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Zwei Gedenkstätten - eine Geschichte

Anne-Katrin Mellmann9. April 2003

Im Herzen Berlins entstehen zwei Holocaust-Gedenkstätten: das Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Juden Europas und das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma. Beide sollen 2004 fertig sein.

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Modell des Holocaust-Denkmals in BerlinBild: AP

Etwa 27 Millionen Euro gibt der Bund für ersteres aus. Mit geschätzten zwei Millionen Euro vergleichsweise klein ist dagegen die Summe für das Sinti- und Roma-Denkmal. Trotzdem war bis vor kurzem nicht klar, wer die Kosten trägt. Vor einigen Tagen kam nun die Meldung: Der Bund zahlt, Berlin stellt nur das Grundstück zur Verfügung. Auch die Initiatoren des Mahnmals für die ermordeten Juden machen in dieser Woche von sich reden und verkünden zum dritten Mal den Baubeginn.

Zwei Gedenkstätten - eine Geschichte: Vor 15 Jahren ging die Initiative für die Errichtung eines Holocaust-Denkmals für die sechs Millionen ermordeten Juden erstmals an die Öffentlichkeit. Es folgte eine lange Debatte, viele künstlerische Entwürfe; der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl nahm sich der Sache an, und am Ende musste der Bundestag entscheiden.

Gedenken und Denkmal

Das war 1999 und bedeutete grünes Licht für den Denkmal-Entwurf des Künstlers Peter Eisenman, der ein Feld mit 2700 Stelen aus Beton bauen will. Vier Jahre später sollen nun die Bauarbeiten beginnen. Der amerikanische Bauhistoriker Michael S. Cullen hat schon damals die Debatte aus nächster Nähe beobachtet und im Jahr des Bundestagsbeschlusses ein Buch darüber veröffentlicht.

Cullen hätte gern gesehen, dass sich der Bundestag mit der Frage beschäftigt, wie die Deutschen dem Völkermord gedenken können. Zum Beispiel mit Schülerwettbewerben für Aufsätze oder Gedenktagen. Stattdessen beschlossen die deutschen Volksvertreter das Denkmal aus Beton. Außerdem sollte auch den 500.000 ermordeten Sinti und Roma angemessen gedacht werden - mit einem eigenen Denkmal.

Monumental und schlicht

Seit vier Jahren weist an exponierter Stelle, direkt neben dem Reichstagsgebäude ein Schild auf die Absicht der Bundesregierung hin. Nach dem Entwurf des Künstlers Dani Karavan wird hier ein See angelegt, aus dem an jedem Tag mit musikalischer Begleitung eine Rose aufsteigen wird. Für den Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose, ist die künstlerischer Aussage zwar einfach, aber im Vergleich zum abstrakten Eisenman-Entwurf keinesfalls schlechter: "Ich glaube, dass das eine monumental ist, und dass das andere in der Stille wirkt."

Der Zentralrat hat viele Jahre für ein Denkmal gekämpft. Jetzt, nach der Einigung von Berlin und Bund über die Kosten, ist es soweit. Trotzdem bedauert Rose, dass es kein gemeinsames Denkmal für alle Opfer des Holocaust geben wird. Lea Rosh sieht das anders. Von der Publizistin ging 1988 die Initiative für ein Holocaust-Mahnmal aus, dass aber nie ein gemeinsames für alle Opfer werden sollte.

Beleidigung oder Bereicherung?

Den Amerikaner Michael S. Cullen stimmt das nachdenklich. Offensichtlich empfinde die deutsche Gesellschaft, dass das Opfer, das Sinti und Roma gebracht haben, weniger wiegt als das Opfer der Juden. "Das ist eine ziemliche Beleidigung", meint Cullen.

Beleidigung oder Bereicherung - die Diskussion der Deutschen über ihren Umgang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus wird auch nach dem Bau der beiden Denkmale weitergehen. Und gewiss scheint auch, dass ihre Geschichte um ein Kapitel wächst: Wenn auch den bisher ausgeschlossenen homosexuellen Opfern mit einem eigenen Denkmal gedacht wird.