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Zuckerbrot und Peitsche

Udo Bauer27. Februar 2003

Die USA drohen der UN mit Bedeutungslosigkeit, sollte der Sicherheitsrat die Kriegsresolution gegen Irak ablehnen. Darum wird das Gremium den Amerikanern folgen und gerade deshalb an Bedeutung und Autorität verlieren.

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Am Ende werden wohl die Bundesrepublik Deutschland und Syrien die einzigen der 15 Sicherheitsratsmitgliedern sein, die gegen die von den USA vorgelegte Kriegsresolution mit "Nein" stimmen.

Die Vetomächte Frankreich, Russland und China und vielleicht noch ein paar andere werden sich enthalten. Der Rest der kriegsskeptischen kleineren Länder werden von Washington entweder mit Zuckerbrot oder mit der Peitsche von einer Zustimmung zum Krieg "überzeugt". Letztlich werden Amerikaner und Briten mit der Resolution (und damit dem Dokument internationaler Legitimation) winkend in das zerbombte Bagdad einziehen, sich gegenseitig dazu beglückwünschen, wie toll sie das internationale Recht ohne große Diskussionen um den Faktor des Präventivkrieges erweitert haben.

Kaum jemand, der in New York und Washington die Vorgänge am UN-Plaza beobachtet, kommt zu einem anderen Schluss, kann sich ein anderes Szenario für die zweite Irak-Resolution vorstellen.

Die normative Kraft des Faktischen

Es ist nichts anderes als teils geschickt, teils plump eingefädelte Machtpolitik der USA. Der UN-Generalsekretär wird wieder einmal Gelegenheit haben, von einem "traurigen Tag für die Weltgemeinschaft" zu sprechen. Kofi Annan kennt die wahren Machtverhältnisse in der unipolaren Welt von heute. Er verabscheut den Gedanken an diesen Krieg, den er mit seinen Inspektoren verhindern wollte, und muss sich doch der normativen Kraft des Faktischen beugen.

Es ist halt, wie es ist: Am Ende gewinnen diejenigen, die mit den USA gemeinsame Sache machen, und auch die wackeren Franzosen werden sich am Ende widerwillig auf die Seite der Großmacht schlagen - getreu dem Motto:

"If you can't beat them, join them!" ("Wenn Du nicht gegen sie ankommst, schliess Dich ihnen an!")

So etwas nennen Politikwissenschaftler Realpolitik. Es führt aber de facto dazu, dass der Weltsicherheitsrates künftig dastehen wird als Steigbügelhalter für amerikanische Machtpolitik.

Von Weitsichtigen und Zauderern

Aber vielleicht kommt ja auch wirklich alles zum Besten. Vielleicht gelingt es den Amerikanern, den Krieg ohne große "Kollateralschaeden" schnell zu gewinnen. Vielleicht gelingt das Experiment, Irak in die erste arabische Demokratie und ein prosperierendes Land zu verwandeln - mit Vorbildcharakter für die gesamte Region.

Vielleicht gibt es diesen von den USA beschworenen Dominoeffekt, der letztendlich auch zu einer dauerhaften Lösung der Palästinenserfrage führt. Sind dann nicht all die Kriegsskeptiker von heute eines Besseren belehrt? Hat sich dann nicht doch der verschmähte texanische Cowboy Bush rückblickend als wahrhaft weitsichtiger Visionär entpuppt und sich die Europaeer wieder einmal als ewige Zauderer und naive Pazifisten erwiesen?

Beglückung von außen

Selbst unter diesen optimalsten Umständen aber wird sich unsere Welt fundamental verändern. Andere (noch-nicht-demokratische) Staaten werden sich fragen, wann sie an die Reihe kommen, wann sie von den Amerikanern mit deren Vorstellung von Demokratie beglückt werden (sprich: noch ein Krieg?).

In der Zwischenzeit werden Angst und Unsicherheit die dortigen Regierungen befallen und die Bevölkerung radikalisieren und gegen den Westen als Ganzes aufbringen. Aber auch das ist zur Not unter großer
Kraftanstrengung in den Griff zu bekommen (sprich: noch ein Krieg!).

Vielleicht gelingt dies alles aber nicht, wie es sich die USA vorstellen. Vielleicht versinkt die gesamte arabische Region im Zuge des Irak-Krieges in Chaos, Umsturz und Anarchie oder sie verfällt dem islamistischen Terrorismus, dem wiederum weitere Kriege folgen werden.

So oder so, die Konsequenzen dieser geopolitischen Veraenderungen, die momentan in New York von den USA erzwungen werden, werden die gesamte westliche Welt zu spüren bekommen, auch die Staaten, die in den Iden des März 2003 gegen einen Krieg im Irak gestimmt haben.