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Zwangsanleihen für Reiche?

Rolf Wenkel11. Juli 2012

Mit einem spektakulären Vorschlag will das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin die Eurokrise in den Griff bekommen: Es schlägt unter anderem eine Zwangsanleihe für Reiche vor.

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Ein Model geht am Donnerstagabend (16.10.2008) während der Eröffnung der Millionaire Fair im Messezentrum in München (Oberbayern) über den Laufsteg. Die Millionaire Fair ist eine Messe für die Hersteller und Konsumenten von Luxusgütern. Sie gastiert zum ersten Mal in Deutschland und geht bis zum 19. Oktober. Die «Millionaire Fair» ist eine Erfindung des Niederländers Yves Gijrath und fand bisher 14 Mal in Städten wie Shanghai, Amsterdam und Moskau statt. Foto: Andreas Gebert dpa/lby +++(c) dpa - Report+++
Millionärs-Messe in München NEUBild: picture-alliance/dpa

"Zwangsanleihen und einmalige Vermögensabgaben auf höhere Privatvermögen könnten zur Refinanzierung und zum Abbau der Staatsschulden in Europa herangezogen werden, ohne dass eine Dämpfung der Konsumnachfrage zu befürchten wäre", schreiben die Berliner Wirtschaftsforscher in ihrem jüngsten Wochenbericht. Ihre Berechnungen hätten ergeben, dass der Staat etwa 230 Milliarden Euro einnehmen könnte, wenn er eine Abgabe von zehn Prozent auf private Vermögen über 250.000 Euro einführen würde.

"Betroffen wären die reichsten acht Prozent der Bevölkerung", so das DIW. Vermutlich ließen sich in den europäischen Krisenländern auf diesem Weg ebenfalls erhebliche Einnahmen erzielen, heißt es in dem Papier. "Die Belastung der großen Privatvermögen könnte die Staatsfinanzen in Europa stabilisieren“, sagt DIW-Experte Stefan Bach. Damit wäre ein wichtiger Schritt zu einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte getan, und wachstumsfördernde Reformen würden erleichtert.

Privatisierungen helfen nicht weiter

Tatsache ist: Den hohen Staatsschulden in der Eurozone stehen staatliche und hohe private Vermögen gegenüber, die in der Summe die Staatsschulden deutlich übersteigen. Dies gilt auch für die Krisenländer Griechenland, Spanien und Italien. Die Mobilisierung von Staatsvermögen helfe in der gegenwärtigen Krise nur bedingt weiter, da es zum großen Teil in der Infrastruktur stecke, schreiben die Berliner Forscher. Durch Verkäufe und Privatisierungen könne der Staat sich nur kurzfristig und einmalig Liquidität besorgen. Langfristig müsse der Privatsektor zur Rückführung der öffentlichen Defizite herangezogen werden.

"Für Zwangsanleihen und einmalige Vermögensabgaben in Krisensituationen gibt es zahlreiche historische Beispiele", so DIW-Experte Stefan Bach. Um die Erhebungskosten zu begrenzen und Härtefälle zu vermeiden, sollten hohe Freibeträge gewährt werden. Dies gelte auch für Betriebsvermögen, um der Liquidität und Finanzierung kleinerer Unternehmen Rechnung zu tragen.

Bürger reicher als der Staat

"Für Deutschland ergeben unsere Berechnungen für eine Abgabe, die ab einem individuellen Nettovermögen von 250.000 Euro beziehungsweise 500.000 Euro für Ehepaare erhoben wird, ein Aufkommen von neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also rund 230 Milliarden Euro. Damit könnte man den Schuldenstand in Deutschland ein deutliches Stück näher an die 60-Prozent-Grenze nach Maastricht zurückführen", ist Stefan Bach überzeugt.

Für die Krisenländer sei eine konkrete Schätzung des Aufkommens mangels Daten nur schwer möglich. Statistiken zeigten aber, dass auch in Griechenland, Spanien oder Italien beträchtliche Privatvermögen vorhanden seien, die die Staatsschulden deutlich übersteigen.

Der Vorteil einer Vermögensabgabe sei, dass die Betroffenen im Gegensatz zur laufenden Besteuerung nicht so einfach ausweichen können. Bei einer Kombination mit Zwangsanleihen bestünde außerdem die Möglichkeit, das Geld auf lange Sicht zurückzubekommen, was den Widerstand reduzieren dürfte. "Gerade für die europäischen Krisenländer wären Abgaben und Zwangsanleihen eine sinnvolle Option und ein Signal an die Geberländer und Hilfsfonds, dass man zunächst einmal zu Hause alle Möglichkeiten für eine geordnete Staatsfinanzierung auszuschöpfen versucht", schreibt das DIW. Und schließlich würde damit auch der deutlich gestiegenen Ungleichheit in der Vermögensverteilung entgegengewirkt.