1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zocken mit Angsthasen

Emilia Rojas-Sasse / Britta Margraf8. Juni 2003

Stammtischbrüder haben schon immer gewusst: Kartenspielen und Politik liegen eng beieinander. Seit dem Irak-Krieg erobern Spielsets die internationale Politik. Jetzt kriegen Angsthasen und Kriegsgewinnler ihr Fett weg.

https://p.dw.com/p/3itC
Bundeskanzler Schröder auf der Angsthasenkarte "Pik 9"Bild: NewsMax.com

Eigentlich war das Kartenspiel mit den Bildern und Beschreibungen der 55 der meistgesuchten Iraker als Fahndungshilfe für die alliierten Soldaten im Irak-Krieg gedacht. Dann wurde es zum Verkaufsschlager im Internet. Die Hardcore-Patrioten vom US-amerikanischen NewMaxStore erkannten die Marktlücke und legten nach: Das "deck of weasels" (Kartenspiel der Feiglinge) entlarvt nun die Angsthasenfraktion. All jene also, die sich gegen den Krieg ausgesprochen und damit in den Augen des NewMaxStore den Patriotismus verraten haben.

Pik = Feiglinge der internationalen Politik

Die Herzreihe dieses Blattes schmücken prominente Kriegsgegner wie George Clooney, Susan Sarandon und Barbara Streisand. Die Feiglinge der internationalen Politik sind die Piks. Politische Analyse betreiben die Leute vom NewMaxStore bei der Verteilung der Nummern: Jacques Chirac ist ein Ass, Schröder dagegen nur die Nummer 9. Kofi Annan schaffte es bis zum Buben und Mexikos Präsident Vicente Fox – Schmeicheleien unter Nachbarn? – ist der König.

Neben jedem der kleinen Porträts der Warmduscher des Irak-Kriegs erscheint ein Zitat, das tief in ihre anti-amerikanischen, pazifistisch-intellektuellen Köpfe blicken lässt. Barbara Streisand wagt zu sagen "Saddam Hussein hat das World Trade Centre nicht bombardiert." Und Gore Vidal beschmutzt den Sieg Amerikas mit unpatriotischen Zweifeln, wenn er sagt, er könne keinen Sieg Amerikas sehen, da man sich "eine Milliarde Moslems zum Feind" gemacht habe. Zitate, mit denen die Macher des Kartenspiels die Kriegsgegner als Feiglinge entlarven wollen, die für die meisten europäischen Ohren jedoch keinesfalls negativ klingen.

Die Kriegsgewinnler

Auch die andere Seite des politisch-ideologischen Spektrums in den USA hat ihr Blatt gezückt, um die eigene Version des Irak-Kriegs unters Volk zu bringen. Auf dem Kartenspiel der Ruckus Society – einer Aktionsplattform von radikalen Linken und Globalisierungsgegnern, die 1995 gegründet wurde - sind die "profiteers" abgebildet: diejenigen Personen, die sich nach Meinung der Organisation am Krieg bereichert haben.

Die Ölfirmen und Energieunternehmen stehen als Pik-Serie am Karten-Pranger. Das Ass dieser Farbe schmückt die Welthandelsorganisation WTO, als König wurde niemand geringeres als George W. Bush auserwählt. Kreuz Ass geht an den Internationalen Währungsfond und bei den Karos – den Repräsentanten aus Industrie, Finanzwelt und Medien – besetzt die Weltbank die höchste Nummer. Für die Politiker ist das Herzsymbol reserviert, "because they love you". Rumsfeld als Herzbube, Vizepräsident Cheney als König und Colin Powell als 6. Condoleeza Rice ... konnte nur die 3 ergattern.

Plakative Kategorisierung

Die Aktivisten von Ruckus fällen mit ihrem Spiel ein vernichtendes Urteil über die Kriegsgewinnler. Sie brandmarken die abgebildeten Personen, Unternehmen und Institutionen nicht nur als Profiteure des Krieges, sondern bezeichnen sie als Kriminelle.

Der gemeinsame Nenner dieser "unschuldigen" Kartenspiele ist die eingeschränkte, plakative Sichtweise der Dinge: unilateral, banal und stumpfsinnig. Dennoch gibt es zwischen ihnen einen kleinen Unterschied: Das Angsthasenspiel kann man für 14 Dollar erwerben. Das Blatt der Profiteure dagegen ist gratis im Internet abrufbar. PDF zum selber basteln. Aber gegen eine Spende hat die Ruckus Society nichts einzuwenden.