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Zeigt her eure Schuhe ...

Vanessa Fischer26. Juli 2003

Der Traum von einem besseren Leben passt in einen schlichten Holzkasten. Darin transportieren die Schuhputzer Äthiopiens ihr Werkzeug. "Dream in an Box" lautet der Titel einer Ausstellung, hinter der noch mehr steckt.

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Georg Dittmar "Listros 2003"

Eigentlich war die Ausstellung als kleines kulturelles Begleitprogramm zum 15. Äthiopisten-Weltkongress in Hamburg gedacht. Aber schon bei der Eröffnung war klar: "Dream in a Box" wird ein Publikumsrennner.

Athiopen Austellung in Hamburg
Kongressteilnehmer im Foyer des Afrikanistik Instituts

Und das liegt nicht nur an den gezeigten Fotos, Bildern und Skulpturen, sondern vielmehr an dem ungewöhnlichen Projekt, das dahinsteckt.

Die Idee ist, die Arbeitsbedingungen äthiopischer Schuhputzkinder zu verbessern. Listros werden sie ein Äthiopien genannt. Sie gehören zum festen Bestandteil des dortigen Straßenbildes, finden aber mit ihrer Arbeit nur wenig Achtung.

Hilfe ist nicht das Thema

Es ginge nicht um Spenden, sagt der Initiator des Projektes, Dawit Shanko, sondern darum, über die Kunst eine Idee zu verwirklichen. Und die Idee ist, mit dem Erlös der verkauften Bilder in Äthiopien Schuhputzpavillons zu bauen.

Diese sollen die Listros vor der gleißenden Sonne schützen und ihnen ein würdevoller Arbeitsplatz sein. Wenn genug Pavillons in Addis Abeba aufgestellt werden könnten, wäre das eine Art Institutionalisierung ihrer Arbeit, meint Dawit Shanko.

"Für die meisten Jugendlichen dort ist das Schuhputzen der Übergang zu einem besseren Leben", erzählt der 34-Jährige, der früher selbst ein Listro war. "Sie helfen ihren Familien oder verdienen sich etwas dazu, vor allem aber nehmen sie ihr Leben selbst in die Hand. Um diese Lebenshaltung geht es uns mit dem Projekt."

Athiopen Austellung in Hamburg
Dawit Shanko, Initiator des Listros-Projektes

Vor einem Jahr hat der für diese Vision eigens gegründete Listros-Verein zwanzig Schuhputzer nahe der Haupststadt Addis Abeba mit fünf Kameras ausgestattet. Sie sollten ihre Arbeit und ihren Alltag dokumentieren.

Das Ergebnis waren über 100 schwarz-weiß Fotos, von denen rund 60 in der Ausstellung zu sehen sind. Innerhalb kürzester Zeit gelang es dem Verein, deutsche Künstler, darunter etwa Reinhard Stagl, für das Projekt zu gewinnen. Sie ließen sich von den Fotos inspirieren und brachten ihren eigenen Beitrag in die Ausstellung. 27 Maler und Bildhauer machen bereits mit und ständig kommen neue dazu.

Modelle für Schuhputzpavillons

Außerdem hat der Verein einige renommierte Berliner Architekten von seiner Vision überzeugt. Die von ihnen entworfenen Modelle für den Schuhputzerpavillon sind ebenfalls Teil der Ausstellung.

Dawit selbst steht kurz vor dem Abschluss seines Architekturstudiums und hat an seiner Hochschule einen Ideenwettbewerb für die Pavillons initiiert, an dem sich jetzt auch die Studenten beteiligen.

Als er im Alter von zwölf Jahren in Addis Abeba Schuhe putzte, hat er sich damit sein Schulmaterial finanziert. "Meine Angst war damals, dass mein Vater mich erwischen könnte und sagt: Hast du denn nicht genug zu essen, dass du Schuhe putzt. Aber ich wusste andererseits auch, dass er nicht in Lage war mir regelmäßig das zu geben, was ich brauchte."

Niemand redet darüber

Viele, die einmal Schuhputzer waren, würden später aus Scham nicht mehr darüber sprechen, weiß Dawit: "Das ist eigentlich das Ziel: dass die Leute anfangen, über diese Phase ihres Lebens zu reden. Und bei denen wiederum, die sich ihre Schuhe putzen lassen, wäre es wünschenswert, wenn sie die Jungen mit Respekt sehen könnten. Als jemanden, der einen Willen hat, seine Arbeit und das Leben ernst nimmt. "

Dawit jedenfalls, so viel ist sicher, nimmt seine Arbeit sehr ernst. Unermüdlich ist er unterwegs, die Listros-Idee bekannt zu machen. Sogar den äthiopischen Botschafter hat er ins Boot geholt.

Athiopen Austellung in Hamburg
Plakat der Ausstellung

In einem Jahr will der Verein die Ausstellung in Äthiopien zeigen. Durch den Verkauf der Bilder sind schon jetzt rund 20.000 Euro zusammengekommen. Das dürfte reichen, meint Dawit, um für den Anfang schon mal zwei bis vier Pavillons aufzustellen. Davor wird der "Traum in der Box" noch in anderen deutschen Städten zu sehen sein. Frankfurt und München sind schon fest eingeplant.