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Zum Tag der Vereinten Nationen

Heinrich Bergstresser24. Oktober 2002

Der Tag der Vereinten Nationen ist Anlass zu fragen, wie aktuell die Ziele der 1945 verabschiedeten UN-Charta heute noch sind, und inwiefern die Irak-Krise die weltpolitische Rolle der UN mitbestimmen könnte.

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Die UN haben zahlreiche internationale Gedenktage ausgerufen, um etwa die Probleme von Kindern, Senioren, Frauen oder ethnischen Minderheiten ins Bewusstsein zu rufen. Probleme, die im politischen und journalistischen Alltagsgeschäft oft nicht ausreichend Gehör finden. Am 24. Oktober jedoch feiert sich die Weltorganisation selbst. Ist auch dies ein Hinweis auf einen Problemfall?

In der UNO und besonders in ihrem wichtigsten Gremium, dem Sicherheitsrat, ringen die Mitgliedsstaaten derzeit um eine Richtungsentscheidung der Weltorganisation. Vordergründig geht es um eine Resolution gegen den Irak und seinen Diktator Saddam Hussein. In Wirklichkeit klärt sich am Exempel Irak das derzeitige Machtverhältnis im internationalen System, das dann auf unbestimmte
Zeit bis zur nächsten schweren Krise festgeschrieben wird.

Das heißt, die Klärung beantwortet die Frage, ob die USA ihre Hegemonialstrategie mit sehr ungewissem Ausgang fortsetzen - oder ob sie als Führungsmacht mit der Weltgemeinschaft kooperieren und damit die politische und moralische Autorität der UNO akzeptieren, die sie selbst 1945 als die treibende Kraft mit aus der Taufe gehoben haben.

In diesem Klärungsprozess bezieht sich sicherlich keines der
Sicherheitsratsmitglieder auf den 24. Oktober 1945, auf den Tag, an dem die UN-Charta in Kraft trat und eine neue Weltordnung einleitete. Doch wäre dies zu wünschen, denn die Charta ist in seinen Grundsätzen auch heute noch genauso fortschrittlich und weitsichtig, wie wenige Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Die Ziele "Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" sowie "Beilegung von Streitigkeiten mit vereinten Kräften" - und die Betonung liegt hier auf "vereinten Kräften" - haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Aber über den Weg dorthin gehen die Meinungen in Washington, London, Paris, Moskau und Peking teilweise völlig auseinander, ganz zu schweigen von den Meinungen in den übrigen Mitgliedsstaaten.

Die USA kämpfen mit einem Grundproblem ihrer politischen Kultur, in der Alleingänge tief verwurzelt, die Neigung zu gleichberechtigten Koalitionen dagegen unterentwickelt sind. Vor diesem Hintergrund muss es den USA schwer fallen zu verstehen, dass nur übergeordnete internationale Organisationen in einer hochgradig regionalisierten Welt Übersichtlichkeit schaffen.

Diese Übersichtlichkeit ermöglicht erst Kommunikation - was nichts anderes bedeutet, als Absichten und Verhalten offen zu legen und damit Konfliktpotentiale erheblich zu vermindern. Und dafür bedarf es tiefer demokratischer Überzeugungen, denn Demokratie ist die beste aller Friedensstrategien. Sie schafft und verfestigt die Grundlagen, die eine gewaltfreie Konfliktaustragung überhaupt erst ermöglichen.

Militärmaschinerien sind teuer. Sie liefern zwar ein einfach darstellbares Mittel zur Konfliktbearbeitung, aber sie überdecken alle politischen und legitimatorischen Probleme. Gerade vor großen Konfrontationen, ob gegen Armeen oder Terroristen, schirmt sich das Militär - auch in Demokratien - leicht gegen jegliche Form rechtsstaatlicher Kontrolle ab: eine Entwicklung, die dem Freiheits- und Demokratiegedanken zuwider läuft. In dieser Hinsicht bieten die USA der zivilisierten Welt zur Zeit ein Lehrstück erster Güte.

Wie immer der Klärungsprozess in der UNO ausgehen mag, die Ziele der UN-Charta und die völkerrechtlich relevanten Rechtssetzungen des Sicherheitsrates, wie Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates unter bestimmten Voraussetzungen, bleiben die zentralen Bezugspunkte. Und Kooperation und Gewaltverzicht sind auch in einer Phase des internationalen Terrorismus keine Leerformeln, sondern gerichtet auf die Ursachen und Beseitigung von Gewalt.