene Haltung, die bereit ist, die Werte und Probleme der anderen Seite zu verstehen, für den Dialog unerlässlich. Und Kritik von der anderen Seite sollte ernst genommen und nicht als bloßen Angriff abgetan werden. Serrag El-Din forderte, den Dialog in mehreren Bereichen gleichzeitig durchzuführen: auf der Ebene der Medien, in der akademischen Welt und in gemeinsamen Aktionen von Nichtregierungsorganisationen.

Islamische Stereotypen korrigieren

Sayyed Yassin, Autor vieler Bücher zum Thema und Berater des Al-Ahram Center for Strategic Studies in Kairo, hat nach den Attentaten auf westlicher Seite ein Zurückfallen in längst überwunden geglaubte Positionen beobachtet. Der britische Premierminister Tony Blair und der französische Präsident Jacques Chirac hätten in ihren Reden von der westlichen Zivilisation gesprochen, die nun der Barbarei der Anderen gegenüber stünde. Für Yassin war das jahrhundertealtes, koloniales, rassistisches Vokabular. Außerdem würden Muslime im Westen nun verstärkt unter Rassismus leiden. Angesichts dieser Situation verlangte Yassin eine Initiative seitens der arabisch-islamischen Kultur. Sie soll die Stereotypen, die über diese Kultur im Umlauf sind, korrigieren.

Ein weiteres wichtiges Anliegen Yassins ist die Selbstkritik. Radikale Phänomene in arabisch-islamischen Gesellschaften seien bisher nur auf der sicherheitspolitischen Ebene bekämpft worden, eine wirkliche Auseinandersetzung habe jedoch nicht stattgefunden. Yassin wies auch gleich auf das Grundübel hin, unter dem arabisch-islamische Gesellschaften leiden: Die Verbreitung diktatorischer Regime, die die Menschen nicht als Bürger, sondern als Sklaven behandeln.

Nicht vergessen dürfte man natürlich das Weltwirtschaftssystem. Es müssten konkrete Vorschläge gemacht werden, um die ungerechten Auswirkungen dieses Systems auf die marginalisierte Welt einzuschränken. Kritik alleine reiche nicht aus.

"Kein wesentlicher Einschnitt"

Für Volkhard Windfuhr, langjähriger Spiegel-Korrespondent in der arabischen Welt, brachte der 11. September keinen wesentlichen Einschnitt in die Beziehungen zwischen arabischer und westlicher Welt. In den intellektuellen Kreisen auf der ganzen Welt herrschten ähnliche Positionen, die mit den Prinzipien der Vereinten Nationen identisch seien. Windfuhr hat den Dialog, der zwischen arabischen und westlichen Intellektuellen in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat, aus der Nähe verfolgen können. Nach dem Abzug der Kolonialmächte aus dem Nahen Osten und Nordafrika in den 50er und 60er Jahren begann eine zaghafte Wiederannäherung und eine Normalisierung der Beziehungen - nicht nur auf politischer Ebene. Das beste Beispiel sei die Aufarbeitung der Lehrpläne in verschiedenen arabischen Ländern. Stereotype Darstellungen des Westens, die noch aus der Kolonialzeit stammten, wurden korrigiert.

Zweifel an der Dialogfähigkeit des Westens

Die Teilnehmer auf dem Podium waren sich einig in ihrer optimistischen Einschätzung der Dialogmöglichkeiten zwischen islamischer und westlicher Welt. Andere Stimmen waren aus dem Publikum zu hören. Ein Teilnehmer, der eine weit verbreitete Meinung in der arabischen Bevölkerung wiedergibt, glaubt nicht an Bin Laden als Urheber der Attentate von New York und Washington. Für ihn sind sie eine Verschwörung ausländischer Regierungen und Geheimdienste gegen die arabisch-islamische Welt. Ein anderer Teilnehmer zweifelt an der Dialogfähigkeit des Westens: Er lasse keine Kritik an seiner Kultur und Politik zu. Nichts hätte sich seit den Kreuzzügen geändert.

Diese Positionen zeigen die Kluft auf, die zwischen der ägyptischen Elite und breiten Teilen der Bevölkerung herrscht. Dialog ist nicht nur zwischen Ost und West notwendig, sondern auch zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen.