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Zuckerbrot und Peitsche

Monika Dittrich2. März 2003

Im Weltsicherheitsrat hat der Kampf um die Stimmenmehrheit begonnen. Vor allem die kleinen Länder stehen unter Druck, in der Frage des Irak-Konflikts Stellung zu beziehen. Es ist die Zeit der großen Versprechungen.

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Tief gespalten: der WeltsicherheitsratBild: AP

"Jedes Land, das nicht mit den USA mitzieht, wird einen sehr hohen Preis bezahlen", verlautet es von amerikanischen Diplomaten. Mit dieser Drohung sollen möglichst viele der bisher unentschlossenen Sicherheitsratsmitglieder auf Kurs gebracht werden. Denn der von den USA und Großbritannien eingebrachte Resolutionsentwurf, der einen Krieg gegen den Irak legitimieren soll, benötigt zur Verabschiedung mindestens neun der fünfzehn Stimmen im Rat. Auch darf es kein Veto der fünf ständigen Mitglieder geben.

Doch der Sicherheitsrat ist tief gespalten. Da sind auf der einen Seite die Befürworter des harten Kurses von US-Präsident George W. Bush, und auf der anderen Seite die Unterstützer der Position Frankreichs, die eine Ausweitung und Verlängerung der Waffeninspektionen fordern. Dazwischen stehen sechs Länder, die das Zünglein an der Waage sein könnten. Sie werden derzeit heftig umworben, gelockt und unter Druck gesetzt. DW-WORLD stellt die aktuellen Mitglieder des Sicherheitsrates und ihre Positionen vor.

Die Kriegskoalition:

  • USA: Die letzte verbliebene Supermacht hatte bereits angekündigt, den Irak auch ohne UNO-Mandat anzugreifen. Dennoch versucht US-Präsident Bush die völkerrechtliche Legitimation der Vereinten Nationen zu erhalten, so etwa mit einer neuen Resolution. In dem gemeinsam mit Spanien und Großbritannien in den Sicherheitsrat eingebrachten Antrag heißt es, der Irak habe seine "letzte Gelegenheit" zur friedlichen Abrüstung verpasst.
  • Großbritannien steht fest an der Seite der USA und befürwortet einen Militärschlag gegen den Irak. Großbritanniens UN-Botschafter Sir Jeremy Greenstock sagte, der Irak hintergehe die Waffeninspekteure und die ganze Welt. Das müssten die Sicherheitsratsmitglieder erkennen.
  • Spanien: Spaniens Ministerpräsident Aznar hat den USA im Falle eines Irak-Krieges die Unterstützung seines Landes versprochen.
  • Bulgarien hat sich als bisher einziges Land dem Resolutionsentwurf der USA, Großbritanniens und Spaniens angeschlossen.

Die Achse des Friedens:

  • Frankreich hat im Sicherheitsrat gemeinsam mit Deutschland und Russland ein Memorandum vorgebracht, in dem intensivere Waffenkontrollen gefordert werden. Darin heißt es, den Inspekteuren sollten alle erforderlichen Mittel für die Auffindung und Vernichtung von eventuell im Irak verborgenen Massenvernichtungswaffen gewährt werden. Frankreich führt diejenigen Länder an, die sich gegen eine neue Irak-Resolution und für eine friedliche Entwaffnung des Iraks ausgesprochen haben. Allerdings schließt Premierminister Jean-Pierre Raffarin einen Krieg als letztes Mittel zur Entwaffnung des Iraks nicht prinzipiell aus.
  • Deutschland: Deutschlands UN-Botschafter Gunter Pleuger forderte bei den jüngsten Beratungen des Sicherheitsrats die Ausschöpfung aller friedlichen Möglichkeiten zur Entwaffnung des Iraks. Gewalt könne nur das letzte Mittel sein. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich bereits vor Wochen darauf festgelegt, dass Berlin einer zum Krieg führenden Resolution nicht zustimmen würde. Eine Enthaltung wäre danach aber für Deutschland immer noch möglich.
  • Russland: "Russland wird keine Resolution unterstützen, die direkt oder indirekt zu einem Militärangriff auf den Irak führt", sagte Außenminister Igor Iwanow kürzlich bei einem Treffen mit der chinesischen Regierung. Zudem kündigte Iwanow an, gegebenenfalls vom russischen Veto-Recht im Sicherheitsrat Gebrauch machen zu wollen. Politische Beobachter hingegen sind der Meinung, dass Russland auf Druck der USA einem Krieg gegen den Irak zustimmen werde.
  • China hat sich gemeinsam mit Russland erneut für eine friedliche Lösung der Irak-Krise ausgesprochen. China sei weiterhin entschlossen, "volle Anstrengungen" zu einer politischen Lösung des Konflikts zu unternehmen, hieß es von offizieller Seite.
  • Syrien: Das zurzeit einzige arabische Land im Sicherheitsrat wird vermutlich gegen einen Krieg im Irak stimmen.

Die Wackelkandidaten:

  • Chile: Präsident Ricardo Lagos forderte kürzlich "etwas mehr Zeit" für die Inspektoren im Irak. Bei den Beratungen im Sicherheitsrat am Donnerstag (27.02.) sprach sich Chile gemeinsam mit Mexiko für eine friedliche Lösung aus. Jedoch will das südamerikanische Land das mit Washington eingefädelte Freihandelsabkommen nicht gefährden. Der US-Kongress muss das Abkommen noch ratifizieren.
  • Mexiko galt bisher als stiller Verbündeter der Amerikaner. Bei der Sitzung des Sicherheitsrats unterstützte Mexiko jedoch (gemeinsam mit Chile) das Memorandum der Franzosen, Deutschen und Russen. Der mexikanische UN-Botschafter Adolfo Aguilar Zinser betonte, die UN-Inspektoren benötigten mehr Zeit zur Entwaffnung des Irak. Andererseits bangt Mexiko um die lebensnotwendigen Handelsbeziehungen zum Nachbarland USA. Zudem hofft Präsident Vicente Fox auf Erleichterungen für die Millionen illegal in die USA eingewanderten Mexikaner.
  • Pakistan will die irakfreundlichen Gefühle der muslimischen Bevölkerung einerseits und die amerikanischen Erwartungen andererseits unter einen Hut bringen. Einen Alleingang der Amerikaner wird Pakistan sicher nicht unterstützen, doch mit dem Mandat der UNO wird Islamabad vermutlich mitziehen.

Eine Schlüsselrolle spielen die drei afrikanischen Länder im Sicherheitsrat. Obwohl bisher alle afrikanischen Staaten die Position Frankreichs unterstützt und mehr Zeit für die Waffeninspektionen gefordert haben, stehen sie unter großem Druck. Denn sie brauchen die finanzielle Hilfe der USA.

  • Angola: Die hohen amerikanischen Investitionen und das Versprechen weiterer finanzieller Hilfen könnten das Land davon überzeugen, sich im Sicherheitsrat der US-Position anzuschließen.
  • Guinea wird von den beiden gegensätzlichen Lagern – Washington und London einerseits und Paris andererseits – heftig umworben. Die Regierung von Präsident General Lansana Conte steckt in einem Zwiespalt: Einerseits ist die zu 80 Prozent muslimische Bevölkerung gegen einen Krieg im Irak. Andererseits ist das westafrikanische Land auf wirtschaftliche Hilfen der USA angewiesen – Guinea gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Ein weiterer Grund, Frankreich die Unterstützung im Sicherheitsrat zu versagen, ist das schlechte Verhältnis zu der ehemaligen Kolonialmacht.
  • Kamerun ist für eine friedliche Irak-Lösung, will dies aber von Bagdads Zusammenarbeit abhängig machen. Jedoch hat das Land ein existenzielles Interesse an guten Beziehungen zu den USA: Das Land liegt am Golf von Guinea, wo große Erdölvorkommen lagern. Außerdem endet hier eine Pipeline aus dem Tschad. Da Amerika in den nächsten zehn Jahren mehr Erdöl aus Afrika importieren möchte, ist es für Kamerun wichtig, die Geschäftsbeziehungen zu pflegen. Diplomaten rechnen bei einer Abstimmung im Sicherheitsrat mit der Enthaltung Kameruns.