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Zweifel am Urteil der Ratingagenturen

16. Januar 2012

In Europa wächst die Kritik an der Arbeit der US-Ratingagenturen. Ein Vorwurf lautet, Standard & Poor's leide unter einer "ernsten Fehlwahrnehmung". Jetzt stufte S&P auch den Euro-Rettungsschirm EFSF herab.

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Wolfgang Schäuble (Foto: dpapd)
Finanzminister Schäuble will den Einfluss der Ratingagenturen begrenzenBild: dapd

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte, er glaube nicht, dass Standard & Poor's wirklich begriffen habe, was in Europa schon auf den Weg gebracht worden sei. Die Euroländer seien schließlich längst auf dem Weg in eine Fiskalunion, um sich an gemeinsame Haushaltsregeln zu halten. Mit Blick auf die Ratingagenturen erklärte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk: "Die kochen auch nur mit Wasser". Zudem habe er den Verdacht, dass die Ratingagenturen um öffentliche Aufmerksamkeit rängen.

EU: Entzug der Bestnote war nicht gerechtfertigt

Deutliche Kritik kommt nach der Herabstufung von neun Euro-Ländern durch S&P auch von der EU-Kommission. Die EU erklärte, S&P leide unter einer "ernsten Fehlwahrnehmung", wenn man Europa vorwerfe, allein auf Sparpolitik zu setzen. "Ich denke, die Ratingagenturen sollten die beispiellosen Maßnahmen der Regierungen besser mit einrechnen", kritisierte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier in einer Rede in Hongkong.

Ein Sprecher der EU-Kommission monierte in Brüssel, der Entzug der Bestnote sei zu einem "eigenartigen" Zeitpunkt erfolgt, da es in der vergangenen Woche gute Nachrichten gegeben habe. So seien die Zinsen für italienische und spanische Anleihen zuletzt gefallen. Zudem hätten viele Länder der Euro-Zone wie Frankreich, Italien und Spanien in den vergangenen Monaten weitgehende Spar- und Reformschritte eingeleitet. Der Entzug der Bestnote sei daher ungerechtfertigt. "Die EU-Kommission hat mehr Informationen aus den Mitgliedsstaaten als Investoren oder Ratingagenturen", deshalb könne sie die Lage besser beurteilen als andere.

In der Euro-Schuldenkrise sorgten solche Ratings zum Veröffentlichungszeitpunkt an den Märkten immer wieder für neue Verunsicherung, obwohl sie häufig auf schon bekannten Daten basieren. Aus diesem Grund wollte Kommissar Barnier im vergangenen Herbst die Bewertungen von Euro-Krisenländern unter bestimmten Umständen vorübergehend verbieten. In diesem Punkt konnte Barnier sich aber innerhalb der EU-Kommission nicht durchsetzen. Nun überdenkt die EU-Behörde diese Idee erneut.

Auch der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, äußerte sich distanziert zur Bedeutung der Ratingagenturen. " Wir sollten lernen, entweder ohne sie auszukommen - oder aber mit ihnen, dann aber mit einer weit geringeren Bedeutung als heute", sagte Draghi im Europaparlament in Straßburg.

Standard & Poor's stuft Rettungsschirm EFSF ab

Der US-Ratingriese Standard & Poor's hat jetzt auch die Kreditwürdigkeit des Euro-Rettungsschirms EFSF abgestuft. S&P senkte das Rating von der Bestnote AAA auf AA+, wie der Fonds mitteilte. Dieser Schritt war erwartet worden, nachdem die Ratingagentur am Freitag neun Euroländern schlechtere Noten für ihre Kreditwürdigkeit verpasst hatte, darunter Europas zweitgrößter Volkswirtschaft Frankreich. Ob für den Rettungsschirm EFSF nun die Aufnahme von Krediten für Euro-Wackelkandidaten teurer werden wird, müssen die kommenden Tage zeigen. Auf die Herabstufung Frankreichs, Österreichs und weiterer sieben Euro-Staaten durch S&P in der vergangnen Woche reagierten die Märkte bislang kaum.

Moody's sieht Frankreich noch bei AAA

Die Agentur Moody's sieht hingegen Frankreich zunächst weiter in der Top-Kategorie AAA. Allerdings sehe man Risiken durch die Schuldenentwicklung und mögliche neue Ausgaben für weitere Krisenhilfen in Europa, hieß es am Montag. Bis Ende März werde man deshalb eine neue Einschätzung zu Frankreich vorlegen.

qu/sc (dapd,rtr,dpa,afp)