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Zitatschätze

28. Mai 2009

Über Buchgeschenke, den Frühjahrsputz im Bücherregal oder Schriftsteller als Autofahrer: hier schreibt Thomas Böhm Kolumnen zum Lesen.

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Bild: DW

Erster Besuch bei einem Bekannten: mein Blick fällt auf besonders dicke Bücher. Das wird bemerkt und sofort kommentiert "Hab ich von meinem Vater, der hielt immer die Reden." Und dafür wälzte er vorher den "Großen Zitatenschatz von A-Z", "Das neue Zitatenbuch“ oder "Das treffende Wort für jede Gelegenheit". Nun habe ich bei mancher Gelegenheit- meist im Eingangsbereich eines Buchkaufhauses - mit der Anschaffung eines solchen Folianten geliebäugelt, schließlich halte ich an dieser Stelle auch regelmäßig die Rede.

Ich habe aber noch jedes Mal auf den Kauf verzichtet, weil diese Schätzchen immer nach schnellem Geld aussahen. Schließlich ist das Zitieren unter fünf Zeilen doch rechtefrei und damit kostenlos, d.h., den Verlag kostet eine Zitatsammlung kein Urheberhonorar. Vielleicht ein paar Euro für einen Herausgeber, der sich nicht mehr Arbeit machen muss, als zum Beispiel mittels eines Scanners aus zwei bestehenden Zitatwörterbüchern ein neues zu machen.

Wohlklingend und mysteriös

Dieses Paarungsverfahren würde zumindest erklären, warum die Dinger immer dicker werden. Wer es sich ein bisschen schwerer machen will, der kann auch durch die Bücher der Autoren mit Zitatschöpfungsbewußtsein und gefühlter Autorität blättern und beliebig wohlklingende oder mysteriöse Stellen rausnehmen. Kleiner Versuch, Buch aus dem Regal, blind aufgeschlagen, und da steht’s "Jeder geworfene Stein muß fallen": Nietzsche, "Also sprach Zarathustra" - den ich hier also aus dem Zusammenhang heraus zitiert habe. Aus dem Zusammenhang heraus zitiert zu werden ist – ich zitiere aus dem Lied "Electric Guitars" der Popgruppe Prefab Sprout - ist Zeichen für die größtmögliche Prominenz: "We were quoted out of context, we were great".

Zitat und Anti-Zitat

Seltsam, dass es noch keine Pop-Phrasensammlungen gibt; keinen "Großen Zitatenschatz von Abba bis Zappa". Damit könnten die ewigen Redner bei Firmenfesten und Familienfeiern auch die Belegschaft unter 50 erreichen. Denen wiederum wünsche ich zum Mittel der Selbstverteidigung das Anti-Zitatenbuch: zu jedem Zitat ein Gegenzitat, ein verbaler Tritt ans Schienbein.

Thomas Böhm Programmleiter des Kölner Literaturhauses
Thomas Böhm Programmleiter des Kölner LiteraturhausesBild: birgit rautenberg

Das Motto dieser im wahrsten Sinne "treffenden" Sammlung hätte ich schon. Es stammt von Christian Morgenstern "Zitate sind das Eis für jede Stimmung".

PS: "Bei erschreckend vielen deutschen Zitaten sind die Flügel längst von Motten zerfressen." Hans Reimann, deutscher humoristischer Dichter.