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Zwei Staaten auf dem Prüfstand der EU

Alexander Andreev / Robert Schwartz / (reh)24. April 2005

Bulgarien und Rumänien bereiten sich auf die EU vor - am Montag (25.4.) werden die Beitrittsverträge für 2007 unterzeichnet. Allerdings: Bei beiden Ländern könnte der Termin noch ins Wackeln geraten.

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Reformdruck nicht nur in SofiaBild: Transit-Archiv

Der bulgarischen Regierung bereiten vor allem zwei Punkte Kopfzerbrechen: Zum einen die lange geplante Justizreform - sie sieht vor, die nicht EU-konforme Unantastbarkeit der hohen Magistrate teilweise einzuschränken und für mehr Demokratie und Transparenz bei ihrer Wahl zu sorgen. Auch die Zuständigkeiten der Ermittlungsbehörden sind neu zu definieren.

Mehr Information zu Bulgarien und Rumänien finden Sie auf der Europakarte von DW-WORLD.

Im engen Zusammenhang damit steht zum anderen der von der EU verlangte Kampf gegen das Verbrechen. Trotz einiger Erfolge ist Bulgarien immer noch ein Problemland, was Geldfälschung, Produktpiraterie, Drogen- und Menschenhandel anbetrifft. Der andauernde Bandenkrieg in den Straßen der Hauptstadt Sofia und in anderen Städten Bulgariens, der im Jahr 2004 mehrere Todesopfer gefordert hat, sorgt für Angst in der Bevölkerung und für Misstrauen in Brüssel.

Bulgariens Reform soll schnell in Kraft treten

Georgi Parwanow
Bulgariens Präsident Georgi Parvanov hat die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich - aber die Reformen müssen schnell in Kraft tretenBild: dpa

Bulgariens Präsident Georgi Parvanov und verschiedene Regierungs- und Parlamentsvertreter haben mehrfach betont, dass die neue Prozessordnung, die die Substanz der Justizreform ausmacht, bis Ende des Jahres verabschiedet werde. Denn sonst kann die EU bei dem Gipfeltreffen im Herbst 2005 die so genannte Schutzklausel in Kraft setzen und damit den Beitritt Bulgariens um ein Jahr auf 2008 verschieben. Timo Suma, Leiter der Generaldirektion Erweiterung in Brüssel, ist aber eher optimistisch: "Ich glaube, alles läuft nach Plan." Die Mehrheit des EU-Parlaments sei für den Beitritt.

Zentrale Markthalle in Sofia
Der EU-Beitritt soll den Handel in Schwung bringen - ein Blick in die Zentrale Markthalle in Bulgariens Hauptstadt SofiaBild: dpa

Allerdings könnten die bulgarischen Parlamentswahlen im Juni 2005 Auswirkungen auf den fristgerechten EU-Beitritt Bulgariens haben. Schon vorher versucht die ex-kommunistische Sozialistische Partei, die zurzeit in den Umfragen führt, Punkte zu sammeln - sie will die mit der EU bereits ausgehandelte Stilllegung von vier der insgesamt
sechs Reaktoren im Atomkraftwerk Kosloduj wieder rückgängig machen. Sie rechnet mit der Unterstützung von den Bulgaren, die gegen die wachsenden Strompreise sind.

Obwohl die relevanten politischen Parteien im Lande eindeutig EU-orientiert sind, kann das Mehrheitsverhältnis im zukünftigen Parlament die Verabschiedung der Justizreform und die Ratifizierung des EU-Vertrags verlangsamen. Es gibt auch Stimmen für ein EU-Referendum - dabei sind über 70 Prozent der Bulgaren Meinungsumfragen zufolge für den Beitritt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, inwieweit Rumänien schon auf EU-Kurs ist und wo Hindernisse liegen.

Rumäniens Beitritt soll Korruption stoppen

EU Referendum in Rumänien, Bukarest
85 Prozent der Rumänen würden für einen EU-Beitritt stimmenBild: AP

Auch die große Mehrheit der Rumänen will den Beitritt: 85 Prozent erklärten sich einverstanden mit der Integration ihres Landes in die EU. Trotz steigender Preise, einer möglicherweise höheren Arbeitslosigkeit oder zusätzlicher Steuern sehen die meisten Rumänen darin die einzige Möglichkeit, die flächendeckende Korruption loszuwerden.

Denn eben wegen dieses "nationalen Übels", das bis in die Spitzen von Politik und Wirtschaft reicht, wird Rumänien immer häufiger mit der Schutzklausel gedroht. Vor allem Vertreter der europäischen Konservativen fordern einen Beitritt erst 2008. Der rumänische Präsident Traian Basescu spricht von berechtigter Kritik. Gleichzeitig verweist er aber auf die Fortschritte: "Wir haben einen erbitterten Kampf gegen die Korruption aufgenommen", betont er.

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Rumäniens Präsident Traian Basescu hält die Kritik an der Korruption im Land für berechtigt - er sieht aber große FortschritteBild: dw-tv

So sind mehr als 40 Polizei-Generäle entlassen worden; 42.000 Firmen sind die Bankkonten gesperrt worden, weil sie ihre Steuerschulden nicht beglichen haben; eine nie dagewesene Welle von Verhaftungen und Strafverfahren wurde gestartet. Das ist jedoch erst der Anfang eines langwierigen Prozesses. Denn die Seilschaften aus Zeiten der Kommunistischen Partei und des berüchtigten Geheimdienstes Securitate funktionieren immer noch.

Gegenwind in der Außenpolitik

Doch auch außenpolitisch bewegt sich Rumänien nicht in ruhigem Fahrwasser. Basescus Prioritäten - im Bereich der Sicherheit setzt er auf die strategische Partnerschaft mit den USA und Großbritannien - haben ihn und seine Minister sowohl in Berlin als auch in Paris mehrmals in Erklärungsnöte gebracht.

Basescu betont aber: "Für Rumänien steht eindeutig fest, dass es sich im Rahmen seiner Entwicklung in Richtung EU eine Hauptpriorität gesetzt hat, und zwar die Integration am 1. Januar 2007."

Anhaltendes Wachstum

Diese Priorität muss sich nun auch in der Wirtschaftspolitik verstärkt wiederfinden. Zwar liegt das Wachstum seit einigen Jahren konstant bei mehr als fünf Prozent - 2004 waren es sogar über acht Prozent. Zum ersten Mal seit Jahren liegt die Inflationsrate unter zehn Prozent. Der einheitliche Steuersatz von 16 Prozent, Anfang 2005 von der neuen liberal-demokratischen Regierung eingeführt, soll Investoren anlocken.

Rumänien - Hauptstadt Bukarest
Die rumänische Hauptstadt Bukarest: alte Seilschaften, aber gebremste InflationBild: dpa

Problem beider Länder: Wenig Kaufkraft

Es gibt jedoch noch eine Reihe weiterer Fragen, die den Beitritt sowohl von Bulgarien als auch von Rumänien problematisch machen - vor allem deren begrenzte Wettbewerbsfähigkeit. Produktivität und Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Bulgarien liegen bei etwa 30 Prozent des EU-Durchschnitts; der Durchschnittslohn etwa bei 150 Euro im Monat.

In Rumänien, einem der ärmsten Länder Europas, sieht es nur wenig besser aus: Der Netto-Durchschnittslohn beträgt 180 Euro, das reale BIP pro Kopf ebenfalls erst 30 Prozent des EU-Durchschnitts. Und der rasche EU-Beitritt wird das alles nicht so schnell ändern. Doch das nehmen die meisten Rumänen in Kauf, um endlich da zu sein, wo sie hingehören: in Europa.