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Zivilisten für Kampf gegen IS rekrutiert

8. März 2016

Die afghanische Armee beklagt viele Tote und viele Deserteure. Zum Kampf gegen die IS-Dschihadisten werden deswegen auch immer mehr Zivilisten eingezogen. Eigentlich sollten derartige Milizen abgeschafft werden.

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Anti-Taliban-Milizionäre im Norden Afghanistans (foto: AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/S. Marai

Die afghanische Regierung bewaffne in der Provinz Nangarhar Zivilisten für die Bekämpfung der radikalsunnitischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Das berichtete der Kommandeur eines in Nangarhar stationierten Armeekorps, General Nasim Sangi, der Deutschen Presse-Agentur. Die Zivilisten würden in Dörfern rekrutiert, die während einer großen Offensive jüngst aus der Hand des IS befreit worden seien. Die neuen, "Aufstandskräfte" genannten Bürgerwehren, sollten aber nicht nur gegen die IS-Dschihadisten, sondern auch gegen die Taliban-Rebellen Schutz bieten.

Bisher hat der Nationale Sicherheitsrat demnach etwa 650 Mann für 18 neue Sicherheitsposten in vier Dörfern bewaffnet: in Deh Sarak, Schadal und Chas Atschin im Bezirk Atschin sowie in Abdul Chel im Bezirk Nasian. Es könnten aber mehr werden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, Mohammad Radmanisch. Sie hätten Kalaschnikows, Panzerfäuste und russische Maschinengewehre erhalten und seien kurz an den Waffen eingewiesen worden.

Alle Männer seien Bewohner des jeweiligen Dorfes, das sie beschützen sollten. Derzeit würden sie von der örtlichen Polizei kontrolliert. Bisher habe es keine Probleme gegeben. Später sollten sie in die Polizeitruppe ALP integriert werden. Die ALP (Afghan Local Police) wird in Dörfern als letzte Verteidigungslinie gegen die Taliban-Extremisten eingesetzt. Oftmals stehen diese Milizen unter dem Kommando lokaler Kriegsherren. Da ihre Ausbildung oberflächlich ist und sie nur schwach kontrolliert werden, gab es in der Vergangenheit massive Probleme. Die Vereinten Nationen warfen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen vor.

Kehrtwende des Präsidenten

Der afghanische Präsident Aschraf Ghani war mit dem Versprechen angetreten, die oftmals marodierenden Milizen zu disziplinieren und nach Möglichkeit ganz abzuschaffen. Nach dem massiven Anstieg der Taliban-Angriffe 2015 machte er aber eine Kehrtwende. Im vergangenen Jahr war bereits die Rede davon gewesen, dass die 30.000 Mann starke ALP um mindestens 15.000 Mann aufgestockt werden müsse. Die Maßnahme soll den konstanten Schwund der Kampfkraft durch gefallene, verletzte oder desertierte Soldaten beheben. Die Quote liege mittlerweile bei monatlich acht bis zehn Prozent, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Afghanistan: Kämpfe in der Prozinz Helmand (foto: Xinhua/Landov/PA)
Afghanische Armee (ANA) oft auf dem Rückzug, wie hier in HelmandBild: picture-alliance/landov/A. Aziz Safdary

Derzeit fehlten den afghanischen Streitkräften etwa 25.000 Mann, sagte jüngst NATO-Sprecher Wilson Shoffner. Erst in den vergangenen Tagen hatten sich Armee und Polizei aus mehreren Gegenden in den umkämpften Provinzen Helmand und Urusgan zurückziehen müssen, um Kräfte für Angriffe besser bündeln zu können.

Der Einsatz "Schahin 18" gegen die IS-Legionäre in Nangarhar hatte mit internationaler Luftunterstützung vor etwa fünf Wochen begonnen. Das Ziel sei gewesen, die Dschihadisten aus ihren Kerngebieten zu vertreiben, so General Sangi. Nach widersprüchlichen Angaben von Medien und Ministerien sollen 130 bis 218 IS-Kämpfer getötet worden sein.

Nur Theater um Friedensverhandlungen?

Der Taliban-Führer Mullah Achtar Mansur soll seine Kämpfer aufgefordert haben, sich in die Berge zurückzuziehen, um nach der Absage an Friedensgespräche "Druck" der afghanischen oder pakistanischen Regierung aus dem Weg zu gehen. Das berichtete die pakistanische Zeitung "Express Tribune" unter Berufung auf einen Kommandeur. Die Taliban hatten am Wochenende die seit Dezember geplante Friedensinitiative Afghanistans, Pakistans, Chinas und der USA zunächst platzen lassen. Laut "Express Tribune" werben aber zwei hochrangige Kommandeure, Maulawi Abdul Dschalil und Anwar ul Hak Mudschahid, für die Gespräche.

Die Regierung in Kabul gibt sich weiter hoffnungsvoll. Der Verantwortliche für die Gespräche, der stellvertretende Außenminister Hekmat Karsai, meinte jetzt, die Absage der Radikalislamisten sei nur "ein taktischer Schachzug".

SC/sti (dpa, rtre, APE)