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"Zohr" soll Ägyptens Energiehunger stillen

Elisabeth Lehmann1. September 2015

Die Entdeckung eines gigantischen Gasfeldes vor der Küste Ägyptens löst in Kairo Euphorie aus. Doch selbst dieser Fund kann den Energiemangel des Landes nicht auf einen Schlag beseitigen. Aus Kairo Elisabeth Lehmann.

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QatarGas Bohrinsel vor Katar im Persischen Golf
Bild: picture alliance/Jay Tuck

Die Wortwahl von Claudio Descalzi strotzt nur so vor Superlativen. In seiner Presseerklärung spricht der Geschäftsführer des italienischen Energiekonzerns ENI von einem "super-gigantischen Erdgas-Feld", das vor der Küste Ägyptens entdeckt wurde. Der "Schatz" liege etwa 100 Kilometer vor der Stadt Port Said und könne Ägyptens Bedarf an Erdgas für die nächsten Jahrzehnte abdecken.

Die Nachricht dürfte nicht nur für Eni, sondern auch für die ägyptische Regierung eine Art Sechser im Lotto sein. Das Land leidet vor allem seit der Revolution 2011 unter massiver Energieknappheit. Stromausfälle sind an der Tagesordnung, vor allem im Hochsommer. Der Verkauf von Generatoren hat Hochkonjunktur, doch die müssen mit Benzin betrieben werden, und das gibt es auch schon lange nicht mehr im Überfluss.

Italien Energiekonzern Eni Vorstand Claudio Descalzi
Claudio Descalzi, Chef des Energiekonzerns ENIBild: picture-alliance/AP Photo/A. Medichini

Energieexporte via Suezkanal?

"Die Importrechnung für Öl hat sich mit 13 Milliarden US-Dollar im Vergleich zu 2009 fast verdreifacht", rechnet Nadine Abdel Raouf vor. Die Analystin ist Expertin für Energie-Sicherheit am Ägyptischen Zentrum für ökonomische Studien und weiß: "Der Energie-Sektor gehört zu den Top-Prioritäten der Regierung. Er hat nicht nur Einfluss auf die Industrie, sondern auch auf die politische Stabilität und kann unsere Position in der Welt stärken."

Das "Zohr-Feld" umfasst nach Angaben von ENI 850 Milliarden Kubikmeter Gas - vermutlich genug, um den heimischen Bedarf zu einem großen Teil zu decken und Gas zu exportieren. Nach der Einweihung des neuen Suez-Kanals, der den Welthandel vereinfachen soll, hat Ägypten beim Gasexport vor allem Europa im Blick.

Doch bis es so weit ist, muss Ägypten nach wie vor Energie importieren. Seit 2015 nun auch Erdgas - obwohl das Land nach Algerien der zweitgrößte Gas-Produzent Afrikas ist. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Fördermenge auf 55,2 Milliarden Kubimeter verdreifacht. Trotzdem reicht es nicht aus, um den Energiehunger der Ägypter zu stillen, die 75 Prozent ihres Stroms aus Gas gewinnen.

Abkommen mit Israel könnte Geschichte sein

In den vergangenen drei Jahren fehlte es vor allem an Investoren, die neue Quellen erschließen.Deshalb sah sich Präsident Abdel Fattah Al Sisi gezwungen, Abkommen mit Algerien und Russland zu schließen, um kurzfristig die Gasknappheit zu bekämpfen. Für große Diskussionen im Land sorgte aber vor allem ein Abkommen mit Israel.

Ägypten Expertin Nadine Abdel Raouf
Nadine Abdel RaoufBild: DW/E. Lehmann

2009 und 2010 waren vor der israelischen Küste die Gasfelder Tamar und Leviathan entdeckt worden. Der Export des Gases nach Ägypten scheiterte bisher immer an Genehmigungen, die fehlten. Mit der Entdeckung des Zohr-Feldes könnte der Deal nun ganz Geschichte sein - sehr zum Ärger der Israelis. Der israelische Energieminister Yuval Steinitz sprach im israelischen Radio von einen "schmerzhaften Weckruf inmitten all der unsinnigen Regularien". Israel habe die Chance, seine eigenen Gas-Felder zu entwickeln, verpasst.

Auch in Ägypten sind mit dem Fund nicht alle Probleme auf einen Schlag gelöst. "Selbst wenn wir den Anteil von Erdgas am Energie-Mix erhöhen, haben wir immer noch ein Defizit, und die Energie-Knappheit bleibt bestehen", sagt Analystin Abdel Raouf. Die Regierung könne also nicht aufhören, Reformen innerhalb des Energie-Sektors vorzunehmen.

Abdel Raouf spielt vor allem auf die erneuerbaren Energien an. Bisher zieht Ägypten nur neun Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien. Dabei scheint in kaum einem Land dieser Welt so oft und so intensiv die Sonne. Doch statt in Sonnenenergie zu investieren, wurden beim Investitionsgipfel im März dieses Jahres Milliardenverträge mit Siemens abgeschlossen - unter anderem für den Bau von neuen Gaskraftwerken. Die Entdeckung des Gasfeldes scheint nun eine Bestätigung für die Regierung zu sein, auf die richtige Strategie gesetzt zu haben.

Ein Sorgenkind bleibt aber auch dann noch bestehen, wenn Ägypten seine Energie-Knappheit in den Griff bekommen sollte. Das Stromnetz ist marode und störanfällig und müsste dringend überholt werden. Es hat nicht die Kapazität, so viel Energie zu verteilen. Und wenn die Massen an Strom nicht bei den Menschen ankommen, nützen auch die schicken neuen Kraftwerke und das super-gigantische Gasfeld nichts.