1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zschäpes Anwälte wollen nicht mehr

Kersten Knipp20. Juli 2015

Die drei Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe haben einen Antrag auf Entbindung von ihrem Amt gestellt. Den lehnte der Vorsitzende Richter ab. Wie wird der Prozess weitergehen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

https://p.dw.com/p/1G1m0
Beate Zschäpe und ihre vier Anwälte, 14.07.2015 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/M. Rehle

Der Vorsitzende Richter hat die Entbindung von Zschäpes Anwälten abgelehnt. Was sieht die Gesetzgebung für den Umgang mit Anträgen auf Entbindungen vor?

Grundsätzlich ist es möglich, Pflichtverteidiger von ihrem Mandat zu entbinden. Einfach ist das aber nicht. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom Frühjahr 2012 ist für die Entbindung "eine schlüssige Darstellung einer Störung des Vertrauensverhältnisses erforderlich". Diese Störung muss aber sehr ernste Gründe haben. "Unterschiedliche Auffassungen über die Verteidigungsstrategie stellen keinen genügenden Grund zur Auswechslung des Pflichtverteidigers dar", heißt es in dem Dokument des OLG Köln. Diese Voraussetzung sieht das Münchener Gericht im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Es gebe in dem Antrag keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine nachhaltig gestörte Zusammenarbeit der Verteidiger mit Zschäpe, befand das Gericht.

Welche möglichen Konsequenzen hat der Antrag auf Entbindung?

Formaljuristisch überhaupt keine, denn das OLG München hat den Antrag abgelehnt. Wären Beate Zschäpes Anwälte entbunden worden, hätte der Prozess womöglich neu aufgerollt werden müssen. Nach der Entscheidung des Richters wird Zschäpe weiter mit ihren Anwälten zusammenarbeiten müssen - und diese mit ihr. Die Distanz zwischen der Angeklagten und ihren Verteidigern wird den Prozess allerdings nicht vereinfachen. Das Verhältnis zwischen Anwälten und Angeklagter gilt seit langem als belastet. Zschäpe könnte versucht sein, sich nun vor allem auf den ihr vor einigen Tagen zur Seite gestellten vierten Pflichtverteidiger zu verlassen. Der hat bereits angekündigt, dass er mit dem von den bisherigen Verteidigern empfohlenen Verteidigungskurs in Teilen nicht einverstanden ist. So sieht er vor allem den von Zschäpe konsequent eingehaltenen Schweigekurs skeptisch.

Zschäpe und ihr neuer, vierter Anwalt Mathias Grasel, 14.07.2015
Zschäpe und ihr neuer, vierter Anwalt Mathias GraselBild: Reuters/M. Rehle

Wann genau springen Pflichtverteidiger ein?

Hat ein Beschuldigter in einem Strafverfahren keinen Anwalt, kann ihm ein gerichtlich bestellter Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden. Die Strafprozessordnung sieht einen Verteidiger unter bestimmten Voraussetzungen zwingend vor. Dies ist etwa der Fall, wenn der Prozess vor einem Oberlandes- oder Landgericht läuft und dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird. Bezahlt wird der Pflichtverteidiger in aller Regel aus öffentlichen Mitteln.

Dass Beate Zschäpe gleich vier Pflichtverteidiger hat, liegt auch an der Dimension des Verfahrens. So haben die Akten einen Umfang von 380.000 Seiten.

Wie sehen die Nebenkläger den Antrag auf Entbindung?

Sie sind skeptisch. Der Prozess dauert bereits über zwei Jahre - eine lange Zeit, die die Geduld der Nebenkläger - überwiegend Verwandte der zehn Todesopfer - auf eine harte Probe stellt. Anwälte der Nebenkläger kritisierten es als "unwürdig", dass der Prozess nun ein weiteres Mal wegen "Befindlichkeiten" Zschäpes ins Stocken gerät.

Welche Gründe bringen Zschäpes Anwälte für Ihren Antrag auf Entbindung vor?

Die drei Anwälte - Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl - hatten ihren Antrag damit begründet, sie hätten nicht nur dem Staat zu dienen, indem sie die Sicherung des Verfahrens gewährleisten. Sie hätten außerdem auch eine angemessene Verteidigung sicherzustellen. Genauere Angaben machten sie unter Berufung auf die anwältliche Schweigepflicht nicht. Allerdings hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl über Unterredungen berichtet, die er am Rande des Prozesses in den vergangenen Wochen Zschäpes Anwälten geführt habe. Darin hätten sie ihm signalisiert, dass sie die Bestellung eines weiteren, also vierten Pflichtverteidigers mit Skepsis sähen. Diese könnte das "Binnenverhältnis" zwischen den Verteidigern und der Angeklagten Zschäpe schwächen. Allerdings betonte der Anwalt Wolfgang Heer, er habe einen vierten Pflichtverteidiger niemals abgelehnt. Vor wenigen Wochen hatte das Gericht bereits einen Entbindungsantrag der Rechtsanwältin Anja Sturm abgewiesen.